Christine Lischka, Geschäftsführerin von Serviceplan Design, war auf der ISM in Köln unterwegs. Diese (Verpackungsdesign-) Phänomene hat sie entdeckt …
Wie in jedem Jahr fand in Köln Ende Januar die ISM, die größte Süßwarenmesse der Welt, statt. Und wie jedes Jahr pilgern neben dem Fachpublikum, für das die Messe eigentlich gedacht ist, auch viele Designer dorthin. Zum Akquirieren, Aufspüren neuer Trends und neuer Produktinnovationen. Und natürlich sind da wieder die Mega-Trends: vegan, organic, Individualität, ….
Wir kennen sie ja inzwischen alle. Den »Brown Paper Bag-Style«, den »Small Factory-Look«, »Handmade«, alles etwas unperfekt aussehend, weil man damit emotionaler und näher am Konsumenten ist. Das alles nochmal zu beschreiben, soll nicht das Thema sein. Daher picke ich mir jetzt mal ein paar Phänome heraus, die natürlich aus den großen Trends resultieren, in der Menge und Kompaktheit auf so einer Messe aber fast lustig anmuten:
Voll auf die Nuss
Ich, als Vertreter der Generation Golf, bin genauso aufgewachsen wie Frank Illier es in seinem Buch schön beschreibt: Samstagabends im Bademantel vor dem Fernseher sitzen und »am laufenden Band« schauen. Dabei habe ich selbstverständlich Erdnüsse geknabbert. Ölig und unfassbar salzig. Nüsse waren einfach nur banales Knabberzeug und machten allenfalls dick. Nun muß ich meine Einstellung zu den kleinen fettigen Dingern gründlich revidieren. Nüsse gehen jetzt immer und überall. Veganer knabbern Nüsse, um ihre Ernährung mit Eiweiß zu ergänzen. In den Schubladen jeder ordentlichen Kreativagentur befinden sich Nüsse als Notration für Nachtschichten, für den kleinen Hunger zwischendurch, als Brainfood, ja oder was man sonst noch für gewichtige Anlässe braucht. Keine ernstzunehmende Yogastunde endet ohne Nüsseknabbern. Es gibt eine ganz neue Nuss-Knabber-Welle, Generation Squirrel. Ich bin gespannt, wie wir auf dieses Phänomen in 20 Jahren schauen.
Natürlich geht das alles nicht mit den »Oldschool«-Nüssen! Wir reden hier von den gesunden und exotischen Nüssen. Cashewkerne sind ja schon fast commodity, und wie ich gerade gelernt habe sind Erdnüsse gar keine richtigen Nüsse. Na, und dann wundert es auch nicht weiter, daß es auf der ISM eine Flut von Produkten mit coolen Nüssen gibt: Macadamianüsse, Pecannüsse, Paranüsse, Nüsse mit Ingwer, Nüsse mit Cranberries, mit Chia Samen oder ummantelt mit Wasabi. In Riegeln, in Beutel, natürlich, vegan, aus dem Regenwald oder dem heimatlichen Haselstrauch im Garten (also local food). Natürlich schmecken die Riegel lecker und ich finde sie auch gut. (Ich mag auch die meisten Packungsdesigns ☺) Wobei man sich schon genau überlegen muß wie man so eine kompakte Kalorienzufuhr von über 1000 Kalorien am Schreibtisch wieder los wird.
(Weitere Bilder finden Sie in der Galerie unter dem Beitrag.)
Wanderlust
Wer kennt das nicht. Man steht morgens auf, zieht seine Wanderkluft an und setzt sich den Rucksack auf, um loszuziehen? Nicht euer normaler Alltag? Na ja, macht nichts. Falls jemand doch in die Verlegenheit kommt, gleich morgens losziehen zu müssen, und Angst hat unterwegs vor Schwäche zusammenzubrechen, dem sind die neuen Riegel wie zum Beispiel »Trecks« oder »Fulfil« zu empfehlen. Offensichtlich steckt in uns allen eine Tiefe Sehnsucht nach Ursprünglichkeit. Die Riegel sind natürlich voller gesunder Benefits und bedienen den »Healthy Snacking-Trend« vorzüglich. Wem Trekking zu langweilig und nicht thrilling genug ist, steigt vielleicht auf cliff und freeclimbing um?
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Gummi 2.0
Auch den guten alten Gummibärchen geht es an den Kragen (sorry, Thomas Gottschalk!). Ja, sie enthalten Gelatine, sie enthalten die bösen E’s und sie sind voller Farbstoffe. Auch alles old school. Wenn ich sterben sollte, weiß ich zumindest, daß es an meinem übermäßigen Verzehr von diesen ungesunden Dingern lag. Nun gibt es auch hier die guten Alternativen: Bär bleibt, er heißt jetzt aber YOYO und ist gesund. Alles pure Frucht, also Apfel und Erdbeere ist komplett drin. Außerdem bekomme ich noch ein Abenteuer mitgeliefert. Ja, experience ist auch super wichtig für die Konsumenten geworden. Also weg mit einem weiteren Relikt aus meiner Kindheit, den alten Gummibärchen. Tschüs, Begleiter auf allen Klassenfahrten und Übernachtungsparties. Ich mag mir gar nicht ausmalen was mit meinem Lieblingseis Dolomiti passieren wird …
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Entbanalisierung
Zugegeben, dieses Design fand ich wirklich toll und die Isländer auf dem Messestand waren super sympathisch, aber ganz ehrlich: Schokolade aus Island! Mit local food hat dieser Trend jedenfalls nichts zu tun. Kakaobohnen wachsen meines Wissens nach immer noch nicht in Island, trotz Klimaerwärmung.
Nun gut, dann ist hier wohl eher der Trend »Premiumisierung« zu beobachten.
Das kennen wir schon vom Wasser. Gletscherwasser für über 20 Euro die Flasche. So wird es uns jetzt auch mit der Schokolade gehen. Ich habe verpasst zu fragen, was die Tafel am Ende kosten soll. Dennoch war ich schockverliebt in das Packungsdesign. Das hat also schon mal geklappt. Und wahrscheinlich wäre ich auch einer von den Konsumenten, die die Schokolade kaufen und sich damit als Trendsetter fühlen würden ☺.
(Weitere Bilder finden Sie in der Galerie unter dem Beitrag.)
Zum guten Ende
So ganz viel Neues oder Überraschendes gab es nicht auf der ISM.
Alle Trends, die ich schon in früheren Beiträgen beschrieben habe, wurden aufs Beste bedient.
Ich habe mir heute mal den Spaß erlaubt, das Ganze aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Und jetzt esse ich ganz altmodisch ein Käsebrötchen, das gibt genug Energie – auf einen Berg muß ich ja heute nicht mehr.
Urban Fruit
1/10
Trek
2/10
Yo Yo Bear
3/10
Yo Yo Bear
4/10
Landgarten
5/10
Landgarten
6/10
Anyday Nuts
7/10
Traditional Icelandic Chocolate
8/10
FulFil
9/10
Clif Bar
10/10
Christine Lischka ist Geschäftsführerin von Serviceplan Design, Hamburg