»Zwei zu Eins« läuft gerade sehr erfolgreich in den Kinos – und das mit einer umwerfenden Titelsequenz des Berliner Studios Filmgraphik. Dessen Founder Oliver Peters und Sven Zuege erzählen, wie die Animationen entstanden – Besuche im Banktresor inklusive.
Geldscheine im Wert von Millionen von DDR-Mark wurden zur Währungsunion 1990 in einem unterirdischen Gewölbe nahe Halberstadt verklappt. Darunter auch heimlich gedruckte Zweihundert- und Fünfhundert-Markscheine. Anwohner:innen aber entdecken sie und schlagen der Sozialen Marktwirtschaft der BRD ihr eigenes Schnäppchen …
So erzählt es »Zwei zu Eins«, die Komödie mit Sandra Hüller, die zurzeit die deutschen Kinocharts anführt.
Und so mitreißend wie die Geschichte ist auch die Titelsequenz, die Oliver Peters und Sven Zuege mit ihrem Berliner Studio Filmgraphik entwickelten und dabei die Motive und die Ornamente auf den Geldscheinen lebendig werden lassen – und auf besondere Weise auch mit den Texturen und der Typografie umgehen.
Die Geschichte, die »Zwei zu eins« erzählt, ist ja ziemlich unglaublich. Und mir war sie völlig unbekannt.
Oliver Peters: Dass in das Gewölbe eingebrochen wurde, davon hatte ich schon mal gehört. Was ich aber nicht wusste ist, dass die DDR heimlich Zweihunderter- und Fünfhunderter-Scheine gedruckt hat. Ich bin selber in der DDR aufgewachsen und mit dem Geld groß geworden und hätte nie gedacht, dass es noch mal eine Rolle in meinem Leben spielen würde. Sven Zuege: Dann hat uns aber im Frühjahr letzten Jahres die Filmproduktion Zischlermann kontaktiert, mit der wir schon öfter zusammenarbeitet haben. Und diesmal ging es darum, dass die Regisseurin Natja Brunckhorst einen neuen Film dreht und gerne eine Titelsequenz dafür hätte. Sie wollte sehr früh mit der Arbeit damit anfangen, das Thema Titeldesign lag ihr sehr am Herzen und das war natürlich toll für uns.
Und wie schnell kam die Idee auf, das Titeldesign aus den Geldscheinen selbst abzuleiten?
Sven Zuege: Mit der Geschichte des Films lag es natürlich nahe, dass man sich grafisch der Geldscheine bedient. Deswegen wollten wir es erstmal auszuprobieren.
Oliver Peters: Und dann kam relativ schnell das Go von der KFW, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die nach dem Fall der Mauer die DDR Staatsbank übernommen hat, dass wir uns das Geld vor Ort anschauen können.
Interessant, dass das Geld bis heute aufbewahrt wird.
Oliver Peters: Sie haben sogar noch die Druckplatten und auch Notizen von Walter Ulbricht, der Anmerkungen zu den Motiven auf den Geldscheinen gemacht hat. Wir konnten dort in die Tresorräume und dicke Türen mit großen Rädern wurden für uns geöffnet. (lacht)
Sven Zuege: Wir haben uns die Geldscheine dann sehr genau angeschaut und analysiert, aus welchen grafischen Bestandteilen sie bestehen. Dabei kam auch der Begriff Guilloche auf, den wir bis dato noch gar nicht kannten. Aber das sind die schlaufenartigen Sicherheitsmuster, die im Hintergrund der Scheine zu sehen sind.
Oliver Peters: Sie erinnern etwas an das alte ARD-Logo aus den 50ern. Und schließlich wurde sogar auch noch erlaubt, die Scheine vor Ort hochauflösend zu scannen.
Die Bank scheint sich gefreut zu haben, dass sich jemand für die alten Scheine interessiert.
