So funktioniert die VR-Produktion bei BECC Agency
Virtual Reality muss nicht immer nur ein Endprodukt sein – sie eignet sich auch sehr gut für interaktive Gestaltungsprozesse und Schulungen
Das alles entschlackt den Prozess und spart Produktions- sowie Reisekosten – und das wissen immer mehr Kund:innen zu schätzen. »Corona hat die Akzeptanz für diese Form der virtuellen Zusammenarbeit enorm erhöht«, sagt Geuder. BECC Agency verwendet die Technik sogar für Präsentationen wie auch Schulungen in den Bereichen Corporate Identity und Corporate Design.
Team und Technik
Die neuen Technologien verändern natürlich auch die Abläufe und die Aufstellung der Agentur. So musste das Immersive-Team erst mal aufgebaut werden. »Leute mit allen notwendigen Kompetenzen gibt es heute einfach noch nicht. Wir mussten im Team zusammen lernen, wie wir die passenden Antworten auf bestimmte Herausforderungen finden«, erinnert sich Leif Geuder. Momentan arbeiten fünf Personen aus verschiedenen Ländern und Generationen aus den Bereichen 3D- und UI/UX Design sowie Development im VR-Team. Sie verfügen über Game-Engine-Expertise, haben ein gemeinsames Mindset, teilen die Liebe fürs Gaming und beherrschen eine Vielzahl an Programmen für 3D-Content-Produktion und Texturing wie Cinema 4D, Houdini, ZBrush, Substance und Marmoset Toolbag. Die digitalen Objekte und Oberflächen fügen sie dann in Unreal Engine oder Unity zu einer immersiven Erfahrung zusammen. Dabei bildet Technical Director Philipp Otterbach eine Schnittstelle zwischen Design und Coding und behält das große Ganze im Blick. Natürlich braucht es nach wie vor auch Leute aus Architektur sowie 3D- und Visual Design – diese müssten aber flexibel sein und lösungsorientiert arbeiten, erklärt Leif Geuder. »Es braucht höhere Qualifikationen, mehr Kommunikation und eine engere interdisziplinäre Zusammenarbeit als früher.«
Ist die Asset Database für einen (oder mehrere) Kunden erst einmal aufgebaut, läuft die Implementierung in unterschiedlichen Medien relativ einfach, schnell und kosteneffizient ab. Dafür müssen die verschiedenen Anwendungen allerdings von Anfang an mitgedacht werden. Das sei mittlerweile fester Bestandteil von Strategie und Workflow bei BECC. »Je mehr solcher Projekte man gemacht hat und je mehr Objekte und Funktionen man programmiert hat, desto schneller geht es beim nächsten Projekt«, erklärt Otterbach. Bei jedem neuen Auftrag achtet er darauf, ob Elemente eventuell auch für ein späteres Projekt genutzt werden können.
Künstliche Intelligenz kann hier bislang nur bedingt helfen. Mit ihr lassen sich laut Otterbach zwar mittlerweile auch einigermaßen gut aussehende 3D-Objekte erstellen, allerdings seien diese eher allgemein und wenig spezifisch: »Unsere Auftraggeber wollen ja explizit ihre Produkte in 3D nachgebaut haben. Hier ist KI noch kaum nützlich.« Für ein generelles Look-and-feel im Vorfeld – beispielsweise um Neukundschaft zu gewinnen – nutzen die Kreativen aber mittlerweile fast ausschließlich KI-Programme wie Midjourney.
Immersive Zukunft
»Vermutlich werden künftig zumindest große Marken ihre eigenen Asset Databases haben«, sagt Leif Geuder. »Agenturen sind dann dafür zuständig, die VR-Welten auch wirklich rund zu gestalten. Hierfür braucht es Design-Know-how, ästhetisches Empfinden und Erfahrung in der reellen Raumplanung.« Derzeit müsse BECC aber noch oft Überzeugungsarbeit leisten, viele Kund:innen sähen das Potenzial von immersiven Medien noch nicht, so Geuder. Aus diesem Grund gehe die Agentur häufig in Vorleistung und entwickle schon einmal eine rudimentäre VR-Umgebung, mit der auch Marketingentscheider:innen innerhalb von Konzernen ihre Vorgesetzten besser überzeugen könnten. Das sei auch eine gute Fingerübung für das Team und eine Chance, neue Technologien und Methoden zu testen.
