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»Die Herausforderung liegt darin, die Interaktion mit KI zu trainieren«

DDBs Chief Strategy Officer George Strakhov spricht über KI-Potenziale im Kreativprozess, und erklärt, warum wir das kreative Gärtnern lernen müssen.

ein ki generiertes protrait von George strakhov

George Strakhov ist Chief Strategy Officer EMEA bei DDB Worldwide und der kreative Kopf hinter der fiktiven Uncreative Agency, einer scheinbar voll automatisierten KI-Agentur, deren »Launch« im Januar 2023 über die Designbranche hinaus hohe Wellen schlug. Mit nur wenigen Stichworten als Briefing generierte die experimentelle Website https://uncreative.agency Marketingkonzepte auf der Basis von OpenAIs GPT-3 und DALL•E. Und das für über 12 000 Nutzer:innen allein in den ersten fünf Tagen.

Strakhov experimentiert bei DDB bereits seit mehreren Jahren mit KI und baut von dem DDB-Standort in Amsterdam aus die Hybrid-Creativity-Plattform RAND auf, eine Art Lab für die KI-Experimen­te der Agentur. Neben der Uncreative Agency entwickelt er mit seinem Team verschiedene neue KI-Tools und eruiert die Potenziale der Technologie. Sein Ziel ist es, gemeinsam mit Kund:innen und Kreativen einen Umgang mit Creative AI zu finden, von dem alle profitieren.

KI: Kreativmaschine oder Kollaborationspartner?

Die Uncreative Agency wurde sehr kontrovers diskutiert. Was war die ursprüngliche Idee dabei?
George Strakhov: Das Ganze startete eigentlich als Impuls für Kreative, sich dem Thema KI nicht zu verschließen, sondern mit der Technik zu experimentieren und neue Workflows zu entwickeln. Es ging darum, die Potenziale aufzuzeigen, aber eben auch die Grenzen von rein KI-generierten Ideen. Tat­sächlich offenbarte das Experiment aber, dass wir erst einmal eine grundsätzliche Frage klären müssen: Was macht uns als Kreative in Zeiten von Künstli­cher Intelligenz eigentlich aus? 

Die Resonanz auf die Uncreative Agency hat mir gezeigt, dass wir uns als Kreative neu definieren und den Wert unserer Prozesse aufzeigen müssen. Denn wer professionell im Design arbeitet, weiß: Ein paar Stichworte reichen eben nicht für eine gute Idee. KI kann zwar vielleicht Designs produzieren, die technisch beeindrucken, aber sie sind inhaltlich oft sehr oberflächlich. Wirklich gute Ideen entstehen nicht auf Knopfdruck, sondern im Zusammenspiel zwischen Kreativen und Kund:innen – und künftig eben auch im Zusammenspiel mit KI. 

Was heißt das für die Rolle von Designer:innen? Wie wird sie sich wandeln?
Ich glaube, dass sie sich gar nicht so radikal verändern wird. Klar, die Anzahl an klassischen De­signe­r:innen, die ihren Beruf unter genau dieser Bezeichnung ausüben, könnte stark zurückgehen. Aber die Qualitäten, die sie mitbringen müssen, bleiben fast gleich: Die erste ist die handwerkliche Fähigkeit, die es uns ermöglicht, Ideen visuell möglichst effizient umzusetzen. Diese Art von technischer Kompetenz wird auch mit KI wichtig sein. Wir brauchen die Kreativen, die auf handwerklicher Ebene verstehen, was die Idee ist und wann KI bei der Realisierung unterstützen kann. Dafür braucht man das Stilbewusstsein, das Wissen und das Auge, um sicherzustellen, dass der KI-Output genauso kommuniziert, wie man es möchte.

Die zweite – für mich wichtigere – Fähigkeit besteht darin, verschiedenste Impulse zu kombinieren und aus allem, was wir sehen, Ideen generieren und deren Potenziale erkennen zu können. Kreative sind gut darin, den Möglichkeitsraum zu erkunden und eine erste Idee in alle Richtungen weiterzudenken. Diese zweite Fähigkeit wird in der Interaktion mit Künstli­cher Intelligenz immer bedeutsamer. Denn die Technik erlaubt es uns, in kürzerer Zeit mehr Input zu erhalten und zu bewerten. KI kann uns dabei aus unserer Blase – sei es bei der Recherche, auf ­Social Media oder im sozialen Umfeld – befreien, indem sie uns neue Impulse gibt und als unpartei­ischer Sparringspartner agiert. Die tatsächliche Herausforderung liegt dann darin, die Interaktion mit KI zu trainieren und Tools nach unseren Vorstellun­gen zu entwickeln.

