Color Fonts: Die Zukunft ist bunt
Mit der Ziza beweist der Designer Mark van Wageningen, dass Color Fonts nicht nur zur Auszeichnung von Text, sondern auch zum Lesen taugen. Dank des neuen OpenType-SVG-Formats lassen sich diese mehrfarbigen Schriften kinderleicht anwenden.
Konstruktion: Ein bisschen wie LEGO
Farbige Buchstaben, zum Beispiel mit Schraffuren, Schatten oder Illustrationen verzierte Initialen, sind uns geläufig. »Neben diesem dekorativen Ansatz existiert aber noch eine andere Herangehensweise«, erklärt Gestalter Mark van Wageningen »Man dekonstruiert die Basisform der Lettern, weist ihnen unterschiedliche Farben zu und setzt sie wieder zusammen – das ist ein bisschen wie das Bauen mit LEGO-Steinen.«
Wie bei all seinen Projekten begann der Designer den Entwurf der Ziza mit Papier und Stift – Farbstiften versteht sich. Gerade die grundlegende Konstruktion der Buchstaben, die sich zum Zuweisen verschiedener Farben gut in Teile zerlegen lassen müssen, sowie alle möglichen Farbkombinationen lassen sich prima in analogen Skizzen darstellen. Seine Entwürfe überträgt van Wageningen in Illustrator und verfeinert sie dort, beginnt dann jedoch schon, in Glyphs zu arbeiten. Dort verteilt er die einzelnen Buchstabenteile auf verschiedene Ebenen und weist ihnen Farben zu. Meist beginnt er mit n und o, denn aus diesen lassen sich schnell weitere konstruieren. Ein o mit einem Strich links wird zum b, ein verdoppeltes n zum m, ein gespiegeltes n zum u. »Ganz so einfach ist es dann natürlich doch nicht. Für ein harmonisches Schriftbild und gute Lesbarkeit braucht jedes Zeichen viel Feinschliff.«
Mark van Wageningen ist mehr Grafik- als Typedesigner, und so steht für ihn nicht im Vordergrund, eine große Familie mit vielen Schnitten zu gestalten. Vielmehr macht er Schriften, um sie selbst einzusetzen. Der Grund ist stets, dass er sie für ein bestimmtes Projekt benötigt, wie Bixa oder jetzt eben Ziza. Die gelegentlich etwas ermüdende Arbeit der Fontproduktion ist allerdings nicht seine Lieblingsbeschäftigung, deshalb war er froh, Unterstützung von Lisa Dröes zu bekommen. Die Absolventin des Typeface-Design-Masterkurses in Reading half ihm, die 15 Schnitte der Ziza zu realisieren. Da sie nicht nur als Schriftgestalterin, sondern auch als Illustratorin arbeitet, liebt sie es, mit Buchstaben zu experimentieren. Das Ziza-Projekt kam Lisa Dröes also sehr gelegen.
Lesbarkeit: Viel oder wenig Farbkontrast?
Welche Farben soll die Schrift bekommen? Plant man bewusst starke Kontraste oder nur eine Farbe in unterschiedlichen Abtönungen? »Letztlich ist das eine Frage des Geschmacks und der Lesbarkeit«, so Mark van Wageningen. »Eine Grundregel besagt: Je mehr Kontrast gewünscht ist, desto größer muss die Schrift eingesetzt werden.« Kombinationen aus Komplementärfarben etwa, also solchen die sich im Farbkreis gegenüberliegen, wie Blau und Orange oder Rot und Grün, sollte man besser nur in Headlines verwenden, in kleinen Größen fangen die Buchstaben rasch an, zu flimmern. Für Lesetexte empfiehlt sich ein geringer Kontrast, zum Beispiel ein helleres und ein dunkleres Blau.
Schon am Anfang des Gestaltungsprozesses der Ziza stellte der Designer einen Satz von gut zueinanderpassenden Farben zu einer Palette zusammen. Dabei stützte er sich zunächst auf die Theorie des Bauhauskünstlers und -lehrers Johannes Itten. Dessen Farbkreis besteht aus zwölf Farben, den Primärfarben Rot, Gelb, Blau und den Sekundärfarben Orange, Violett, Grün sowie sechs weiteren Mischtönen. »Itten gibt mir einen Rahmen, in dem sich viele Kombinationen ausprobieren lassen. Gerade am Anfang des Gestaltungsprozesses kann es sinnvoll sein, nicht nur nach persönlichem Geschmack zu gehen, sondern einen etwas objektiveren Ansatz zu verfolgen«, erklärt Mark van Wageningen.
Eine wichtige Rolle spielt selbstverständlich auch der Hintergrund. So ist etwa eine gelb-grüne Schrift auf Orange kaum zu lesen. »Bei der Gestaltung der Ziza habe ich viele Farbkombinationen auf verschiedenen Fonds, in diversen Schriftgrößen und auch auf unterschiedlichen Ausgabegeräten getestet«, berichtet Mark van Wageningen. »Beim Arbeiten mit Color Fonts ist die Testphase ein ganz wesentlicher Bestandteil des Designprozesses.«
Ebenen ade dank OpenType-SVG
Ziza gibt es als OpenType-Font sowie im recht neuen Format OpenType-SVG, das Buchstaben in Form skalierbarer Vektorgrafiken darstellt, sodass mehrere Farben in einer Glyphe möglich sind und sich diese Fonts wie jede andere Schrift auch einsetzen lassen. So entfällt das mühsame Arbeiten mit verschiedenen Ebenen. Zu verdanken haben wir das den Emojis, denn OT-SVG entstand auf der Suche nach einer Möglichkeit, sie so wie Buchstaben anzeigen zu können.
