
Schnittveredelung: Spannende Gestaltungsmöglichkeiten mit Schnittkanten
Die Schnittkanten eines Buchs, eines Magazins oder einer Karte bieten vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten – mit Farbe, Folie, Schrift oder Mustern. Wir zeigen inspirierende Beispiele und erklären den technischen Hintergrund

»Die Verarbeitung mit Schwamm oder Pinsel ist einfach und damit eher etwas für Semiprofis, das Resultat überzeugt aber nicht: Durch den hohen Auftrag läuft die Farbe gerne ins Papier«, erklärt Lars-Peter Leu, Inhaber der Berliner Druckmanufaktur Volle Kante, die sich auf hochwertige Visitenkarten, Schnittveredelungen und Prägungen spezialisiert hat. Er selbst arbeitet mit einer Lackierpistole. Bevor er die Kanten besprüht, presst er die Karten in Stapel und schleift sie noch. »So ist das Ergebnis viel genauer und sauberer, denn durch das Schleifen und den geringen Auftrag läuft keine Farbe ins Material.« In Buchbindereien, die große Auflagen von Büchern mit einem Farbschnitt versehen, wird die Farbe zumeist mit einem Walzensystem aufgebracht und unter UV-Licht ausgehärtet. So lässt sich der veredelte Buchblock sofort weiterverarbeiten.

Aber: Ein Farbschnitt ist immer matt. Wer es lieber glänzend möchte, muss Folie wählen. Hier überträgt man die Transferschicht der Prägefolien mit einer heißen Walze auf den zusammengepressten Schnitt. Die Folie sorgt nicht nur für einen besonderen Blickfang, sondern schützt auch vor Verschmutzungen. Für farbige und vor allem dunkle Papiere ist der Folienschnitt ebenfalls ideal, weil er hundertprozentig deckt. Bei einem Farbschnitt müsste man sie zuvor mit Weiß grundieren. Allerdings ist die Auswahl der Folienfarben begrenzt. Zwar kann man neben Gold, Silber und Kupfer auch aus verschiedenen anderen metallisch glänzenden Blau-, Grün- oder Rottönen sowie Neonfarben und auch matten Tönen wählen – doch spezielle Corporate-Design-Farben lassen sich nicht realisieren.

»Der Folienschnitt besteht aus mehr Arbeitsgängen als der Farbschnitt, ist also aufwendiger und damit auch etwas teurer«, sagt Sven Winterstein, der mit seinem Letterjazz Print-Studio in Essen seit mehr als zehn Jahren Letterpress und Schnittveredelungen anfertigt. »Er wirkt allerdings auch etwas exklusiver. Was bestimmt auch daran liegt, dass man ihn nicht ganz so oft sieht. Farbschnitt läuft bei uns täglich, Folienschnitt eher einmal die Woche.«

Hinsichtlich der Umweltverträglichkeit schneidet der Farbschnitt zwar besser ab – eine Umweltsünde ist der Folienschnitt aber auch nicht. Die Folienmengen bei einer Kantenveredelung sind sehr überschaubar. Zudem stellen die extrem dünnen, aufs Papier übertragenen Farb- oder Aluminiumschichten kein Hindernis fürs Papierrecycling dar. Der Prägefolienhersteller Leonhard Kurz aus Fürth geht aber noch einen Schritt weiter: Kürzlich hat er damit begonnen, die PET-Reststoffe der Folie bei seinen Kunden einzusammeln und sie in einer eigenen Recyclinganlage zu einem Spritzgusswerkstoff für industrielle Anwendungen umzuwandeln.

Dream-Team Letterpress und Farbschnitt
Wer Augen und Fingern gleichermaßen einen Gefallen tun will, kombiniert seinen Farbschnitt mit einem Naturpapier und Buchdruck. »Im Letterpress kommen normalerweise voluminöse Naturpapiere, Pappen oder Bierfilz zur Anwendung – also Materialien, in die man tief hineinprägen kann. Da man durch die Stärke des Papiers dann auch wirklich eine Kante hat, drängt sich ein Farbschnitt quasi auf«, so Sven Winterstein. Grundsätzlich geht dies zwar auch mit gestrichenen Papieren, jedoch sollte man hier auf jeden Fall einen Test machen. »Schwierigkeiten treten insbesondere bei zellophanierten, also folienkaschierten Materialien auf – insofern ist eine ungestrichene Kartonqualität die unproblematischste Wahl.« Für beschichtete und lackierte Papiere ist der UV-Farbschnitt besser geeignet, weil die Farbe bei ihm sofort trocknet.

In puncto Material gilt: je dünner, desto dezenter. »Bei 250 Gramm sollte es eigentlich schon eine Leuchtfarbe oder wenigstens ein sehr starker Kontrast sein, damit man den Farbschnitt überhaupt wahrnimmt, 300 bis 400 Gramm sind sinnvoller.« Ab und an fertigt Letterjazz auch 1000 Gramm starke Karten, dann muss man allerdings aufpassen, dass der Farbschnitt nicht aufdringlich wirkt. »Bei superdickem Material ab 2 Millimeter Stärke bieten wir an, im Siebdruck Text oder auch eine Illustration auf die Schnittkante zu drucken, da können tolle Effekte entstehen«, so Sven Winterstein.

