Woher kommt dein Interesse für historische Schriftmuster Henning Skibbe?
Wir sprachen mit dem Hamburger Typedesigner über die Entstehung seiner beiden neuen Schriftfamilien Early Sans und Late Serif.
Late Serif ist eine seidige, zeitgenössische Textschrift. Entfernt verweist sie auf Eric Gills »Perpetua«, glänzt im Gegensatz zu ihr aber nicht nur in Überschriften sondern auch in kleinen Textgrößen. Grund dafür ist der weniger feingliedrige, von diagonal nach aufrecht changierende Strichstärkenkontrast. Durch die organisch fließenden und ineinander übergehenden Striche wirkt Late Serif in jedem Umfeld elegant. Die Kursivkonstruktion betont dies, am deutlichsten ist das in Buchstaben wie Q, g, k und y zu erkennen.
Late Serif enthält nur die grundlegendsten Schriftschnitte Light, Regular, Bold und Black sowie einen Kursivschnitt zur Regular. Wie bei der Early Sans enthält auch jeder Schriftschnitt der Late Serif mehr als 900 Zeichen aus dem lateinischen, kyrillischen und griechischen Alphabet sowie viele typografische Symbole und Zeichen.
Beide Schriften sind über Henning Skibbes Foundry Character Type erhältlich. Einzelschnitte kosten 45 Euro, die komplette Early Sans inklusive Variable Font 330 Euro, die Late Serif Familie, ebenfalls inklusive Variable Font 180 Euro.
Auch dieses Mal publizierte Henning Skibbe zu seiner Schriftveröffentlichung wieder ein Magazin: Mit Characters#04 bereits die vierte Ausgabe. Die Reihe stellt je eine neue Schrift, beziehungsweise wie in diesem Fall zwei verwandte Schriften vor: Early Sans™ und Late Serif™.
Characters ist jedoch nicht nur ein übliches Schriftmuster, bestehend aus Pangrammen und Blindtextblöcken, sondern erzählt die Geschichte der gezeigten Schriften. Anhand von Infografiken und Anwendungsbeispielen erläutert der Typedesigner Details zur Entstehung, Geschichte und Eigenschaften der Schriften. Die Mitte des Heftes gestaltete der Grafikdesigner und Artdirector Liad Shadmi aus Hamburg, der mit seinen typografischen Experimenten den dreidimensionalen Raum exploriert.
Das Magazin kann man für 14 Euro hier bestellen.
Bild: copyright Klaus Nather
Reine Schriftrevivals bringen keinen Mehrwert.
Henning Skibbe, Typedesigner, Hamburg
Woher kommt dein Interesse für historische Schriftmuster?
Schrift hat eine so lange Tradition und eine so tiefe kulturell-gesellschaftliche Verankerung, dass man aus meiner Sicht gar nicht daran vorbeikommt die historischen Vorbilder zu benennen und die eigenen Schriften entsprechend einzuordnen. Von daher ist in den letzten Jahren eher mein Bewusstsein dafür als das Interesse daran gewachsen. Gleichzeitig ist mir aber auch klar, dass reine Revivals, also digitale Nachzeichnungen der alten Schriften, keinen Mehrwert bringen. Schrift ist auch immer Zeitgeist. Wenn ich also eine Schrift zeichne die auf einem bestehenden Modell aufbaut, so besteht immer der Anspruch dem etwas eigenes, zeitgemäßes beizugeben. Und dies sollte einen gewichtigen Anteil an der Gestaltung haben, sonst sind wir wieder beim belanglosen Revival.
Bei der Late Serif gibt es ja nur einen Italic Schnitt. Weil das ausreichend ist oder sollen da noch mehr kommen?
In aller Regel ist eine Bold Italic oder ähnliches in der Typografie, also der Schriftanwendung, nicht nötig. Sie wäre eine doppelte Auszeichnung, die kaum Verwendung findet. Ich tendiere dazu, eher den Sprachausbau umfangreicher auszuarbeiten als noch weitere Kursivschnitte oder andere schöne, aber meist ungenutzte Spielereien zu gestalten.
War von Anfang an klar, dass es ein Schrift-Pärchen werden würde? Hast du also quasi an Early Sans und Late Serif gleichzeitig gearbeitet?
Die Schriften sind parallel entstanden. Sie sind so konzipiert, dass sie sich reibungslos miteinander nutzen lassen. Dafür sorgen gleiche Metriken (x-Höhe, Versalhöhe, Unterlängen etc.), ein gleicher Zeichensatz sowie aufeinander abgestimmte Schriftschnitte. Das heißt, man kann in einer Zeile beide Schriften miteinander kombinieren und muss die Schriftgrößen etc. nicht anpassen.
Warum die schönen Namen Early Sans und Late Serif?
Die Early Sans ist eine frühe Grotesk. Die Late Serif eine zeitgemäße Antiqua. Die Namen sind also konzeptgetreu und passend zur Gestaltung.
Wie ist eigentlich die Idee entstanden, anstelle »normaler« Typesamples zu jeder Neuerscheinung ein Magazin zu machen?
Die Hefte sind nicht nur Schriftmuster sondern unsere Aussendung die wir mittlerweile an 500 Agenturen, Art Director:innen und Gestalter:innen verschicken. Sie bewerben nicht nur unsere jeweils neusten Schriften, sondern auch das Unternehmen Character Type mit allen entsprechenden Dienstleitungen wie beispielsweise Custom Fonts. Sie stehen also stellvertretend für unsere Qualität und unseren Anspruch auf exzellente Schriftgestaltung.
Ist das nicht ganz schön aufwendig, zumal die Magazine ja auch aufwendig gedruckt sind? Rechnet sich das?
Eine digitale Anzeige versendet sich und verschwindet nach ein paar Impressionen. Ein gut produziertes Magazin bleibt auf den Schreibtischen und in den Bücheregalen liegen und wird immer wieder auch von weiteren Menschen in die Hand genommen. Damit bleiben unsere Schriften und wir als Unternehmen langfristig im Bewusstsein. Immer wieder erzählen uns Neukunden Jahre später, dass sie über ein oder mehrere Hefte auf uns aufmerksam geworden sind. Und ja, die Hefte kosten gutes Geld. Aber Akquise kostet anderweitig auch Geld oder Zeit. Am Ende hat sich bisher jedes Heft gerechnet.