PAGE online

Color Fonts: Die Zukunft ist bunt

Mit der Ziza beweist der Designer Mark van Wageningen, dass Color Fonts nicht nur zur Auszeichnung von Text, sondern auch zum Lesen taugen. Dank des neuen OpenType-SVG-Formats lassen sich diese mehrfarbigen Schriften kinderleicht anwenden.

Alles drin: Ziza enthält alle Glyphen, die man für das lateinische Schriftsystem braucht, sowie einen Satz Pfeile

Typedesigner denken in Schwarz und Weiß. Das hat Mark van Wageningen aus Amsterdam in seinen vielen Jahren als Grafikdesigner oft festgestellt. Hin­nehmen will er es nicht. Damit Schriftgestalter offe­ner für Experimente und damit auch Farbe werden, hat er sich mit seiner Foundry Novo Typo dem Thema Color Fonts verschrieben.

Den Anfang machte 2015 die mehrfarbige Schrift Bixa, die ursprünglich für das Typewood-Projekt ent­standen war. Dafür hatte Mark van Wageningen Buch­staben in Holz geschnitten und auf einer alten Buch­druckpresse in verschiedenen Farben übereinander gedruckt. So produzierte er eine Serie von Postern. An­schließend baute er die Bixa zu einer großen Familie mit 13 Layern aus, von denen es einen kostenlos gibt.

Color Fonts für Lesetexte

Bixa ist eine Displayschrift, die ihre Wirkung in großen Größen entfaltet. Mark van Wageningen reiz­te es nun aber, herauszufinden, ob sich Color Fonts auch für Lesetexte eignen. Und so entwickel­te er das »Novo Typo Color Book«, das sich inhaltlich mit farbigen Schriften befassen und in einer solchen gesetzt sein sollte. Da Bixa dafür nicht infrage kam, gestaltete er Ziza, eine auf Größen von 10 bis 12 Punkt ausgelegte mehrfarbige San Serif.

Konstruktion: Ein bisschen wie LEGO

Farbige Buchstaben, zum Beispiel mit Schraffuren, Schatten oder Illustrationen verzierte Initialen, sind uns geläufig. »Neben diesem dekorativen Ansatz exis­tiert aber noch eine andere Herangehensweise«, erklärt Gestalter Mark van Wageningen »Man dekonstruiert die Basisform der Lettern, weist ihnen unterschiedliche Farben zu und setzt sie wieder zusammen – das ist ein bisschen wie das Bauen mit LEGO-Steinen.«

Erst mal auf Papier: Die ersten Skizzen zur Ziza entstanden von Hand auf Papier – natürlich mit bunten Stiften!

Wie bei all seinen Projekten begann der Designer den Entwurf der Ziza mit Papier und Stift – Farb­stiften versteht sich. Gerade die grundlegende Konstruktion der Buchstaben, die sich zum Zuweisen verschiedener Farben gut in Teile zerlegen lassen müssen, sowie alle möglichen Farbkombinationen lassen sich prima in analogen Skizzen darstellen. Seine Entwürfe überträgt van Wageningen in Illustrator und verfeinert sie dort, beginnt dann jedoch schon, in Glyphs zu arbeiten. Dort verteilt er die ein­zelnen Buch­stabenteile auf verschiedene Ebenen und weist ihnen Farben zu. Meist beginnt er mit n und o, denn aus diesen lassen sich schnell weitere kons­tru­ieren. Ein o mit einem Strich links wird zum b, ein verdoppeltes n zum m, ein gespiegeltes n zum u. »Ganz so einfach ist es dann natürlich doch nicht. Für ein har­monisches Schriftbild und gute Lesbarkeit braucht jedes Zeichen viel Feinschliff.«

So farbenfroh seine Schriften sind – Mark van Wageningen selbst hält sich gerne an erdige Töne

Mark van Wageningen ist mehr Grafik- als Typedesigner, und so steht für ihn nicht im Vordergrund, eine große Familie mit vielen Schnitten zu gestalten. Vielmehr macht er Schriften, um sie selbst einzuset­zen. Der Grund ist stets, dass er sie für ein bestimm­tes Projekt benötigt, wie Bixa oder jetzt eben Ziza. Die gelegentlich etwas ermüdende Arbeit der Fontproduktion ist allerdings nicht seine Lieblingsbeschäftigung, deshalb war er froh, Unterstützung von Lisa Dröes zu bekommen. Die Absolventin des Type­face-Design-Masterkurses in Reading half ihm, die 15 Schnitte der Ziza zu realisieren. Da sie nicht nur als Schriftgestalterin, sondern auch als Illustratorin arbeitet, liebt sie es, mit Buchstaben zu experimentieren. Das Ziza-Projekt kam Lisa Dröes also sehr gelegen.

