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Divers & inklusiv: Rebranding Be Equitable

Beim Rebranding der HR-Beratung Be Equitable stellte die Designagentur For The People das Engagement für Inklusion, Diversität, Gleichberechtigung und Barrierefreiheit heraus – und versuchte, diese Werte auch gleich im eigenen Designprozess umzusetzen

Hand einer PoC-Person hält ein Handy in der Hand mit einer Grafik von dem Rebranding von BeEquitable

Die Black-Lives-Matter-Bewegung hat in den vergangenen Jahren eindringlich auf die anhaltende Un­gleich­heit in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft aufmerksam gemacht, die sich auch deutlich in der Arbeitswelt zeigt. »Nur 21 Prozent aller C-Level-Po­si­­tionen in den USA sind von Frauen besetzt. Und da­von sind nur ein Prozent schwarze Frauen«, fasst Be Equitable das Problem zusammen. Die Personalberatungsfirma aus Houston will Unternehmen darin unterstützen, genau dies zu verändern. Als »Partner für Transformationsprozes­se« begleitet sie ihre Kun­den durch Evaluierung und Work­shops bei der Bildung diverserer Teams und dabei, eine respektvolle Unternehmenskultur zu etablieren.

Doch 2022 stand auch bei Be Equitable selbst eine größere Transformation an: weg von der alten Positionierung als diskrete Beratung für Führungskräfte hin zur direkten Ansprache und dem Aufruf zur offenen Diskussion in Unternehmen. Um diese Neuausrichtung auch im Corporate Design zum Ausdruck zu bringen, zog die Consultingfirma die australi­sche Branding- und Strategieagentur For The People – kurz FTP – hinzu. Michael Leslie Amilcar, die seit 2018 Chief Equity Officer bei Be Equitable ist, hatte sie durch ihre Arbeit für die Beratungsplattform Culture Amp entdeckt, bei der die Agentur ihr Feingefühl für kulturelle Diversität und kluges Wording bewies. So entstand trotz der Zeitverschiebung um acht Stunden zwischen Sydney und Houston eine Partnerschaft, die nicht nur bei Be Equitable für Veränderung sorgte, sondern auch For The People lehrte, die Designbranche kritisch zu hinterfragen und unbekannte Wege einzuschlagen.

PROJEKT Rebranding der HR-Beratung Be Equitable
AUFTRAGGEBER Be Equitable, Houston, Texas
DESIGNAGENTUR For the People, Sydney
TOOLS Adobe Creative Cloud, Figma, Zoom, Google Meets
ZEITRAUM Januar bis November 2022

Lauter werden

Zuerst musste der alte Name weichen. Bis 2022 hieß Be Equitable nämlich Cook Ross – nach den beiden Gründern – und wandte sich mit seinem klas­sischen Business-Corporate-Design vorrangig an Füh­rungs­kräfte in Unternehmen. »Diese Art von Kommu­ni­ka­tion entsprach nicht mehr dem, was Be Equi­table er­reichen will«, erklärt Mabel Tu, Projektmanagerin bei For The People. »Es geht darum, laut zu werden, proaktiv auf Unternehmen zuzugehen und alle ihre Mitarbeitenden mit einzubeziehen.«

In gemeinsamen Workshops entstand der Name Be Equitable als aktive Aufforderung, Diversität und Gleichberechtigung am Arbeitsplatz zu leben. Außerdem rückte Be Equitable ihre Grundsätze in dem Akronym IDEA ins Zentrum der Unternehmenskom­munikation: »Inclusivity, Diversity, Equity and Acces­sibility« als Basis für die Evaluation, Beratungstätig­keit und langfristige Transformation in den Firmen, die Be Equitable unterstützt.

Visitenkarte, Podcastaufmacher, Jutebeutel und T-Shirt im neuen Branding von BeEquitable
Diversität in Bild und Design: Den neuen Auftritt von Be Equitable stellen ausschließlich PoC-Models vor

For The People implementierte die IDEA-Prinzi­pien allerdings nicht nur in die neue Identity, sondern als Anspruch auch in den eigenen Designprozess. Alle Gestaltungselemente wie Typo und Il­lus­tration sollten von Kreativen mit diversen kulturellen Hintergründen und aktivistischer Ausrichtung stam­men. Die Bildwelten sollten unterschiedliche Gruppen repräsentieren und die Texte im Tandem mit Be Equitable entwickelt werden.

Ein gemeinsames Team

Die Kreativen von For The People tauchten tief ins Un­ternehmen ein – ähnlich, wie das Be Equitable bei ihren Kunden tut. In einem wöchentlichen Jour fixe traf FTP sich mit Be Equitable, um über die aktuel­len Ent­wicklungen im Projekt zu sprechen. Michael Leslie Amilcar setzte den Termin unmittelbar im Anschluss an die internen Board Meetings an und gab der Agentur so die Chance, der Führungsebene direkt kritische Fragen zu stellen oder in einer größeren Runde um Feedback zu bitten.