Allerdings hat das Format auch Nachteile: Als Anwender kann man die vom Typedesigner angelegten Farben nicht verändern. Will man das, muss man auf den normalen OpenType-Font zurückgreifen und mit Ebenen arbeiten. Für den Bixa-Freefont hatte Mark van Wageningen eine smarte Idee: Wer die Rot-Blau-Kombination nicht mag, kann vor dem Download die drei Farbelemente auf eigene Werte ändern.
Außerdem nutzt OpenType-SVG den RGB-Modus. Das bedeutet, dass die Farbwerte beim Erzeugen eines Druck-PDFs automatisch in CMYK umgewandelt werden, was zu Farbabweichungen führen kann. Und speziell bei der Erzeugung druckfähiger PDFs aus InDesign, das OT-SVG-Fonts seit Anfang 2019 unterstützt, treten häufiger Probleme auf. Hoffen wir, dass Adobe da bald Abhilfe schafft! Quark XPress, Photoshop und Illustrator arbeiten schon etwas länger mit dem Format. Auf Betriebssystemebene benötigt man macOS Mojave, Windows 10 oder iOS 12.
Im Web mit seinem großen RGB-Farbraum, wo es nicht die Probleme mit Raster und Farbgenauigkeit gibt wie im analogen Druck, macht die Anwendung der Ziza als OT-SVG-Font richtig Spaß, zumal inzwischen drei Browser – Microsoft Edge, Safari, und Firefox – das Format unterstützen. Begrenzendes Element ist hier dann eher die Dateigröße, denn mehrfarbige Schriften benötigen mehr Speicher als monochrome. Auf www.colorfonts.wtf findet sich eine Übersicht der Programme und Browser, die mit dem OpenType-SVG-Format arbeiten.
Kommt mit in den Alltag!
Ziza bietet 15 Schnitte, ein- und mehrfarbige in unterschiedlichsten Varianten, etwa Stencil, Stroke oder Contrast, die sich hinsichtlich ihrer Lesbarkeit stark unterscheiden. Kaum jemandem würde es wohl einfallen, einen Fließtext in Ziza Stencil Left & Right zu setzen. Dafür eignet sich die Ziza Regular mit einem geringen Farbkontrast besser.
Erstmals zum Einsatz kam Ziza im »Novo Typo Color Book«, das im letzten Jahr vom Type Directors Club New York ausgezeichnet wurde. Auf diesem Wege gelangte es in die Hände des deutschen TDC-Komitee-Vorsitzenden Bertram Schmidt-Friderichs, der Mark van Wageningen überzeugen konnte, das Thema noch weiter zu vertiefen. Das Ergebnis ist das Buch »Color and Type«, das soeben erschienen ist.
Emojis und das OpenType-SVG-Format werden bunte Schriften populär machen, da ist sich Mark van Wageningen sicher. Bis Color Fonts im Alltag ankommen, wird aber sicher noch einige Zeit vergehen – wir sind nun mal Gewohnheitstiere und an schwarze Buchstaben gewöhnt. In der Zwischenzeit macht sich van Wageningen – erneut mit Unterstützung von Lisa Dröes – erst einmal an die Gestaltung einer kyrillischen Ziza und an die Ausarbeitung einer eigenen Novo-Typo-Farbtheorie.
Ein Einzelschnitt der Ziza kostet circa 45 Euro, die ganze Familie 650 Euro über www.novotypo.nl .
Buch-Tipp »Color and Type«
Wer mehrfarbige Schriften nicht nur anwenden, sondern selbst entwerfen möchte, erfährt in dem soeben erschienenen deutschsprachigen Buch von Mark van Wageningen alles, was er über dieses Thema wissen muss. Auf 180 Seiten führt »Color and Type« Schritt für Schritt durch den Gestaltungsprozess. Der Autor demonstriert, wie man Buchstaben auseinandernimmt und wieder zusammensetzt, vermittelt typografische Grundlagen zu Proportionen, Gestaltungsrastern und optischen Korrekturen und zeigt, wie das Zusammenspiel von Farbe und Schrift zu einem tollen Werkzeug für Gestalter wird.
Neben dem interessanten Rückblick auf das Typewood-Projekt, in dem van Wageningen mit analogen Holzlettern mehrfarbige Layer Fonts schuf, sind vor allem die vielen Informationen zu Farbsystemen, -theorien und -mischungen hilfreich. Ebenso wie der Abschnitt zu dem recht neuen Schriftformat OpenType-SVG und den Problemen, die es damit noch beim Erstellen von Druck-PDFs aus InDesign gibt. Ein Schriftdigitalisierungskurs ist das Buch allerdings nicht. Zwar gibt der Autor, der selbst in Glyphs arbeitet, Tipps zum Setzen der Vektorpunkte und zum Erzeugen und Exportieren der Dateien, doch ohne etwas Erfahrung im Typedesign wird man das nicht so einfach hinbekommen.
»Color and Type« ist natürlich auch selbst in der Ziza gesetzt – in unterschiedlichsten Farb- und Fontkombinationen – und veranschaulicht so die Gestaltungsmöglichkeiten mit mehrfarbiger Typografie. Um Schwierigkeiten beim Druck zu vermeiden, arbeitete Mark van Wageningen allerdings mit den normalen OpenType-Fonts, die er in Ebenen übereinanderlegte – umständlich, aber der sichere Weg. Der Fließtext verwendet die Ziza in 9,9 Punkt – wohl der beste Beweis für die Lesbarkeit von Color Fonts.
Mark van Wageningen: Color and Type. Mehrfarbige Multi-Layer-Schriften entwerfen und anwenden. Mainz (Verlag Hermann Schmidt) 2019. 25 Euro. ISBN 978-3-87439-921-0