Feintuning in Glyphs: In Glyphs ordnete der Designer den Ebenen mit den Buchstabenelementen unterschiedliche Farben zu. Die Masterdatei zeigt die verschiedenen farbigen Layer

 

 

Im OpenType-SVG-Format exportiert, enthält der Font in einer Glyphe mehrere Farben und lässt sich wie jede beliebige Schrift anwenden

 

Lesbarkeit: Viel oder wenig Farbkontrast?

Welche Farben soll die Schrift bekommen? Plant man bewusst starke Kontraste oder nur eine Farbe in unterschiedlichen Abtönungen? »Letztlich ist das eine Frage des Geschmacks und der Lesbarkeit«, so Mark van Wageningen. »Eine Grundregel besagt: Je mehr Kontrast gewünscht ist, desto größer muss die Schrift eingesetzt werden.« Kombinationen aus Komplementärfarben etwa, also solchen die sich im Farbkreis gegenüberliegen, wie Blau und Orange oder Rot und Grün, sollte man besser nur in Headlines verwenden, in kleinen Größen fangen die Buch­staben rasch an, zu flimmern. Für Lesetexte empfiehlt sich ein geringer Kontrast, zum Beispiel ein helleres und ein dunkleres Blau.

Auf den Punkt: Die Vektorpunkte exakt zu setzen ist bei der Gestaltung von Color Fonts besonders wichtig, da die einzel­nen Teile, aus denen ein mehrfarbiger Buchstabe besteht, genau zusammen­passen müssen

Schon am Anfang des Gestaltungsprozesses der Ziza stellte der Designer einen Satz von gut zueinanderpassenden Farben zu einer Palette zusammen. Dabei stützte er sich zunächst auf die Theorie des Bauhauskünstlers und -lehrers Johannes Itten. Dessen Farbkreis besteht aus zwölf Farben, den Primärfarben Rot, Gelb, Blau und den Sekundärfarben Orange, Violett, Grün sowie sechs weiteren Mischtönen. »Itten gibt mir einen Rahmen, in dem sich viele Kombinationen ausprobieren lassen. Gerade am Anfang des Gestaltungsprozesses kann es sinnvoll sein, nicht nur nach persönlichem Geschmack zu gehen, sondern einen etwas objektiveren Ansatz zu verfolgen«, erklärt Mark van Wageningen.

Buchstabenzauber: Das Auseinandernehmen und Zusammenbauen immer wieder anderer Buchstabenteile in immer neuen Farbkombinationen hat etwas von Typomagie. Mehrfarbige Lettern müssen in allen Ebenen immer dieselben Breiten haben

Eine wichtige Rolle spielt selbstverständlich auch der Hintergrund. So ist etwa eine gelb-grüne Schrift auf Orange kaum zu lesen. »Bei der Gestaltung der Ziza habe ich viele Farbkombinationen auf verschiedenen Fonds, in diversen Schriftgrößen und auch auf unterschiedlichen Ausgabegeräten getes­tet«, berichtet Mark van Wageningen. »Beim Arbeiten mit Color Fonts ist die Testphase ein ganz wesentlicher Bestandteil des Designprozesses.«

Kontrastvielfalt: Mark van Wageningen orientiert sich gerne an Johannes Ittens Farbkreis. Dieser gibt ihm einen Rahmen, in dem sich verschiedene Farbkombi­na­tionen ausprobieren lassen

 

Ebenen ade dank OpenType-SVG

Ziza gibt es als OpenType-Font sowie im recht neuen Format OpenType-SVG, das Buchstaben in Form skalierbarer Vektorgrafiken darstellt, sodass mehrere Farben in einer Glyphe möglich sind und sich diese Fonts wie jede andere Schrift auch einsetzen lassen. So entfällt das mühsame Arbeiten mit ver­schiede­nen Ebenen. Zu verdanken haben wir das den Emojis, denn OT-SVG entstand auf der Suche nach einer Möglichkeit, sie so wie Buchstaben anzeigen zu können.

Allerdings hat das Format auch Nachteile: Als An­wender kann man die vom Typedesigner an­ge­leg­ten Farben nicht verändern. Will man das, muss man auf den normalen OpenType-Font zurückgreifen und mit Ebenen arbeiten. Für den Bixa-Freefont hatte Mark van Wageningen eine smarte Idee: Wer die Rot-Blau-Kombination nicht mag, kann vor dem Download die drei Farbelemente auf eigene Werte ändern.

Außerdem nutzt OpenType-SVG den RGB-Modus. Das bedeutet, dass die Farbwerte beim Erzeugen eines Druck-PDFs automatisch in CMYK umgewandelt werden, was zu Farbabweichungen führen kann. Und speziell bei der Erzeugung druckfähiger PDFs aus InDesign, das OT-SVG-Fonts seit Anfang 2019 unterstützt, treten häufiger Probleme auf. Hoffen wir, dass Adobe da bald Abhilfe schafft! Quark XPress, Photoshop und Illustrator arbeiten schon etwas län­ger mit dem Format. Auf Betriebssystemebene be­nö­­tigt man macOS Mojave, Windows 10 oder iOS 12.