Sven Zuege: Die Leiterin des Historischen Konzernarchivs war sehr nett und begeistert. Sie uns alles ganz genau erklärt. Sich mit Geldscheinen zu beschäftigen ist natürlich eine »Nerdveranstaltung« und, dass sich jemand beruflich damit auseinandersetzt, kommt nicht allzu oft vor. Gleichzeitig war es für sie natürlich auch interessant, dass wir dabei aus einer ganz anderen Ecke kommen und uns das DDR-Geld aus gestalterischer Sicht interessiert.
So eine Art der Recherche und dann direkt vor Ort ist schon etwas besonders.
Sven Zuege: Auf jeden Fall und wir haben dann auch sofort damit begonnen zu überlegen, wie aus diesen Scheinen ein spannender Vorspann entstehen kann. Wir haben uns dann erstmal auf die Elemente konzentriert, die wirklich grafisch und illustrativ sind. So wie die Familie, die vor dem Hochhaus steht, die Kindergärtnerin und die Schüler, die gerade aus der Schule kommen. Und die Frau, die im Atomkraftwerk arbeitet.
Oliver Peters: Das war schon revolutionär, denn erstmals ist dort eine Frau in einer quasi wissenschaftlichen Umgebung zu sehen. Und dann auch noch in einem Atomkraftwerk.
Sven Zuege: Wir haben dann angefangen, die Motive auseinander zu bauen, also in Einzelteile zu zerlegen, um sie später am Rechner mit der Kamera abfahren zu können. Wir wollten Tiefe in den Bildern haben und auch Bewegung und haben deshalb einzelne Teile auch animiert und konnten so eine Parallaxe erzeugen.
Wie sind die 3D-Effekte, die die Motive der Geldscheine in die Tiefe hinein auffächern, genau entstanden?
Oliver Peters: Dafür haben wir die 2D Bilder der Geldscheine auseinander geschnitten und in After Effects bearbeitet. Bei dem Motiv mit der Chemiefabrik, der PCK Raffinerie in Schwedt zum Beispiel, haben wir, um Vorder-, Mittel- und Hintergrund zu bekommen, erst einmal die Schornsteine herausgeschnitten. Aber natürlich musst du die Lücken, die dahinter entstehen, immer wieder füllen. Du musst überlegen, was dahinter sein könnte oder wie die Rückseite von etwas wohl aussieht. So haben wir dann die Tiefe für unsere Kamera erhalten, mit der wir dann quasi dadurch und darüber geflogen sind.
Hattet ihr Lieblingsmotive?
Oliver Peters: Die mit den Erntemaschinen, die auf einen zugefahren kommen, gefallen uns besonders gut. Wir haben uns die Freiheit genommen, sie spiegeln und dadurch haben sie fast etwas Science-Fiction-artiges bekommen.
Sven Zuege: Das hat ziemlich Spaß gemacht. Eben auch, weil wir etwas freier mit ihnen umgegangen sind, um auch mal ein anderes Framing, eine andere Kadrierung zu bekommen.
Oliver Peters: Außerdem wollten wir auch unbedingt die Guillochen verwenden. Erst hatten wir überlegt, sie selbst zu generieren und anschließend zu animieren. Aber wir mussten feststellen, dass man die Textur des Gedruckten nicht so reproduzieren kann, dass sie wie auf einem echten Geldschein wirkt und ihr Charme dann etwas verloren geht. Wir haben uns sogar einen Spirographen zugelegt, um damit zu experimentieren. Wir dachten, dass man damit die Textur auf dem Papier besser hinbekommt. Das hat dann aber auch nicht geklappt.
Sven Zuege: Das Papier, auf dem Geldscheine gedruckt werden, ist ja ein Spezialpapier mit einem hohen Baumwollanteil. Entsprechend verhalten sich auch Textur und Farben und zerfließen etwas. Das hätte man nie nachbauen können, um es dann zu animieren. Das hätte so gewirkt, wie Bleisatz nachzubauen, bei dem dann aber der Abdruck auf dem Papier fehlt und auch die kleinen Fehler und Unsauberkeiten, die es besonders machen.