Außerdem hält BECC mehrmals im Jahr Impulsvorträge über VR bei ihren Kundinnen und Kunden. »Bei dem Thema gibt es noch viel Erklärungs- und Kommunikationsbedarf – auch während der Zusammenarbeit. Die Aufträge werden zumeist aus dem Marketing gesteuert, obwohl es sich im Grunde um IT-Projekte handelt. Da müssen wir anleiten und verständlich machen, was technisch dahintersteckt«, so Geuders Erfahrung.
Derzeit realisiert BECC viele Immersive-Projekte im Automobilbereich, zum Beispiel für Messen, Flagship-Stores und Produkttrainings. Aber die Technologie sei auch für viele andere Branchen und Anwendungen spannend, meint Leif Geuder. Er ist überzeugt: »Designagenturen, die sich in den nächsten Jahren nicht mit Immersive Media beschäftigen, werden den Anforderungen des Marktes nicht mehr gerecht werden.« Immerhin ist bereits abzusehen, dass mit den Generationen Z und Alpha und deren Gaming-Affinität mehr kompetentes Personal auf den Jobmarkt kommt.
Reisacher: VR-Raumplanung
Die Planung des neuen Autohauses für den BMW-Händler Reisacher in Augsburg verlief unter anderem im virtuellen Raum. Dabei standen neben dem Markenerlebnis vor allem nachhaltige Materialien und ein LED-Beleuchtungskonzept im Fokus. Ganz oben der fertige Raum, darunter die Programmierumgebung in Unreal.
BECC: AR-Raumplanungs-App
Wie Möbelstücke, Ausstellungselemente oder Produkte in einem Raum aussehen und wirken, kann BECC mittels dieser selbst entwickelten AR-App mit ihren Kund:innen live vor Ort testen – ohne reale Exponate oder Probeaufbauten. Sie kam schon bei diversen Projekten zum Einsatz sowie bei der Umgestaltung der eigenen Agenturräume.
BMW Motorrad
Train-the-Trainer-Produktschulung
Wie praktisch und immersiv eine Produktschulung im virtuellen Raum sein kann, erlebten BMW-Mitarbei-ter:innen bei einer internationalen Train-the-Trainer Veranstaltung. Die Teilnehmenden testeten live, wie es sich anfühlt, sich im virtuellen Raum als Avatare zu treffen und Inhalte vermittelt zu bekommen, beispielsweise zu einem neuen Motorrad.
iONiX: Virtuelles Produkterlebnis
Auf der Mobilitätsmesse eMove 360° in München konnten Besucherinnen und Besucher 2021 die Funktionsweise von iONiX-Ladesäulen für E-Autos in VR erleben.
Bild: BECC Agency GmbHBMW Group Brand Companion: Employee-Training-App
Marken- und Unternehmenswerte büffeln soll mit dem BMW Group Brand Companion jetzt mehr Spaß machen. Die Zielgruppe Trainees erwartet in der App eine Mischung aus redaktionellen Inhalten und Gamification-Elementen sowie eben die Möglichkeit, die Brand Identity im virtuellem Raum zu erleben. Die App wird innerhalb von Markentrainings eingesetzt, kann aber auch individuell flexibel genutzt werden – und soll darüber hinaus als Inspirationsquelle für künftige Produktentwicklungen dienen. Die gemeinsam mit Straightlabs, einem Anbieter für Educational Technology, realisierte App wurde 2022 beim Red Dot Award: Brands & Communication Design ausgezeichnet.
Dieser Artikel ist in PAGE 07.2023 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.