Nicht im Siebdruck, sondern in einem Akzidenzdruckverfahren erfolgt der Motivfarbschnitt, den etwa die Druckerei F&W aus Kienberg anbietet. Hier lassen sich Kanten mit Mustern oder Schrift sehr exakt und vierfarbig bedrucken. Günstig ist das allerdings nicht, 1,50 Euro extra pro Stück kostet es mindestens. Deutlich günstiger ist der 3D-Farbschnitt von F&W, der eigentlich kein richtiger Farbschnitt ist, weil er nicht nachträglich aufgetragen, sondern mitgedruckt wird.

Vorsicht sollte man walten lassen, wenn das Material nicht mit der Schneidemaschine geschnitten, sondern gestanzt werden soll – etwa weil man eine besondere Kontur haben möchte. »Wenn wir die Außenkontur einer Karte stanzen, statt zu schneiden, ist die Papierkante durch das Stanzwerkzeug an der einen Seite etwas abgeflacht«, berichtet Sven Winterstein. »Das hat dann zur Folge, dass durch den Farbauftrag ein sichtbarer, meist unerwünschter Farbsaum im Randbereich erscheint.«

Wahl des Farbschnitts: Ton in Ton oder viel Kontrast?
Ob knallbunt oder eher dezent – die Wahl des Farbschnitts hängt in erster Linie vom Projekt ab. »Es muss sowohl zum Kunden, zu seinen Produkten als auch zum jeweiligen Printmedium passen – bei einem Flyer wäre ein Colour Edging sicherlich vergeudet. Und auch der Bedruckstoff sollte auf dieses abgestimmt sein«, sagt Monoki-Geschäftsführerin Carol Hoffmeister. Entsprechend planen die Designer Veredelung und Papierauswahl immer zusammen und in Abstimmung mit der Produktion.

Da Monoki sehr viele Printprojekte realisiert, gibt es in den Agenturräumen eine Vielzahl unterschiedlichster Muster – das macht es für den Kunden leichter, eine Entscheidung zu treffen. Und was mögen die Kreativen lieber, Farb- oder Folienschnitt? »Die Präferenz ist wahrscheinlich bei jedem von uns eine andere«, antwortet Carol Hoffmeister. »Der Folienschnitt ist unschlagbar hinsichtlich Glanz und Präzision, der Farbschnitt hinsichtlich Farbauswahl und Flexibilität. Letzteres macht diesen ganz klar zu meinem Favoriten.« Und ihre Visitenkarte beweist, dass es gerne auch mal knallig sein darf.
Farbschnitt mitdrucken
Bei ihrer Vice-versa-Ausgabe »men & women« nutzte die Zeitschrift »novum« die Schnittkante für zwei unterschiedliche Botschaften
Bei den »novum«-Mitarbeitern hieß er liebevoll »Fake-Farbschnitt«, die Druckerei F&W nennt ihn »3D-Farbschnitt«, weil er erst beim Blättern in einem Buch oder Magazin zur Geltung kommt. Tatsächlich ist es aber gar kein richtiges Colour Edging, denn die Farbe beziehungsweise das Motiv wird nicht nachträglich aufgetragen, sondern mitgedruckt. »Für unsere inhaltlich zweigeteilt angelegte ›men & women‹-Ausgabe passte ein solcher Farbschnitt, der von zwei Seiten funktioniert, wunderbar«, erklärt »novum«-Chefredakteurin Christine Moosmann. Blättert man das Heft in der Art eines Daumenkinos vom Frauen-Cover her, kann man an der Schnittkante »There is nothing complicated about equality« lesen – dreht man es und beginnt von der Männerseite, steht dort »Define yourself or others will define you«.
Was sich kompliziert anhört, ist technisch simpel: »Man legt in InDesign das Motiv genau in der Höhe an, die die aufgefächerte Schnittkante nachher haben soll«, sagt Christine Moosmann. Anhand dieser Datei berechnet die Druckerei F&W dann mithilfe einer eigens entwickelten Software, welcher Anteil des Motivs auf den Seiten Platz finden muss. Das Motiv wird dann von F&W entsprechend aufgeteilt und passgenau in den Druckdaten platziert. Auf diese Weise kann die Druckmaschine den »Farbschnitt« mit den ganz normalen Seiten des Magazins mitdrucken. Will man in ihm wie im Fall von »novum« von beiden Seiten blättern können, muss man die Vorder- und die Rückseite bedrucken. Im Digitaldruck sind die Ergebnisse exakter als im Offsetdruck, weil man dort nicht mit Bogen, sondern mit Einzelseiten arbeitet.
Der große Vorteil dieses Verfahrens: Es ist günstig, da man es quasi kostenlos mitproduzieren kann. Der Nachteil: Man muss ein entsprechend langes und niedriges Motiv finden. Zudem muss man sich darüber im Klaren sein, dass auf jeder Buch- oder Magazinseite ein Balken am Rand auftaucht.
Artikel zum Thema Druckveredelung und Papierwahl
- Umweltfreundlich veredeln. Welche tollen Möglichkeiten es gibt, zeigt unser Ratgeber aus der PAGE 02.18 an einer Vielzahl von Beispielen
- Step by Step zur Druckveredelung. Wie man Veredelungen gestalterisch vorbereitet und sicher umsetzt.
- Welches Papier für welchen Zweck? Worauf Sie bei der Materialwahl für Ihre Printprojekte achten müssen, erfahren Sie in PAGE 01.19 ↗ www.page-online.de/PEPA1901
Dieser Beitrag ist in der PAGE 01.2021 erschienen, die Sie im Zuge Ihres P+-Abonnements hier kostenfrei runterladen können.