Oliver Peters: Und da die Guillochen ja sowieso schon ineinander verschränkt waren, entstand irgendwann die Idee, mit einem Kaleidoskop Effekten zu arbeiten und neue eigene Muster zu generieren.
Und das sind alles originale Guillochen?
Oliver Peters: Ja. Und von den Kaleisdoskop-Bildern haben wir dann Hunderte gemacht, um zu schauen, wie das alles passt. Die überzeugendsten haben wir dann der Regisseurin gezeigt. Und sie haben ihr auch gefallen.
Sven Zuege: Natja Brunckhorst hat sich die Sachen zwischendurch immer wieder auf der großen Kino-Leinwand angesehen. Denn es macht natürlich einen großen Unterschied, ob du es dir auf einem 27-Zoll-Monitor anschaust oder es in einem dunklen Raum groß projiziert siehst. Da sieht man dann, ob es einen im Positiven überwältigt oder erschlägt, ob die Geschwindigkeit stimmt oder die Frequenz vielleicht zu hoch ist. Man möchte natürlich nicht, dass jemandem schwindelig wird oder jemand einen epileptischen Anfall bekommt.
Es muss toll gewesen sein, mit jemanden zusammenzuarbeiten, der so viel Wert auf den Vorspann legt. Er ist dann ja auch wirklich wie ein kleiner Vorfilm geworden, finde ich.
Sven Zuege: Wir haben uns natürlich sehr gefreut, dass ihr die Titel so wichtig sind und sie einen so epischen und besonderen Vorspann wollte. Wir wollten ihn eigentlich etwas kürzer halten, aber dann haben wir uns in der Mitte getroffen. Die richtige Länge kristallisiert sich irgendwann selbst heraus und wird zudem ja auch durch die Anzahl der Motive bestimmt und durch die Namen der Schauspieler und Gewerke, die darin untergebracht werden.
Wie seid ihr mit der Typo umgegangen?
Sven Zuege: Das war ein langwieriger Prozess. Wir haben mit vielen einigen befreundeten Typografen und Schriftgestaltern gesprochen und lange überlegt, ob wir eine Antiqua im Stil des Geldes nehmen. Doch sie wäre in den Titeln etwas untergegangen. Wir brauchten eine zeitlose Schrift, die gut aussieht und sich inmitten der ganzen Grafik drumherum behauptet.
Oliver Peters: Sie sollte klar sein, aber durfte technisch nicht zu perfekt aussehen, weil sie sonst etwas so aufgesetztes hat. Sie musste auffallen, ohne zu auffällig zu sein. (lacht)
Sven Zuege: Es war also wirklich schwierig. Wir sind so unglaublich viele Schriften durchgegangen, bis wir mit der Rhode schließlich eine gefunden haben, die eine 60er-Jahre Anmutung hat, nicht ganz sauber, sondern ein bisschen rumpelig ist und so auch auffällt. Sie passt gut rein. Allerdings haben wir sie nicht einfach digital eingesetzt, sondern sie noch mal ausgedruckt und gescannt, sodass sie an den Kanten leicht analoge Unsauberkeiten hat.
Bis ins kleinste Detail.
Sven Zuege: (lacht) Für den Filmtitel am Ende des Vorspanns wäre die Rhode allerdings nicht stark genug gewesen. Da haben wir den Schriftzug, der sich an einer Futura orientiert, selbst gebaut.
Oliver Peters: Sie sollte ein bisschen wie ein selbst gezimmerter Fotosatz aussehen. Schön, aber nicht zu perfekt und etwas wie geprinted.
Die Titelsequenz ist wirklich eine große Freude und das auch beim mindesten Fünfen Mal. Gleichzeitig erinnert sie mich auch daran, was man verliert, jetzt wo alle digital bezahlen. Über die Anonymität hinaus, verliert man interessante Gestaltung und die ganzen Geschichten, die Geldscheine erzählen.
Oliver Peters: Das stimmt. Nicht nur das DDR-Geld war ein Auslaufmodell, sondern Geldscheine generell sind es.
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