Den eigenen Ideen freien Lauf lassen, kreativ sein ohne Zeitdruck, Kostenvorgaben, Agenturchef oder Kundenbriefing im Rücken, und damit auch noch Geld verdienen – für so manchen Gestalter dürfte das wie ein unerfüllbarer Traum klingen. Nicht für den Gewinner eines Wettbewerbs, den die Marke Schwarze Dose 28, jüngst ins Leben gerufen hat. In der ungewöhnlichen Marketingaktion
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Den eigenen Ideen freien Lauf lassen, kreativ sein ohne Zeitdruck, Kostenvorgaben, Agenturchef oder Kundenbriefing im Rücken, und damit auch noch Geld verdienen – für so manchen Gestalter dürfte das wie ein unerfüllbarer Traum klingen. Nicht für den Gewinner eines Wettbewerbs, den die Marke Schwarze Dose 28 jüngst ins Leben gerufen hat. In der ungewöhnlichen Marketingaktion ruft das Unternehmen Calidris 28 Talente aus den Bereichen Mode, Kunst, Design und Musik dazu auf, sich um einen „Halbtagsjob” zu bewerben. Dieser sieht vor, dass der Gewinner die Tätigkeit bei seinem regulären Arbeitgeber für sechs Monate um 50 Prozent reduziert, um in der so gewonnenen Zeit seine eigenen Projekte voran zu treiben – ausgestattet mit einem Budget von 20.000 Euro. Zwischen dem 1. Mai und dem 30. Juni können die Aspiranten ihre Konzepte, Ideen und Visionen einreichen, die Finalisten müssen sich in einem Abschlussevent am 5. August noch einmal präsentieren. Unterstützt wird das Projekt von Unternehmen aus den verschiedenen Branchen. Als Mentorin im Bereich Mode ist beispielsweise die Designerin Filippa K dabei, außerdem gehören das Design-Label Stilwerk und das DJ-Team Tiefschwarz zu den Partnern. Die Spezialisten sollen den Gewinner an die Hand nehmen, ihm beim Networken helfen und ihm beratend zur Seite stehen.
Das klingt auf den ersten Blick ganz gut. Allerdings bleibt die Frage offen, wie sich ein solcher Halbtagsjob umsetzen lässt – vor allem von solchen Bewerbern, die bereits in der Kreativwirtschaft tätig sind. Es ist schwer vorstellbar, dass deren Arbeitgeber ohne weiteres auf ihre Manpower verzichten – auch, wenn sie damit Personalkosten sparen. Für diejenigen, denen viel an ihrer Festanstellung liegt, besteht zudem die Gefahr, mit einer solchen Aktion den Anfang vom Ende einzuleuten. Ohnehin geht der Ansatz, mit dem die Agentur Zum Goldenen Hirschen den Wettbewerb entwickelt hat, nicht ganz auf. „Der Tag hat 28 Stunden” lautet der Claim der Schwarzen Dose. „Das sind genau vier Stunden mehr als ein Tag gewöhnlich zur Verfügung stellt”, fügt die Agentur hinzu. „Oder aber auch: Vier Stunden entsprechen regulär einem halben Arbeitstag.” Und den sollen die Bewerber nun geschenkt bekommen. Nicht nur, dass das eine recht verschraubte Herleitung ist. Sie entspricht auch kaum der Realität. Zumindest nicht der von Mitarbeitern in kreativen Unternehmen. Es gibt wohl wenige Agenturen, Designbüros, Fotografen oder Musiker, die nach dem 9-to-5-Prinzip arbeiten.
Nichtsdestotrotz: Die Idee ist ungewöhnlich und vielleicht apelliert sie ja an die kreative Motivation derer, die ihren Gestaltungsdrang bisher unter Verschluss gehalten haben. Auch richtet sich der Aufruf nicht nur an Kreative in festen Anstellungsverhältnissen. Auch freie Gestalter könnten von dem „Preisgeld” profitieren, wenn sie sich in einem Teil ihrer Zeit nicht mehr um Akquise und um Auftragsabwicklungen kümmern müssten. „Es geht darum, denjeneigen zur Seite zu stehen, die sich ihren Traum vom Kreativsein erfüllen wollen”, betont Katharina Jacobs von Zum Goldenen Hirschen. Ihr Team werde den Bewerbern während der gesamten Phase ihrer Teilnahme am Wettbewerb und auch nach der Siegerehrung zur Seite stehen, sie beraten und auf eventuelle Probleme mit dem Arbeitgeber hinweisen. In der eigenen Agentur habe man lange darüber diskutiert, ob der “Halbtagsjob” in der entwickelten Form realisierbar sei. Die Geschäftsführer von Zum Goldenen Hirschen jedenfalls hätten versichert, dass sie ihren Mitarbeitern Freiraum für ein solches Projekt geben würden.