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Von Orten, Räumen, Un-Orten

Was taugt der Ort in virtuellen Zeiten? »Lost Places« zeigt es – mit Arbeiten von Größen wie Gursky, Struth und dem phantastischen Tobias Zielony.

Was taugt der Ort in virtuellen Zeiten? »Lost Places« zeigt es – mit Arbeiten von Größen wie Gursky, Struth und dem phantastischen Tobias Zielony.

Tobias Zielony zog nach Neapel aus. In die Vela Azzurra, einen Hochhauskomplex vor den Toren der Stadt, der, von der Mafia, von Drogenhandel und Gewalt dominiert, ein so furchteinflößender wie faszinierender Moloch ist. Er fing ihn in Fotografien ein, in einem Film, als Betonmonolith, vielstöckiges Labyrinth, als Un-Ort, wenn man daran denkt, dass das eigene Heim eigentlich ein Schutzort ist. Und hier liegt er mitten in einer Kampfzone. Joel Sternfeld hingegen reiste durch die USA und fotografierte Tatorte wie die Bank einer Bushaltestelle auf der im November 1993 die 43-jährige Yetta M. Adams, eine Mutter von drei Kindern, erfror nachdem ein Obdachlosenheim sie abgewiesen hatte. Thomas Demand wiederum baute in Pappe die Haltestelle nach an der Bill und Tom Kaulitz von Tokio Hotel als unbekannte Schuljungs herumlungerten.

Welche Aussagekraft haben Raum und Ort in der zeitgenössischen Fotografie – und in einer Zeit, in der sie längst virtuelle erfahrbar sind? Die Ausstellung Lost Places nähert sich dieser Frage aus den unterschiedlichsten Richtungen an – in 120 Arbeiten, zu denen neben Fotografien auch Installationen und Videos gehören und eine großartige, begehbare Skulptur von Jan Köchermann, die das eigene Orts-Empfinden auf die Probe stellt.

»Lost Places« sind für Sarah Schönfeld die Orte ihrer DDR-Kindheit, die ihre Identität längst verloren haben. Für den dOCUMENTA (13) Künstler Omer Fast ist es das Niemandslands zwischen Vertreibung und verwehrter Immigration, für Thomas Ruff sind es Hinterhöfe, die er mit der Nachtsichtkamera absucht und für Guy Tillim verfallene Grandezza-Architektur wie das Grande Hotel in Mosambik, in dem heute Obdachlose leben …

Die Schau führt an die unterschiedlichsten Orte der Welt, in Labyrinthe und einen dunklen Guckkasten, der mit der Wahrnehumng spielt, reicht von dokumentarischen Ansätzen zu digitalen Arbeitsprozessen – und spannt so einen weiten Bogen von dem, was Raum heute sein kann.

Lost Places. Orte der Photographie, bis 23. September 2012, Galerie der Gegenwart, Hamburger Kunsthalle

Bei Kehrer ist zu der Ausstellung ein Katalog erschienen.

Abb. oben: Tobias Zielony: Vela Azzurra, 2010 © Tobias Zielony

Jörn Vanhöfen (*1961) | Asok #797, 2010
Bild: Jörn Vanhöfen, courtesy: Kuckei + Kuckei, Berlin
1/10
Beate Gütschow (*1970) | S#11, 2005
Bild: Beate Gütschow / VG Bild-Kunst, Bonn 2012
2/10
Andreas Gursky (*1955) | Sáo Paulo Sé, 2002
Bild: SHK/Hamburger Kunsthalle/bpk/ VG Bild-Kunst, 2012 Photo: Elke Walford
3/10
Alexandra Ranner (*1967) | Schlafzimmer II, 2008
Bild: Alexandra Ranner, Galerie Mathias Güntner, Hamburg / VG Bild-Kunst, 2012
4/10
Omer Fast (*1972) | Nostalgia I–III, 2009 (film stills)
Bild: Omer Fast, Berlin
5/10
Sarah Schönfeld (*1979) | Wende-Gelände 01, 2006
Bild: Sarah Schönfeld
6/10
Joel Sternfeld (*1944) | McLean, Virginia, December 4, 1978, 1978
Bild: Joel Sternfeld
7/10
Guy Tillim (*1962) | Apartment Building, Avenue Bagamoyo, Beira, Mozambique, 2008 (aus der Serie Avenue Patrice Lumumba)
Bild: Guy Tillim
8/10
Jeff Wall (*1946) | Insomnia, 1994
Bild: Jeff Wall
9/10
Tobias Zielony (*1973) | Dirt Field, 2008 (aus der Serie Trona – Armpit of America)
Bild: Tobias Zielony
10/10
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