Creative AI im Kreativprozess

Du beschreibst die Interaktion mit KI oft als »kreatives Gärtnern«. Warum gerade diese Metapher?
Ich vergleiche KI gerne mit der Natur. Sie ist als kreatives Medium so aktiv, dass wir theoretisch einfach zurücktreten und alles vor sich hinwuchern lassen könnten. Oder aber wir lernen, mit ihr zu spielen und sie nach unseren Vorstellungen zu formen. Hier kommt das mentale Modell des kreativen Gärtnerns ins Spiel. Kreative müssen einfühlsame Gärt­nerin­nen und Gärtner werden, die bestrebt sind, die in­te­res­santen Tendenzen, die KI hervorbringt, aufzugreifen, sie zu pflegen, zu gießen und zu ausgewach­se­nen Ideen und Konzepten heranzuziehen. Wichtig dabei ist ein offenes Mindset – und nicht gleich alles KI-Produzierte als unbrauchbar abzutun. Aus einer schlechten Idee entstehen oft die besten Impulse für ein wirklich gutes Konzept. Und von dem Wildwuchs der KI können Kreative sich in neue Rich­tungen lenken lassen und so innovativere Ideen und Konzepte entwickeln.

Es geht also nicht nur – wie meist argumentiert wird – um Effizienzsteigerung bei der Umsetzung, sondern gerade auch um die Ideenfindung?
Genau! Die Kunst besteht darin, eher früh im Prozess mit KI zu arbeiten und die vielfältigen Perspektiven zu nutzen, die sie einbringen kann. Wenn man schon genau weiß, was man tun will, ist es für Ge­stalter:innen oft effizienter, das mit klassischen Designtools umzusetzen. Spannend wird es aber, wenn wir anfangen, im gesamten Designprozess die Potenziale von KI zu entfalten.

So kann ich als Stratege bereits nach dem Briefing durch die Kund:innen, KI zur Recherche und zum Verständnis komplexer Zusammenhänge nutzen. Dazu extrahiere ich mit ihrer Hilfe – zum Beispiel in ChatGPT – die Schlüsselwörter aus einer Aufgabenstellung. An­schließend lasse ich mir dazu verschiedene Informationen ausgeben: assoziierte und gegenteilige Begriffe, Definitionen, historische Ereignisse und Fakten über die Branche meiner Auftragge-ber:in­nen. Auf diese Weise kann ich in kürzester Zeit viele Informationen erhalten, die mir dabei helfen, eine Richtung festzulegen.

Im nächsten Schritt – der visuellen Konzeption – unterstützt mich KI dabei, die Designteams zu briefen. Als Stratege verbringe ich viel Zeit damit, darüber nachzudenken, wie ich Kreative und Kund:innen »prompten« kann, eine Idee zu verstehen. Das sieht für jeden anders aus, denn Gestaltung ist subjektiv. Für unsere Grafikabteilung kann ein »Prompt« ein grobes KI-Scribble sein, aus dem sie ein gutes Design entwickeln kann. Für unsere Kund:innen müssen wir unsere Ideen und Ansätze in ihr gewohntes Umfeld transferieren, damit sie diese verstehen und bewerten können.

eine Grafik mit einem verschlungenen Pfad
Der Zeitpunkt zählt Diese Grafik verwendet George Strakhov gern in seinen zahlreichen Vorträgen über Creative AI. Sie verdeutlicht, dass kreatives Chaos, Exploration und Iteration mittels KI am Anfang des Designprozesses besser aufgehoben sind als in der Umsetzung.

Kunden und Team mitnehmen

Muss man bei Kund:innen noch viel Überzeugungs­arbeit in puncto KI leisten?
Einige haben sich bereits mit künstlicher Intelligenz auseinandergesetzt, während andere sehr skep­tisch sind. Aber wenn jemand auch nur ein wenig Inte­resse zeigt, vereinbaren wir in der Regel ein Treffen, bei dem wir unseren Prozess und die Workflows anhand von bereits realisierten Projekten betrachten und ermitteln, wo die KI von Nutzen sein kann. Das könnte zum Beispiel die Contenterstellung für Social Media sein oder überall dort, wo man in kurzer Zeit viel Output benötigt.

