Voice, Wearables und VR – für welche neuen Technologien und Interfaces Designer:innen zukünftig gestalten werden.
Was wir mit KI gerade softwareseitig erleben, passiert durch entsprechend hohe Hardwareleistung, und was laut dem Mooreschen Gesetz passieren muss: nämlich die regelmäßige Verdopplung dieser Leistung bei geringer Größe und niedrigeren Herstellungskosten.
Neue Nanoprozessoren pushen Technologien wie 5G, hohe Übertragungsraten, AI und Game-Engines in Smartphones und damit die pervasive Vernetzung von Mensch, Computer und verschiedensten smarten Maschinen. Für diese neuen vornehmlich mobilen Devices müssen Designer:innen bereits heute und in Zukunft ebenso neuartige Nutzungsschnittstellen und Interaktionsformen entwickeln.
Für diese neuen, vornehmlich mobilen Devices müssen Designerinnen und Designer schon heute und in Zukunft ebenso neuartige Nutzungsschnittstellen und Interaktionsformen entwickeln. Welche neuen Apps werden möglich? Wie müssen Marken ihre Benutzeroberflächen anpassen? Viele Fragen,doch wo anfangen?
Hyperconnectivity wird Wirklichkeit
Sicher beim Mobile Computing, denn darauf werden zukünftige relevante Technologien wie Wearables, AR/VR-Headsets oder Brain-Computer-Interfaces aufbauen. Das muss nicht unbedingt ein herkömmliches Smartphone sein, sondern vielleicht der Friend, der Humane Ai Pin oder der Rabbit r1, alles neue AI-basierte Gadgets, die angetreten sind, um das Smartphone mithilfe von Voice Interfaces und AI zu ersetzen oder ergänzen.
In ihrer ersten Generation treffen technologische Unvollkommenheit und unerfahrene Nutzer:innen aufeinander, sodass sie den meisten Kritiker:innen noch lange nicht standhalten. Dennoch weisen sie in eine der entscheidenden Interaktionstrends: Voice-Bedienung.
Erstveröffentlichung dieses Beitrags: PAGE No 1 2024
Voice: Megatrend Sprachsteuerung
Sprachinterfaces haben sich durch Assistentinnen wie Siri und Alexa im Smartphone oder Smart Speaker und im Auto längst im Alltag der Nutzer:innen etabliert. ChatGPT in Verbindung mit Text-to-Speech-Verarbeitung hebt ihre Fähigkeiten allerdings auf ein neues Level. Das Unternehmen Reply ist überzeugt, dass es noch ein weites Meer an Möglichkeiten für Interaktionen durch Voice-Technologien gibt. »Darunter fällt beispielsweise die Option, konsumorientierten Marken wortwörtlich eine Stimme zu geben, die in ihrem eigenen Duktus spricht«, was eine viel intimere Verbindung zu Kund:innen herstellen könnte, als traditionelle Touchpoints (siehe die Studie »New Interfaces,Zero Interfaces« 2021 des IT-Unternehmens Reply, https://is.gd/newzeroreply und eine weitere Studie: Deloitte-Beyond_Touch-Voice_Commerce_2030.pdf)
AR/VR: Extended-Reality-Interfaces
Dazu werden sicherlich auch neue KI-getriebene immersive 3D-Erfahrungen gehören, wie sie bereits heute in Gaming-Anwendungen oder den mannigfaltigen Markenmetaversen stattfinden. Menschen verarbeiten visuelle Informationen schneller, und auch wenn Voice-Interfaces in manchen Situationen ein bequemer Weg für Input-Output zu sein scheinen, werden sie visuelle Schnittstellen nicht ersetzen.
Neue Interfaces für augmentierte und virtuelle Technologien wie die Apple Vision Pro sollen aber längst nicht mehr nur Unterhaltung, optimale Shopping-Experience oder erweiterten Informationszugang bieten, sondern zukünftig vor allem die Zusammenarbeit am virtuellen Arbeitsplatz verbessern. Entsprechende Nutzungsszenarien erfordern dringend datensicheres, zugängliches Design – und Usability.
Wearables: Kontextsensitive Interfaces
Oft gut getarnt und in alltägliche Kleidung verpackt, sind Wearables wie Smartwatches, Fitnessarmbänder oder Datenbrille bisher vor allem Datentracker, die sich mit anderen Geräten synchronisieren. Neue KI-basierte Gadgets wie die jüngst vorgestellten Ray-Ban Meta smart glasses verändern jedoch auch das Anwendungsspektrum.
Allen gemein ist ihre Kontextsensitivität, sie wissen also über den Zustand ihrer User:innen Bescheid und können sie bei Alltagstätigkeiten bestmöglich unterstützen. Die intelligente Meta-Ray-Ban beispielsweise überträgt Audio über die Brillenbügel und den Schädelknochen, ohne dabei die Ohren der Nutzer:innen zu blockieren. Wearables könnten sich im Zusammenspiel mit fortschrittlichen Smartwatches also tatsächlich zu einer Smartphone-Alternative entwickeln.
Berührungsbedienung: Haptische Technologien
Nicht umsonst entwickeln sich im Internet Memes wie »Touch Grass«. Auf Berührungen können und wollen wir Menschen zukünftig keineswegs verzichten. Im Gegenteil werden sie bei zunehmender Bildschirmarbeitszeit und Smartphone-Fatigue zum strategischen Hebel für Marken.