Zoom-Teambild mit allen am Rebranding beteiligten Personen
Gelebte Vielfalt
Die Teams von Be Equitable und For The People trafen sich trotz Zeitverschiebung zwischen Houston und Sydney zu wöchentlichen Jour-fixe-Videocalls, um Entwürfe und aktuelle politische Entwicklungen zu besprechen.

Auf diese Weise integrierte Amilcar die Kreativen in ihr eigenes Team und ermöglichte ihnen tiefgehende Recherchen für die strategische Neuausrichtung des Unternehmens. Um dabei sämtlichen Mitarbeitenden eine Stimme zu geben, führte das FTP-Team Interviews in allen Abteilungen und bat um Einblicke in ihren Alltag, ihren privaten und beruflichen Aktivismus sowie in Zukunftswünsche. Darüber hinaus sprachen die Kreativen auch mit ei­nem repräsentativen Beispielkunden. Die so gewonne­nen Erkenntnisse teil­ten sie anschließend anonymisiert mit Amilcar, die daraus wiederum Schlüsse für die interne Neupositionierung ziehen konnte.

Harmonie und Kontrast

Ausgehend von dieser Recherchebasis entwickelte For The People schließlich ein Identitykonzept, das die vier IDEA-Grundsätze klar in den Vordergrund stellte. Es entstanden mehrere Entwürfe, von denen zwei in die engere Auswahl kamen (siehe unten). Das endgültige Design feiert die Diversität, um die sich Be Equitable bemüht, und nimmt den Aktivismus der Consultants auf. In großen Lettern gesetzte Claims wie »Be Equitable, Be Vocal, Be Unique« sprechen einen direkt an und fordern dazu auf, selbst »IDEA zu leben«. Dabei konzentrierte sich Copywriterin Arielle Bodenstein darauf, eine Tonalität zu entwickeln, die eine motivierende Kommunikation über aktuelle Problematiken zuließ. »Wir haben uns ganz bewusst auf Fakten und Zahlen konzentriert. Auf kurze, kraftvol­le Statements und Dinge, die greifbar machen, worum es Be Equitable geht«, so Bodenstein.

Erfolgreicher Vorschlag für das Rebranding von BeEquitable mit Schrift und illustrierten Figuren

Abgelehnter Vorschlag für das Rebranding von BeEquitable mit Schrift und illustrierten Blumen
Menschen statt Blumen
Alternativer Entwurf, den For The People ebenfalls präsentierte. Die abstrahierten Blüten erschienen Be Equitable aber zu glatt, um gesellschaftliche Problematiken anzusprechen. Im finalen Design (oben) blieben die Schriftkontraste und die kräftigen Botschaften dieselben. Die Blumen ersetzte FTP aber durch Schattenrisse von menschlichen Figuren und Köpfen.

Gestalterisch unterstrich das Team die Iden­tity mit kräftigen Farben in unterschiedlichen Ab­stu­fun­gen – eine Anspielung auf die Varianz in Haut­tönen und ei­ne Möglichkeit, sowohl Harmonie als auch starke Kon­­traste zu erzeugen. Als Erinnerung an die Menschen, um die es Be Equitable geht, ziehen sich über zwanzig abstrakt illustrierte Körper und Köpfe durch das Corporate Design. Sie verdeut­lichen in Print, Web und Social Media, wie kraftvoll eine diverse Gesellschaft sein kann.

Aktivismus fördern

Für die Realisierung des Entwurfs hatte sich For The People das Ziel gesetzt, ausschließlich mit Designerinnen und Designern aus unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen zusammenzuarbeiten. Doch das erwies sich als schwieriger als angenommen, denn auch in der Designbranche macht sich die strukturelle Ungleichheit in der Gesellschaft bemerkbar. Schließlich entschied sich die Agentur für eine Zusammenarbeit mit dem Typedesigner Tré Seals, der mit seiner Foundry Vocal Type historische Protestbewegungen in Form von Schrift neu aufleben lässt. Seine Sans Serif Martin – benannt nach Martin Luther King – erinnert an die Proteste schwarzer Arbeiterinnen und Arbeiter in den 1970er Jahren und wurde leicht abgewandelt als BE Martin zur neuen Hausschrift von Be Equitable.

Skizzen für die Typografie
Aktivistisches Typedesign
Tré Seals’ Schrift BE Martin steckt voller Geschichte. Sie ist von den Plakaten inspiriert, die Demonstrierende beim Memphis Sanitation Strike 1968 trugen, in dessen Verlauf Martin Luther King ermordet wurde. Für Be Equitable erweiterte der Typedesigner sie gemeinsam mit For The People um einen expressiven Display-Schnitt.

