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Big Data: Hält der Hype, was er verspricht?

Alle vier Wochen finden in Hamburg die Creative Mornings statt. Das Februarmotto war »Big Data« und zu Gast der Marketing- und Datenexperte Niels Jensen. Johannes Erler fasst zusammen …

Creative Mornings, Big Data
Foto: Mitja Schneehage

Schon irre, wie der Mensch immer wieder denen hinterherrennt, die von sich behaupten, allwissend zu sein – eigentlich ja eine göttliche Gabe, die aber auch prima taugt, andere zu beherrschen oder ihnen zumindest das Geld aus der Ta­sche zu ziehen. Und der neue, heiße Ich-weiß-alles-Scheiß heißt: Big Data.

Einer dieser Big-Data-Apologeten, der Brite Alexander Nix, feierte sich jüngst dafür, Donald Trump zum Präsidenten gemacht zu haben. Angeblich wertete Nix’ Firma Cambridge Analytica digitale Psychogramme von über 200 Millionen Amerikanern und deren Vorlieben und Ängsten aus. Aus gefundenen Übereinstimmun­gen entstand eine mehrheitsfähige Menschenmasse, die Trump mit maßgeschneiderten Versprechen kö­derte – Populismus auf Big Data. Ob sein kru­des Wahlprogramm auch seine persönliche Haltung widerspiegelte, war erst mal egal. Kein Wunder, dass Nix sich wie der liebe Gott gerierte.

Nur mal angenommen, Donald Trump würde nach dem Big-Data-Wahlsieg nun auch Big-Data-Politik machen und die Social-Media-Ergüsse seiner Anhänger bildeten die Grundlage seiner Dekrete, dann käme dabei wahrscheinlich exakt so ein Irr­sinn wie der »Muslim Travel Ban« heraus (ein Schelm, wer Böses dabei denkt). Ist Big Data also eine großartige neue Möglichkeit, die Welt zu erobern, oder im Gegenteil der Triumph reaktionärer Mittelmäßigkeit? Es kommt auf den Standpunkt an.

Big Data ist Mainstream. Das Gegenteil von originell. Der Feind von Kreativität.

»Datengetriebenes Marketing« nennt Niels Jensen das Prinzip etwas weniger reißerisch und macht keinen Hehl daraus, dass auch er geradezu missionarischen Eifer entwickelte, als er 2006 begann, die Daten potenzieller Kunden zur alleinigen Vertriebsgrundlage von Produkten zu machen. Er erklärt es am Beispiel Zalando: Ausschließlich messbare Kundenbedürfnisse waren die Grundlage für Ein- und Verkauf, nicht mehr Werbekampagnen, PR, Design oder so etwas Pro­fanes wie der richtige Riecher. Der Big-Data-Dreh ist also: in riesigem Stil messen, was begehrt ist, und dies dann exakt und opportunis­tisch bedienen. Zalando und Trump gingen durch die Decke. Aber hält der Hype, was er verspricht? Und kann so Neues entstehen?

Kaum. Denn erstens kann Big-Data-Marketing nur auf das bauen, was schon da ist, und zweitens sucht Big Data immer nach dem Durch­schnitt, weil der am einfachsten und lukrativs­ten zu melken ist. Big Data ist Mainstream. Das Gegenteil von originell. Der Feind von Kreativität – und damit ein Konzept, mit dem sich vielleicht mal eine Wahl oder ein Pitch gewinnen lässt, das aber schnell an Zugkraft verliert, weil es fürchterlich langweilig und durchschaubar ist. Zalando hat längst Probleme, und Trump wird sie auch bekommen.

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Das Design sehe ich in diesem Kontext an ei­nem Scheidepunkt. Weil es den einzigartigen, pro­gressiven Unterschied ausmachen kann – oder dem Big-Data-Mainstream Zucker gibt, indem es das Berechnende, Banale aufhübscht. Wir sehen solche Entwicklungen in allen kreativen Berei­chen. In der Musik des Formatradios, dem Block­buster-Superhelden-Kino oder den »Bau Dir Dei­ne eigene Website«-Templates: All dies sind ja schon Datenderivate, die ganze In­dustrien speisen, aber die Welt zunehmend in ei­ner zuckersüßen Me-too-Soße versinken lassen.

Unsere Antworten auf Big Data sind schlaue, mutige Ideen und maximale Empathie. Beides wird Big Data nie haben, und beides sollten wir uns teuer bezahlen lassen. Kreative sind mehr denn je als Innovatoren gefragt. Und die Zukunft kreativer Berufe liegt nicht im Nachäffen – das wird Big Data bald schon besser, schneller und billiger können –, sondern im Neuerfinden.

Und das nehme ich mit von Niels Jensen: Big Data ist ein funkelnder Scheinriese.

PS: Wie man sich gegen Big-Data-Manipulation schützen kann? Immer genau hinschauen, wer zu einem spricht! Das müssen wir alle in der neu­en Welt der Kommunikation noch viel besser ler­nen. Im Wahljahr 2017 wird das wichtig sein.

Das gesamte Video:

 

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Johannes Erler ist Partner des Designbüros ErlerSkibbeTönsmann, das die Creative Mornings im Hamburger designxport veranstaltet, und Mitbegründer des Designkollektivs Süpergrüp. Zu den anderen Beiträgen aus »Erlers Thema« geht es hier.

Foto: Robert Grischek

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