Ein aktuelles Beispiel ist der Kompassprototyp Terra von Modem Works aus Amsterdam. Sein minimales Interface besteht nur aus einer Kompassnadel und haptischem Feedback, sodass die Nutzenden völlig ungestört von ihrem Smartphone auf Wanderungen gehen können. Aber auch natürliche, formbare Materialien wie Ton oder Sand können zukünftig zum erholsamen Interface werden.
Mit allen Sinnen: Multimodale Interfaces
Über multimodale Schnittstellen können Nutzer:innen auf verschiedene Weise mit einem System interagieren, etwa mit Gesten, ihrer Haut oder mit Blicken. Besonders Interfaces, die Biosignale verarbeiten wie Brain-Computer-Interfaces (BCI), sind im Kommen. Die Wissenschaftlerin und Designerin Ninon Masclef beschäftigt sich intensiv mit diesen Schnittstellen in Verbindung mit verschiedenen KI-Verarbeitungsschritten, die in Zukunft eine komplett nahtlose Interaktion zwischen Mensch und intelligenter Maschine ermöglichen sollen.
»Mithilfe von BCIs und KI rücken wir schon sehr nah an J.C.R. Lickliders These ›Man-Computer Symbiosis‹ von 1960.
»Mithilfe von BCIs und KI rücken wir schon sehr nah an J.C.R. Lickliders These ›Man-Computer Symbiosis‹ von 1960. Die Entschlüsselung von Gehirnwellen durch KI ist eine der wichtigsten Grundlagen dafür und mein Hauptziel«, so Masclef. Ihre Arbeiten zeigen eindrücklich, wie die Grenzen zwischen Informationstechnik, Biologie und Design zunehmend verschwimmen und wo die Reise hingeht.
Speculative Design für Zugänglichkeit, Datenschutz- und Sicherheit
Fazit: Neue Technologien und Interfaces sind für Designer:innen und Markenstrateg:innen eine spannende Herausforderung, die sich mit Speculative-Design-Ansätzen meistern lassen. Die intuitive und natürliche Interaktion mit digitalen Systemen steht dabei an erster Stelle. Die Komplexität der neuesten Technologien macht aber eine sorgfältige Gestaltung umso notwendiger; Designer:innen müssen dringend Zugänglichkeit, Datenschutz- und Sicherheitsbedenken berücksichtigen, wenn sie wirklich nutzungsfreundliche Anwendungen für neue Interfaces erschaffen wollen. Als Belohnung dafür werden diese dann umso eher von User:innen akzeptiert und verwendet.
1 Haptisches Interface: Terra
• Terra ist ein Kompass im Taschenformat und stammt von den Designstudios Panter&Tourron und Modem Works aus Amsterdam. Der Handschmeichler soll als achtsamer Begleiter beim Wandern das Smartphone ersetzen. Einfach vor der Wanderung einen Prompt eingeben, und Terra berechnet mithilfe von Algorithmen eine dynamische Route.
Zur Navigation dient ein minimalistisches User Interface, das Wandernden mit Vibrationen und minimalistischen LED-Illustrationen von Hugo Bernier den Weg weist. Um das Gadget nachzubauen, lassen sich eine Open-Source-Software und CAD-Dateien für das Gehäuse über GitHub herunterladen.
› https://modemworks.com/projects/terra
2 BCI-KI-VR-Anwendung: ReaDream
• Können wir Träume aufzeichnen, um sie uns später in VR anzuschauen? In ihrem Projekt ReaDream versuchen Ninon Lizé Masclef und Taisija Dėmčėnko sich an nichts Geringerem als der Entschlüsselung und Visualisierung von Trauminhalten mithilfe von Machine Learning.
In der Annahme, dass Trauminhalte strukturiert sind wie Rebusrätsel oder Wortspiele, dekodieren Masclef und Dėmčėnko diese sie aus der elektrischen Aktivität des Gehirns und wandeln sie in Text um. Mithilfe von Text-to-Mesh-Modellen (ClipMatrix, DreamFusion) generieren sie anschließend die Traumsequenzen in VR. Zur Validierung der Trauminhalte schreibt die Testperson einen Traumbericht.
› https://ninonlizemasclef.com
3 Smart Glass: Ray-Ban Meta
• Die Ray-Ban Meta ist nicht so futuristisch wie die Google Glasses, stattdessen ein modisches und erschwingliches Consumer-Produkt, das Nutzer:innen schnell adaptieren. Die Kamera verfügt über eine Auflösung von 12 Megapixel und lässt sich über eine kleine Taste am Gestell auslösen. Für Unterhaltung sorgen die integrierte Live-Stream-Funktion sowie Open-Ear-Lautsprecher.
Diese sorgen dafür, dass man Geräusche in der Umgebung wahrnehmen kann, während man Musik hört oder telefoniert. Die Ray-Ban Meta smart glasses punktet zudem mit einer Batterielaufzeit von bis zu 36 Stunden und der Möglichkeit, mehrere Brillen in einer App zu verwalten. Preis: ab EUR 329
› www.ray-ban.com/germany/ray-ban-meta-smart-glasses
4 Zungensteuerung: Augmental MouthPad
• Das MouthPad von Augmental ist ein zungengesteuertes Bluetooth-Interface für Tablet, Computer oder Smartphone. Das druckempfindliche Device liegt praktisch unsichtbar am Gaumen und wird dort mit der Zungenspitze kontrolliert.