Gemeinsam mit FTP-Illustratorin Dash O’Brien-Georgeson erweiterte Tré Seals den Font um den Display-Schnitt BE Martin Expressive, dessen dynamisch verformte Buchstaben fast schon körperhafte Züge annehmen. So passen sie perfekt zu den abstrakten Illustrationen des dominikanischen Künstlers Edward Ubiera, der für Be Equitable Schattenrisse von Körpern und Köpfen zeichnete. Diese transferierte FTPs Senior Designer Joseph Dennis in die Illustrationsschnitte Heads und Body, sodass sich die Illus nun wie normale Glyphen in Texte einpassen lassen – ganz im Sinne des Prinzips Accessibility sind sie für die Be-Equitable-Mitarbeitenden nutzbar.

Schattenriss-Illustrationen, die eigene Schriftschnitte sind

Wandel willkommen heißen

»Die Arbeit mit Be Equitable hat nachhaltig verändert, wie wir als Agentur agieren«, sagt Mabel Tu. Dabei spricht sie nicht nur von den IDEA-Prinzipien als Konzept für die Auswahl von Freelancer:innen, sondern auch über die Feedbackkultur, die Be Equitable vorlebt. So hinterfragten die Mitarbeitenden ei­nige Begriffe, die im Sprachgebrauch der De­sign­bran­che selbstverständlich sind, wie die Abkürzung wip für »work in progress«, das wie whip, das engli­sche Wort für »Peitsche« klingt, und so aufgrund der langen Geschichte der Sklaverei in den USA ganz anders besetzt ist als in Australien.

For The People entwickelte gemeinsam mit Be Equitable eine ganze Liste problematischer Redewendungen und neutralerer Alternativen, die jetzt dauerhaft in der Agentur in Gebrauch sind. Außerdem beginnt For The People ihre Zusammenarbeit mit Kundinnen und Kunden jetzt stets mit der Bitte um Feedback und den Hinweis darauf, welche Begriffe als be­leidigend oder unangemessen empfunden werden. »Es ist wichtig, anzuerkennen, dass man als Designer:in nicht sämtliche kulturellen Konno­tatio­nen kennen kann. Zuzuhören und die Feedback­kanäle of­fen zu halten können dabei helfen, Differenzen zu überwinden«, so Mabel Tu.

For The People hat sich zum Ziel gesetzt, IDEA ak­­tiv in der eigenen Teamkultur und auch in der gesam­ten Designbranche zu fördern. So beginnt die Agen­­tur jetzt interne Meetings mit einer kurzen Besprechung aktueller politischer und gesellschaftlicher Probleme – und überlegt, wie sie zu deren Lösung beitragen kann. Angefangen mit einem Artikel der Strategin Claudia Henderson, die in einem Beitrag auf Medium die Erkenntnisse der Agentur aus dem Projekt und die Liste problematischer Design­be­grif­fe veröffentlichte. Denn Informationen zu teilen, Missstände in der Designbranche anzuprangern und diverseren Stimmen Gehör zu verschaffen sind die ersten Schritte, um etwas zu verändern.

Skizzen für Korperbilder für das Rebranding von Be Equitable

Figurenskizzen für das Rebranding von Be Equitable
Diverse Körperbilder
Als Symbol für Diversität und Inklusivität entwickelte der dominikanische Illustrator Edward Ubiera aus New York mehrere Schattenrisse von Köpfen und Körpern, die als eigene Schriftschnitte in die Hausschrift BE Martin eingebunden sind. So können sie von allen Mitarbeitenden des Unternehmens in Social-Media-Posts, Präsentationen und Kundenkommunikation eingebaut werden.

Wie können Designer:innen IDEA leben?

  • Inclusivity. Alle beteiligten Projektgruppen sollten im Designprozess eine Stimme erhalten. Man kann zum Beispiel Kund:innen und Mitarbeitende aus unterschiedlichen Abteilungen interviewen.
  • Diversity. Diversität kann man im eigenen Team und auch in der Auswahl von Freelancer:innen fördern. Gestalterisch können illustrative Lösungen und eine bewusste Bildauswahl dabei helfen, unterschiedliche Gruppen zu repräsentieren.
  • Equity. Projektteilnehmer:innen bringen unterschiedliche kulturelle und soziale Hintergründe mit. Eine offene Feedbackkultur ist wichtig, um einen Raum zu schaffen, in dem alle respektvoll behandelt werden.
  • Accessibility. Eine Designlösung sollte für alle Mitarbeitenden eines Unternehmens nutzbar sein – nicht nur für Designer:innen. < bedeutet aber auch, anderen Designer:innen Zugang zu Erfahrungswerten und Ressourcen zu bieten.

Dieser Artikel ist in PAGE 04.2023 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.

PDF-Download: PAGE 04.2023

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