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Erik Spiekermann und Johannes Erler zur Schriftlizensierungs App Fontstand

Was sagen Typo Profis zur Desktop-App Fontstand, die mit ihrem Leasingmodell die Schriftlizenzierung revolutionieren will.

Peter Bi’lak traut sich was. Nicht nur, dass er mit seiner Den Haager Foundry Typotheque vor ein paar Jahren den ersten Web-Font-Service geschaffen hat, jetzt stellt er auch noch die bisherige Praxis der Schriftlizenzierung auf den Kopf. Ende Mai launchte er die gemeinsam mit den beiden Typedesignern Ondrej Jób und Andrej Krátky aus der Slowakei entwickelte kostenlose Desktop-App Fontstand. Erik Spiekermann und Johannes Erler kommentieren die Neuerscheinung.

 

»Endlich mal vom User aus gedacht«

Erik Spiekermann, Typedesigner, Berlin

Spiekermann

Fontstand ist sehr sinnvoll, weil es endlich mal vom User aus gedacht ist. Alle anderen Lizenzmodelle sind vom Standpunkt des Lizenzgebers aus entworfen. Das ist insofern okay, als es ja auch die Schriftentwerfer sind, die für ihre Arbeit bezahlt werden sollen. Peter Bi’laks Konzept sorgt dafür, dass die Entwerfer ihr Geld bekommen, die Nutzer aber unter realistischen Bedingungen Schriften verwenden können. Niemand will große Beträge investieren in Fonts, die vielleicht nie zum Einsatz kommen. Also bleiben viele bei den paar, die sie schon immer haben, oder »besorgen« sie sich eben bei Kollegen. Vielfalt zu erschwinglichen Kosten ist mit Fontstand endlich da.

 

 

»Die aufregende, die innovative Musik wird jetzt bei Fontstand gemacht«

Johannes Erler, Artdirektor und Typedesigner, Hamburg

 

erler

Fontstand ist eine richtig gute Sache (und eine verdammt gute Geschäftsidee). Ich werde darum auch nicht über die paar Kinderkrankheiten sprechen, die die App noch hat. Es ist mutig und richtig, jetzt damit herauszukommen. Denn die Konkurrenz, vor allem die großen Schriftmonopolisten, schläft ganz sicher nicht. Erster zu sein ist da schon sehr wichtig.

Fontstand kann das Portal zu den kleinen, unabhängigen Foundries werden. Dass es immer mehr gute Schriften gibt, weiß man. Diese zu finden, ist aber oft schwierig. Über Fontstand wird das einfacher, und so ist es kein Wunder, dass die Typedesigner schon Schlange stehen. Dort hält man sich erst mal zurück, man möchte langsam und qualitätsbewusst wachsen. Auch das finde ich richtig.

Als Anwender gefällt mir das Mietmodell inklusive Testmöglichkeit. Eine Schrift ausprobieren zu können, bevor man sie kauft, war jahrelang ein lästiges Problem. Einige Foundries handhabten dies angenehm lässig. Ich kann mich aber auch an tagelangen Mailverkehr erinnern, der zu nichts führte, weil der Entwurf längst fertig sein musste. Das wird jetzt besser. Auch die Preise sind fair. Und ich bin fast sicher, dass so mehr Schriften erst gemietet und dann gekauft werden – und weniger illegal kopiert.

Aus Sicht des Entwerfers bietet Fontstand noch einen weiteren Vorteil. Bisherige Mietmodelle boten stets nur einen großen Fundus an Schriften im Paket an. Der Preis war zwar supergünstig, aber die Tantiemen für die Urheber – ähnlich wie bei Spotify – ans gesamte Paket gekoppelt. Die Einnahmen wurden anteilig und unabhängig von der konkreten Nutzung auf alle enthaltenen Fonts (oder deren Lizenzhalter) verteilt. Wer mit nur einer Schrift vertreten war, ging quasi leer aus. Nutznießer waren mal wieder nur die Großen. Jetzt werden die Schriften als Einzelschnitte oder Familien abgerechnet und die Erträge zu individuell verhandelten Konditionen an den Gestalter weitergegeben. Das heißt ganz simpel: erfolgreiche Schrift = mehr Geld. So muss es sein.

Für mich selbst als Typedesigner bedeutet Fontstand leider gar nichts. Meine Fonts, etwa FF Dingbats, hängen bei FontFont aka Monotype fest. Ursprünglich und seit langer Zeit waren FontShop und FontFont meine Partner. Und ich verdanke FontShop eine Menge, weit über die Distribution meiner Fonts hinaus. Ich konnte nie viel anfangen mit den Dickschiffen, den Linotypes und Monotypes, ich fand sie behäbig, der Zeit hinterher und ihre Lizenzmodelle teilweise richtig schäbig. FontShop hingegen war immer mein unabhängiger, wendiger Freund und mein erster Ansprechpartner in Sachen Schrift.

Daran hat sich bis heute nichts geändert, weil die Beziehung sehr persönlich gewachsen ist. Ich kann gar nicht anders, als bei FontShop anzurufen, wenn ich eine Idee oder eine Frage habe. Doch nun hört Monotype mit. Ein halbes Jahr nach dem Verkauf an den Quasi-Monopolisten werden wir FontFont-Designer mit Vertragsvorschlägen konfrontiert, die es laut FontShop eigentlich nie hätte geben sollen. Und einiges spricht dafür, dass die Unabhängigkeit von FontFont schwindet. Da kommt Fontstand gerade recht. Dass Peter Bil’ak seine Idee auf FontShops TYPO-Konferenz präsentieren durfte, spricht für eine intakte Diskussionskultur in Berlin.

Ein bisschen fühle ich mich gerade wie eine Indie-Band, deren Label von einem Major geschluckt wurde und die aus ihrem Vertrag nicht rauskommt. Die aufregende, die innovative Musik wird jetzt bei Fontstand gemacht. Leider erst mal ohne mich.

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