Kunterbuntes Corporate Design, avancierte Technik: Wir sprachen mit Grafikdesigner und Neue Gestaltung Founder Pit Stenkhoff darüber, wie Banken und Banking gerade revolutioniert werden.
In der aktuellen PAGE 10.2018 berichten wir über coole Smartphone-Banken und heitere Fintechs, leuchtende Kreditkarten und Banknoten, die ganze Geschichten erzählen.
Wie Banken und Banking gerade revolutioniert werden, darüber sprachen wir mit Pit Stenkhoff von Neue Gestaltung. Seit 1995 arbeitet das Berliner Designstudio für die HypoVereinsbank, hat gerade einen Styleguide für eine europäische Großbank ausgerollt und entwickelt zur Zeit eine Microcredit-App.
Seit mehr als 20 Jahren arbeitet ihr für Banken. Was hat sich verändert?
Pit Stenkhoff: Wir haben noch die goldenen Zeiten des Bankings erlebt, in den 1990ern sogar Satellitenfernsehen für Bank-Mitarbeiter gemacht. Doch die Welt hat sich verändert und das Problem ist, dass die traditionellen Banken in ihrem Wesen Dinosaurier sind. Sie sind ungeheuer schwerfällig und reagieren mit einer fast schon unangenehmen Innensicht auf das Marktgeschehen.
Woran liegt das?
Traditionelle Banken haben große Altlasten, mäandernde Computersysteme, die nach und nach aufgebaut wurden und tief verzweigt sind. Bei Volkswagen sagt man sich, dass sie bei 20 % der Server nicht mehr wüssten, was darauf ist – sich aber keiner traut, sie abzuschalten, denn sonst könnte vielleicht plötzlich die gesamte Produktion stillstehen.
Und deshalb ziehen die Fin-Start-ups an ihnen vorbei?
Die Start-ups haben einen frischen, unverbauten Blick. Quälen sich traditionelle Banken mit veralteten Betriebssystemen herum, bauen diese auf der grünen Wiese und umgehen so viele Probleme. Sie verzichten auf die Darstellung komplexer Geschäftsprozesse und gehen in der Legitimierung neue Wege. Alte Banken haben unter Umständen viel strengere Statuten, dürfen nur persönlich legitimieren, Start-ups legitimieren per Video-Chat.
Welche Chance haben die traditionellen Banken gegen solche wendige Konkurrenz?
Sie gehen heute natürlich auch moderne Wege, stellen App-Suites zur Verfügung. Unverständlich aber ist, dass sie sich ihr wichtigstes Asset, die Sicherheit, zu großen Teilen haben wegnehmen lassen. Die müssen sie zurückgewinnen und neue Geschäftsfelder etablieren. Warum verwahren sie nicht digital wichtige Dokumente wie Lebensversicherungen, Testament etc.? Oder digitalisieren Post und stellen sie einem sortiert und per Mail zu? Sie könnten auch Workflows anbieten, die sich ohne Systembrüche von der Rechnung bis zur Steuererklärung durchziehen. Stattdessen lagern User ihre Daten lieber in Clouds von Softwareunternehmen. Da kann man sie doch gleich der NSA senden.
Woran liegt es, dass heute nicht mehr so viel Wert auf traditionelle Sicherheit gelegt wird?
Auf Sicherheit wird schon Wert gelegt, davon profitieren Banken noch. Aber ansonsten haben sie sich kannibalisiert, ihren Ruf verspielt und am Ende auch ihre Filialen vernachlässigt. Früher war es ein erhabenes Gefühl eine Bank zu betreten, heute erinnern manche Filialen nur noch an Billig-Supermärkte. Jetzt sollten sie sich auf die Einrichtung einer intelligenten digitalen Filiale konzentrieren. Der Geldschein, der immer eine große Projektionsfläche war, fällt im Digitalen weg. Das sollten sie mit digitalen Geldanwendungen auffangen, die visuell haptisch sind.
Wie sieht das konkret aus?
Die Anwendungen sollten so leicht verständlich wie emotional sein, visuell ansprechend, schnell und unkompliziert. Wir sagen immer, dass eine Anwendung so aussehen muss, dass man
sie am liebsten abschlecken möchte. Hört sich blöd an, bringt es aber auf den Punkt.
Bei N26 ist mir aufgefallen, wie unglaublich freundlich die Mitarbeiter im Chat sind.
Die Ansprache gehört auch zur visuellen Haptik, eine Kommunikation auf Augenhöhe, die Verbundenheit und Vertrauen herstellt. Das zeigt, dass die jungen Macher sich mit dem Markt auseinandersetzen und auch mit dem Bewusstsein des Anwenders, sie gucken aus dessen Sicht auf das Ganze und – im Gegensatz zu traditionellen Banken – nicht aus der Innensicht der Unternehmen heraus.
Gleichzeitig hat man das Gefühl, dass Geld immer heiterer wird.
Auch in der Microcredit-App, an der wir gerade arbeiten, wird versucht, dem Geld seine Strenge zu nehmen und es zu einem ganz normalen Produkt zu machen.
Die Digitalisierung abstrahiert alle Dinge gleichermaßen, Produkte wie auch das Geld. Damit sind wir – sehr einfach gesprochen – wieder beim Tauschhandel angelangt. Geld wird zum Produkt, bspw. Schuhe. Wenn das so ist, dann kann ich auch das Kauferlebnis entsprechend inszenieren.
Es ist natürlich die Frage, welchen Wert Geld bekommt, wenn es nur noch digital existiert. PayPal und ähnliche Plattformen müssten es schaffen, dass die Geldnote nur noch mit ihrem Namen verbunden ist.
Wie Tempo.
Genau. Du zahlst nicht mehr in Euro oder Dollar. Sondern in PayPal, Visa oder Apple.
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