Im Web mit seinem großen RGB-Farbraum, wo es nicht die Probleme mit Raster und Farbgenauigkeit gibt wie im analogen Druck, macht die Anwendung der Ziza als OT-SVG-Font richtig Spaß, zumal inzwischen drei Browser – Micro­soft Edge, Safari, und Firefox – das Format unterstützen. Begrenzen­des Element ist hier dann eher die Dateigröße, denn mehrfarbige Schriften benötigen mehr Speicher als monochrome. Auf www.colorfonts.wtf  findet sich eine Übersicht der Programme und Browser, die mit dem OpenType-SVG-Format arbeiten.

 

Kommt mit in den Alltag!

Ziza bietet 15 Schnitte, ein- und mehrfarbige in unter­schiedlichsten Varianten, etwa Stencil, Stroke oder Contrast, die sich hinsichtlich ihrer Lesbarkeit stark unterscheiden. Kaum jemandem würde es wohl ein­fallen, einen Fließtext in Ziza Stencil Left & Right zu setzen. Dafür eignet sich die Ziza Regular mit ei­nem geringen Farbkontrast besser.

Wer mit wem: Die 15 Schnitte der Ziza-Familie lassen sich beliebig kombinieren. Von oben nach unten: Construct Full, Thin Full, Regular Full mit Left & Right, Bold Full, Contrast Full mit Left & Right, Stencil Full mit Left & Right, Stroke Full mit Left & Right

Erstmals zum Einsatz kam Ziza im »Novo Typo Color Book«, das im letzten Jahr vom Type Directors Club New York ausgezeichnet wurde. Auf diesem Wege gelangte es in die Hände des deutschen TDC-Komitee-Vorsitzenden Bertram Schmidt-Friderichs, der Mark van Wageningen überzeugen konnte, das Thema noch weiter zu vertiefen. Das Ergebnis ist das Buch »Color and Type«, das soeben erschienen ist.

Emojis und das OpenType-SVG-Format werden bunte Schriften populär machen, da ist sich Mark van Wageningen sicher. Bis Color Fonts im Alltag ankommen, wird aber sicher noch einige Zeit vergehen – wir sind nun mal Gewohnheitstiere und an schwar­ze Buchstaben gewöhnt. In der Zwischenzeit macht sich van Wageningen – erneut mit Unterstützung von Lisa Dröes – erst einmal an die Gestaltung einer kyrillischen Ziza und an die Ausarbeitung einer eigenen Novo-Typo-Farbtheorie.

Ein Einzelschnitt der Ziza kostet circa 45 Euro, die ganze Familie 650 Euro über www.novotypo.nl .

Buch-Tipp »Color and Type«

Wer mehrfarbige Schriften nicht nur anwenden, sondern selbst entwerfen möchte, er­fährt in dem soeben erschienenen deutschsprachigen Buch von Mark van Wageningen alles, was er über dieses Thema wissen muss. Auf 180 Sei­ten führt »Color and Type« Schritt für Schritt durch den Gestaltungsprozess. Der Autor de­monstriert, wie man Buchstaben ausein­an­der­nimmt und wieder zusammensetzt, vermittelt typografische Grundlagen zu Proportionen, Gestaltungsrastern und op­tischen Korrektu­ren und zeigt, wie das Zusammenspiel von Farbe und Schrift zu einem tollen Werkzeug für Gestalter wird.

Neben dem interessanten Rückblick auf das Typewood-Projekt, in dem van Wageningen mit analogen Holzlettern mehrfarbige Layer Fonts schuf, sind vor allem die vielen Informationen zu Farbsystemen, -theorien und -mischungen hilfreich. Ebenso wie der Abschnitt zu dem recht neuen Schriftformat OpenType-SVG und den Problemen, die es damit noch beim Erstellen von Druck-PDFs aus InDesign gibt. Ein Schrift­digitali­sie­rungs­kurs ist das Buch allerdings nicht. Zwar gibt der Autor, der selbst in Glyphs arbeitet, Tipps zum Setzen der Vektorpunkte und zum Erzeu­gen und Exportieren der Dateien, doch ohne etwas Erfahrung im Typedesign wird man das nicht so einfach hinbekommen.

»Color and Type« ist natürlich auch selbst in der Ziza gesetzt – in unterschiedlichsten Farb- und Fontkombinationen – und veranschaulicht so die Gestaltungsmöglichkeiten mit mehrfarbiger Typografie. Um Schwierigkeiten beim Druck zu vermeiden, arbeitete Mark van Wageningen allerdings mit den nor­malen OpenType-Fonts, die er in Ebenen über­einanderlegte – umständlich, aber der siche­re Weg. Der Fließtext verwendet die Ziza in 9,9 Punkt – wohl der beste Beweis für die Lesbarkeit von Color Fonts.

Mark van Wageningen: Color and Type. Mehr­farbige Multi-Layer-Schriften entwerfen und anwenden. Mainz (Verlag Hermann Schmidt) 2019. 25 Euro. ISBN 978-3-87439-921-0

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren