How-to UX-Writing: Userfreundlich und markenkonform
Gutes UX Writing sorgt nicht nur dafür, dass Nutzer ein digitales Produkt verstehen – mit einer menschlichen Ansprache erweckt es auch die Markenpersönlichkeit zum Leben. Wir erklären, worauf es ankommt.
UX Writing: Vom Nebenschauplatz zur eigenen Disziplin
Bislang wurde UX Writing eher stiefmütterlich behandelt und von Developern oder UX Designern quasi nebenbei mitgemacht. »Natürlich sollte jeder UX und UI Designer die Grundlagen von UX Writing beherrschen«, sagt Malthe Luda. »Aber wenn es um die Entwicklung eines Duktus, des Digital Tone of Voice und genereller Sprachprinzipien geht, ist die Kompetenz eines professionellen UX Writers gefragt.« Gerade bei kleineren Firmen und Start-ups gibt es häufig keine ausgearbeiteten Corporate-Language-Richtlinien und es fehlt ein sachkundiger Umgang mit Sprache – vor allem, wenn sie auf die Markenstrategie einzahlen soll.
Idealerweise sind UX Writer schon von Anfang an bei der Entwicklung eines digitalen Produkts im Boot. »Die Zeiten von Lorem ipsum sind vorbei«, so Luda. Teams sollten so früh wie möglich mit echtem Text arbeiten. Das erfordert eine enge Zusammenarbeit sowohl mit dem Kunden – der deshalb bei Swipe Circus Co-Creator genannt wird – als auch mit UX Designern und Developern. Luda beschreibt die Disziplin als Bindeglied zwischen der digitalen Strategie, die im Branding verwurzelt ist, und dem UX Design, das auf die beste User Experience abzielt.
Eine Ausbildung zum UX Writer gibt es freilich (noch) nicht. Es existieren zwar Fortbildungen, wie etwa von der Nielsen Norman Group, aber letztlich sei es meist Learning by Doing, so Malthe Luda. »Ich selbst komme aus dem UX Design, habe mich aber schon immer für Sprache interessiert und mich über unverständliche und irreführende Texte in digitalen Produkten gewundert beziehungsweise geärgert.« Mittlerweile haben Digitalteams immer häufiger eine spezifische Rolle fürs UX Writing – eine gute Voraussetzung für bessere User Experiences.
Tools to rule im UX-Writing-Prozess
Wie bei jeder Designaufgabe steht am Anfang des UX-Writing-Prozesses die Analyse des Produkts und der Zielgruppe. Swipe Circus führt zu diesem Zweck Workshops mit ihren Kunden durch, bei denen das Team das Produkt und die anvisierte Nutzerschaft kennenlernt ebenso wie die Markenpersönlichkeit und -strategie. Hier werden eventuell bestehende Researchergebnisse geteilt, Pain Points des Produkts untersucht und konkrete Ziele definiert.
Letzteres ist wichtig, um die Erfolge der Arbeit messbar zu machen. »Wir machen das schließlich nicht zum Spaß, sondern damit Business Goals erreicht werden«, so Malthe Luda. Eine Messlatte kann etwa die Task Success Rate sein, also ob und wie schnell User ihr Ziel erreichen, zum Beispiel eine Fahrt in der App des Ridesharing-Anbieters MOIA zu buchen. Oder man definiert Ziele auf einer System Usability Scale, auf der User ihre Erfahrung mit einem digitalen Produkt bewerten, zum Beispiel dass sich die Anwendung möglichst einfach und intuitiv anfühlen soll.
UX Writing Playbook: Grundlagen für den Kunden
Bei der Übersetzung der erarbeiteten Strategie ins konkrete UX Writing helfen standardisierte Tools. »Damit lassen sich Entscheidungen strategisch begründen und nachvollziehen. Man muss sich nicht auf sein Bauchgefühl verlassen«, erklärt Luda. Außerdem unterstützen diese später den Kunden dabei, das weitere UX Writing selbst zu übernehmen. Swipe Circus hat verschiedene eigene Tools entwickelt, die sicherstellen, dass UX-Texte stets markenkonform sind. Das Fundament bildet die Digital Design Identity, die den Markencharakter – also Mission Statement, Brand Purpose und Value Proposition – ins digitale Umfeld überträgt. Mit dem Digital Tone of Voice Chart transferiert man die Markenwerte ins UX Writing, immer anhand der vorher definierten Prinzipien. »Wie drücken wir Markenwert XY im Text aus – und wieso? So gehen wir in diesem knackigen Chart alle Brand Values durch und legen ein gutes Fundament für die generelle Sprache«, erklärt Luda. Mithilfe der Tone Journey Map bestimmt er dann, welcher Ton in welchen Bereichen des Produkts angeschlagen werden sollte und wie man dies markenkonform umsetzt.
Meist steht am Ende des Prozesses ein UX Writing Playbook, in dem alle Prinzipien, Standardwörter und -formulierungen sowie No-Go-Begriffe festgehalten sind und mit dem der Kunde dann weiterarbeiten kann. Wenn gewünscht, bietet Swipe Circus zudem Play-and-Learn-Workshops an, in denen sie den UX und UI Designern auf Kundenseite die UX-Writing-Grundlagen näherbringen.
A/B-Tests im UX-Design: Der Nutzer schreibt mit
Ebenso wichtig wie standardisierte Tools ist natürlich das Testing, um sicherzugehen, dass die Texte richtig ankommen. Hierfür eignen sich insbesondere A/B-Tests, mit denen sich verschiedene Headlines, Copy- und Buttontexte schnell und sogar im laufenden Betrieb prüfen lassen. Was am besten funktioniert, bleibt: »Die User sind immer mitverantwortlich dafür, was am Ende geschrieben wird«, so Luda. Das Testing führt Swipe Circus entweder mit Prototypen und einem kleinen Kreis an Test-Usern durch oder das Team begleitet den Live-Test, den die Auftraggeber implementieren.
Wie eine marken- und kundengerechte Ansprache bis zum kleinsten Button aussehen kann, zeigt das Studio am Beispiel MOIA . Zusammen mit dem Kunden hat Swipe Circus das UX Writing für die Passenger-App optimiert und ein sprachliches Fundament entwickelt, mit dem die internen UX und UI Designer arbeiten werden.
UX Writing am Beispiel der MOIA Passenger-App
Beim UX Writing für die Passenger-App des Ridesharing-Dienstes MOIA steht die einfache und verbindliche Buchung im Mittelpunkt sowie das Ziel, das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen. »Der gesamte Prozess von der Registrierung über Anfrage, Buchung und Fahrt bis hin zu Bezahlung und Feedback soll so smooth wie möglich sein.
Dabei spielt das UX Writing eine große Rolle: Es erklärt dem User, wie der Service funktioniert, und leitet ihn bei der Anwendung«, erklärt Malthe Luda von Swipe Circus. So sei es beispielsweise wichtig, den Nutzer nicht zu überrumpeln und ihn langsam zur Buchung zu führen. Deshalb heißt es auf einem Button etwa »Angebot anfragen«, um deutlich zu machen, dass hier noch nicht verbindlich gebucht wird – eine Herangehensweise, wie sie auch bei Hotelzimmerbuchungen angewandt wird.
Das gesamte Wording orientiert sich am Brand Purpose: »Mit MOIA beginnen deine Stadtmomente nicht erst am Ziel, sondern schon auf dem Weg dorthin«. Die Ansprache erfolgt auf Augenhöhe und ist nicht verkäuferisch. »Man muss nicht in jedem Schritt erklären, wie toll, günstig und nachhaltig Ridesharing ist«, so Luda.
6 Dos and Don’ts beim UX Writing
- Sei empathisch und nutzerorientiert. Versetze dich in die Situation des
Anwenders. Wieso nutzt er das Produkt? Was will er erreichen? - Sei nützlich und zielführend. Schreibe so, dass der Nutzer stets weiß, was er tun muss, was der nächste Schritt ist und wie er sein Ziel erreicht.
- Sei klar und prägnant. Verwende eine einfache Sprache und vertraute Begriffe. Schreibe so, dass der Text schnell lesbar und verständlich ist.
- Zeige Charakter. Berücksichtige die Markenpersönlichkeit und den Brand Purpose. Die Ansprache muss in allen Kanälen markengerecht sein.
- Sei kein Verkäufer. Es geht darum, den Nutzer zu unterstützen – und nicht darum, ihm etwas zu verkaufen.
- Sei kein Techniker. Vermeide technische Formulierungen, die nicht digitalaffine Nutzer verschrecken könnten.