Für Kundenworkshops haben wir jetzt ein eigenes Tool entwickelt, das ich den »Bad Ideas Bot« nenne. Wir setzen ihn seit Kurzem ein, um schnell Ideen zu generieren und zu besprechen. Es ist unglaublich hilfreich, diese ersten Würfe – die normalerweise nicht so gut und sehr klischeehaft sind – schnell aus dem Weg zu räumen und direkt in die ­eigentliche Konzeption zu starten. Das spart im Prozess viel Zeit, weil wir keine der schwächeren Ideen ausführen müssen, nur um die Kund:innen zufrieden­zustellen. Die meisten Dinge, die der Bot produziert, klingen erst einmal albern, aber es hilft tatsächlich sehr, um zu zeigen, wo die Probleme liegen und in welche Richtung wir gehen müssen, um zu einem Punkt zu gelangen, an dem das Design ein­zigartig und funktional sein kann. Denn das macht in der Regel 80 Prozent der Arbeit aus: herauszufinden, wohin wir gehen. Für das »Ankommen« haben wir dann unsere Designteams, die – sobald sie wissen, wohin wir gehen – eine Lösung effizient umsetzen.

Und wie nutzen eure Kreativen bei DDB künstliche Intelligenz?
Sobald die Strategie und Idee klar sind, erarbeiten wir die Gestaltung. KI kann in der Entwurfsphase helfen, indem sie zum Beispiel schnell Variationen erstellt oder bestimmte Faktoren anpasst: angefangen bei der Größe eines Textes bis hin zu verschiedenen Texturen oder Farben in einer Illustration. So können wir schnell sehen, was funktioniert, und mit unserem gestalterischen Auge die vielversprechen­den Ansätze auswählen. Einige Ideen wären ohne den Einsatz von KI und Geschwindigkeit, die sie im Prozess bietet, nicht möglich. So werden Kreative nicht nur effizienter, sondern können auf einmal Kon­zepte in ganz neuer Qualität realisieren.

Das Ziel ist nicht, unsere Kreativen zu ersetzen oder alles zu automatisieren, was geht. Es ist viel effektiver, die Technik für kleine Anpassun­gen am bestehenden Prozess zu nutzen, als ein über­geord­ne­tes »Mega-System« zu entwickeln, das alles für einen erledigen soll. Das ist unrealistisch und momentan auch ziemlich albern, weil sich die grund­legenden Technologien so rasant entwickeln, dass alles, was man aufbaut, sehr schnell irrelevant sein wird. Sinn­voller ist es da, KI in den Workflow zu integrieren, ohne sich von ihr den Part abnehmen zu lassen, der wirklich Spaß macht. Auf diese Weise können wir in eine Richtung voranschreiten, die sowohl dem Kun­den als auch den Kreativen zugutekommt – und haben im besten Fall mehr Freude an unserer Arbeit.

ein interface für einen ki generator von ddb
Wir durften für diesen Artikel DDBs »Bad Ideas Bot« testen. Das sprachbasierte KI-Tool läuft mit einer Omnicom-Sandbox mit GPT-4 und lässt sich mit einem kurzen Prompt briefen. Daraus generiert das Tool mehrere Ideen, die nicht als finale Lösung gedacht sind, sondern vielmehr als Anstoß für kreativere, ungewöhnlichere Ansätze

eine ki generierte Idee für das marketing eines desigmagazins

Diesen und viele weitere Artikel rund um Creative AI findet ihr in PAGE 11.23

PDF-Download: PAGE 11.2023

/imagine: KI in Branding und Design ++ How-to: KI in der Bewegtbildproduktion ++ 3D-Typo für AR, VR und Leitsystem ++ Step by Step: Variable Fonts animieren ++ ++ KI-Tools im Designprozess ++ Employer Branding: Talente anziehen und halten ++ KI und Hochschule ++ ENGLISH SPECIAL Leanne Shapton ++ Warum KI nicht nur ein weiteres Werkzeug ist ++ KI in der Bildbranche

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