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Wozu kauft Adobe eine Bildagentur?

Es hat gute Gründe, dass der Publishing-Riese Adobe für 800 Millionen Dollar einen der größten Microstock-Anbieter erworben hat …

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Die Meldung vom Fotolia-Aufkauf erreichte die Web-Community im Dezember. Aber war steckt hinter dieser spektakulären Erwerbung? Um das zu verstehen, muss man sich klarmachen, dass die Firma Adobe gerade einen wirklich revolutionären Wandel vollzieht – man merke sich dazu die neue Buzz-Abkürzung SaaS (= Software as a Service): Bekanntlich verkauft das Unternehmen Produkte wie Photoshop, Illustrator et cetera seit Neuestem nicht mehr zu einem einmal zu entrichtenden Preis, sondern über Abo-Modelle, nämlich mehr oder minder umfangreiche Mitgliedschaften in der Creative Cloud. Die große Zukunftsvision: Die Creative Cloud soll DIE zentrale Anlaufstelle für Kreative werden, also viel mehr leisten als bloß Software anzubieten.

In diesem Zusammenhang ist etwa der Erwerb der Portfolio-Plattform Behance zu sehen, die vor zwei Jahren für 150 Millionen Dollar in den Besitz von Adobe überging. Ebenso die Einrichtung der Creative Talent Search, die seit Oktober zur globalen Vermittlung von kreativen Talenten werden will. Beide sind seither in die Creative Cloud eingebunden.

Die Adobe-Kunden konnten oder wollten dem neuen Konzept bisher aber nur zum Teil folgen. Statt die volle Mitgliedschaft für rund 60 Euro zu abonnieren, beschränken sich viele Kunden auf Minimalversionen, etwa die Nutzung von Photoshop und Lightroom für monatlich rund 12 Euro. Die Umsätze brachen zeitweilig ein, Adobe muss ihre Creative-Cloud-Angebote attraktiver machen.

Da kommt Fotolia ins Spiel, eine der weltweit führenden Microstockagenturen. Wird der Zugriff auf die 34 Millionen Bilder und Videos in eines der Abos integriert, dürfte dieses deutlich mehr Anklang finden. Außerdem entsteht jede Menge Potential für Synergien mit Behance: Die Inhaber von Behance-Portfolios könnten ihr Material wiederum gleich über Fotolia verkaufen, sowohl innerhalb als womöglich sogar auch außerhalb der Creative Cloud. Denn Fotolia wird als eigenständige Firma weiterexistieren, wie Adobe verlauten lässt.

Ein brillianter Schachzug von Adobe

Ein brillianter Schachzug von Adobe also – und ein großer Schritt auf dem Weg zu einer Creative Cloud, in der Kreative sowohl die Adobe-Tools nutzen als auch ihre Arbeiten teilen und diskutieren, als auch Dienstleistungen und Artworks untereinander anbieten und erwerben.

Adobe macht sich auf diese Weise unabhängig von den sporadischen, großen Software-Upgrades, die mal besser und mal weniger gut ankommen und tatsächlich irgendwie einer vergangenen Epoche anzugehören scheinen. Dank der Abos kann die Firma mit kontinuierlichen Einkünften rechnen. Andererseits birgt die neue Strategie von Software as a Service natürlich auch Risiken.

Der erste Versuch, die Angebote von Bildagenturen in die Creative Suite einzubinden, hieß Adobe Stock Photos und wurde 2008 mangels Erfolg eingestellt. Diesmal ist die Lage eine völlig andere – wir werden sehen, ob es Adobe gelingt, zum alleinseligmachenden Allround-Anbieter für alle Wünsche und Bedürfnisse von Kreativen zu werden.

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Angesichts der Meldung sollten eigentlich viele Designer (ich glaube ich spreche hier wohl eher für die Kleinen der Branche) Herzrasen bekommen oder zumindest einen Anflug von Panik.

    Adobe diktiert doch bereits als Platzhirsch im Segment der Designsoftware die Preise und den Markt.
    Was bezahlt wird, darf benutzt werden, solange dafür bezahlt wird und solange es bezahlbar bleibt (und das ist es im eigentlichen Sinn doch schon nicht mehr). Programme werden aufgeblasen und bieten mittlerweile eine kaum mehr nutzbare Fülle an Funktionen und Features. Nur, was wir bezahlen gehört uns nicht. Und was wir einst bezahlt haben, darf nicht weiter genutzt werden. Also sprechen wir doch hier besser von einer Zwangsehe für alle Nutzer.
    Nicht auszumalen was wir nun noch erleben dürfen, weitet Adobe nun noch das Portfolio um Bildagenturen aus. Wir dürften doch bereits in der Vergangenheit erleben, wie selbstverliebt und lieblos Adobe mit Produkten und Kunden umgegangen ist. Die Preise und die Produkte waren einst überschaubar. Heute muß ich als Designer die komplette Palette zahlen. Warum ist man nicht fairerweise bei den Modellen und Preisen geblieben, die es vorher gab. Nun miete ich auf Zeit und begebe mich in eine völlige Abhängig zu einem Konzern.

    Macht sich Page nun völlig kritiklos zum Sprachrohr? Wir haben schon wenig Meinung von Page erfahren dürfen, als Adobe die Cloud einführte. Wäre schön wenn Page ab und an erkennen würde, das die große weite Designerwelt nicht nur aus großen, bekannten Designschmieden besteht, sondern es eine Vielzahl von kleinen, fleißigen Designern gibt, die für wenig Geld ganz großes leisten.

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