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Schnittveredelung: Spannende Gestaltungsmöglichkeiten mit Schnittkanten

Die Schnittkanten eines Buchs, eines Magazins oder einer Karte bieten vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten – mit Farbe, Folie, Schrift oder Mustern. Wir zeigen inspirierende Beispiele und erklären den technischen Hintergrund

Erst mal schleifen: Mit seiner Berliner Druckmanufaktur Volle Kante hat sich Lars-Peter Leu auf hochwertige Visitenkarten und Veredelungen spezialisiert. Hier schleift er die in Stapel geschnit­tenen Karten als Vor­be­reitung auf den Folienschnitt.

Neu ist die Schnittveredelung nicht, im Gegenteil: Schon vor Jahrhunderten verzierte man die Kan­ten besonders wertvoller Bücher – vor allem zum Schutz vor Verschmutzungen. Heute kommt diese Technik hauptsächlich bei Visitenkarten, Notizheften, Einladungen und Büchern zum Einsatz, wobei der ästhetische Aspekt klar im Vordergrund steht. Ganz günstig ist diese Art der Veredelung allerdings nicht, sicherlich auch, weil der manuelle Anteil nach wie vor hoch ist. Für eine Visitenkarte kann ein Farb­schnitt durchaus um einen Euro pro Exemplar kos­ten. Dieser Stückpreis geht bei mehreren Hunderten oder gar Tausenden Karten aber deutlich nach unten. Natürlich haben auch Materialstärke und Format Einfluss auf die Kosten.

»Mit Colour Edging lassen sich auf dezente Art ­be­­eindruckende Akzente schaffen«, sagt Carol Hoff­meister, Geschäftsführerin der Hamburger Bran­­ding­­­agen­tur Monoki. »Zudem lässt es sich hervorragend mit anderen Veredelungen und Druckverfahren kombinieren, ohne dass das Ergebnis überladen wirkt.« Die Visitenkarten der Monoki-Mitarbeiter etwa bestehen aus 1 Millimeter starkem Gmund Cotton – einem Papier aus reiner Baumwolle –, das mit Letterpress und Offset bedruckt und mit einem Farbschnitt versehen wurde.

Gut kombiniert: Ein gelungener Mix aus leuchtend rotem Farbschnitt, Letterpress und schöner Typo sind die Visitenkarten der Agentur Monoki.

Schnittveredelungen: Matt mit Farbe, glänzend mit Folie

Schnittveredelungen lassen sich entweder direkt mit Farbe oder mit Folie umsetzen. Farbe steht für Vielfalt: Pantone- und HKS-Töne sind ebenso möglich wie Neon- oder Tagesleuchtfarben oder auch Verläufe. Der Auftrag der von den Druckereien in der Regel selbst angemischten Farbe – Druckfarben eig­nen sich aufgrund ihrer Konsistenz nicht – auf die Kanten des Papiers erfolgt dabei meist manuell mit Sprühpistole, Walze, Pinsel oder Schwamm.

 

Schön mit Schwarz: Bei den Visitenkarten für das Architekturbüro Bau Werk entschied sich Lars-Peter Leu von Volle Kante für eine Folie, die auf schwarzem Papier hundertprozentig deckt. Auf der Vorder­seite der Karten findet sich eine Heißfolien­prägung.

»Die Verarbeitung mit Schwamm oder Pinsel ist einfach und damit eher etwas für Semiprofis, das Resultat überzeugt aber nicht: Durch den hohen Auftrag läuft die Farbe gerne ins Papier«, erklärt Lars-Peter Leu, Inhaber der Berliner Druckmanufaktur Volle Kante, die sich auf hochwertige Visitenkarten, Schnitt­veredelungen und Prägungen spezialisiert hat. Er selbst arbeitet mit einer Lackierpistole. Bevor er die Kanten besprüht, presst er die Karten in Stapel und schleift sie noch. »So ist das Ergebnis viel genauer und sauberer, denn durch das Schleifen und den geringen Auftrag läuft keine Farbe ins Material.« In Buchbindereien, die große Auflagen von Büchern mit einem Farbschnitt versehen, wird die Farbe zumeist mit einem Walzensystem aufgebracht und un­ter UV-Licht ausgehärtet. So lässt sich der veredelte Buchblock sofort weiterverarbeiten.

Für Stars: Metallisch rot glänzt der Folienschnitt auf den von U&MI gestalteten Visitenkarten, die Volle Kante für die Buchungsplattform Synchron-Star.de produzierte.

 

Aber: Ein Farbschnitt ist immer matt. Wer es lieber glänzend möchte, muss Folie wählen. Hier über­trägt man die Transferschicht der Prägefolien mit einer heißen Walze auf den zusammengepressten Schnitt. Die Folie sorgt nicht nur für einen beson­deren Blickfang, sondern schützt auch vor Ver­schmut­zungen. Für farbige und vor allem dunkle Pa­pie­re ist der Folienschnitt ebenfalls ideal, weil er hundertprozentig deckt. Bei einem Farbschnitt müsste man sie zuvor mit Weiß grundieren. Allerdings ist die Auswahl der Folienfarben begrenzt. Zwar kann man neben Gold, Silber und Kupfer auch aus verschiedenen anderen metallisch glänzenden Blau-, Grün- oder Rottönen sowie Neonfarben und auch matten Tönen wählen – doch spezielle Corporate-Design-Farben lassen sich nicht realisieren.

Individuell: Jedem Mitarbeiter seine Farbe. Hinsichtlich der Auswahl der Töne lässt der von Letterjazz umgesetzte Farbschnitt keine Wünsche offen. Die Finger streichen gerne über den im Letterpress gedruckten Namen.

»Der Folienschnitt besteht aus mehr Arbeitsgängen als der Farbschnitt, ist also aufwendiger und damit auch etwas teurer«, sagt Sven Winterstein, der mit seinem Letterjazz Print-Studio in Essen seit mehr als zehn Jahren Letterpress und Schnittveredelun­gen anfertigt. »Er wirkt allerdings auch etwas exklusiver. Was bestimmt auch daran liegt, dass man ihn nicht ganz so oft sieht. Farbschnitt läuft bei uns täglich, Folienschnitt eher einmal die Woche.«

Rundherum: Für die Kölner Agentur Belle Epoque fertigte Letterjazz ein Notizbuch, bei dem der Farbschnitt nur auf der Kante von Cover, Rücken und Rückseite aufgetragen wurde. Dezent und durch die Leuchtfarbe trotzdem auffällig.

Hinsichtlich der Umweltverträglichkeit schneidet der Farbschnitt zwar besser ab – eine Umweltsün­de ist der Folienschnitt aber auch nicht. Die Folienmengen bei ­einer Kantenveredelung sind sehr überschau­bar. Zudem stellen die extrem dünnen, aufs Papier übertragenen Farb- oder Aluminiumschichten kein Hindernis fürs Papierrecycling dar. Der Prägefolien­hersteller Leonhard Kurz aus Fürth geht aber noch einen Schritt weiter: Kürzlich hat er damit begonnen, die PET-Reststoffe der Folie bei seinen Kunden einzusammeln und sie in einer eigenen Recyclinganlage zu einem Spritzgusswerkstoff für industrielle Anwendungen umzuwandeln.

Mit Verlauf: Für die Einladungskarten der Red Bull Fashion Week amit einem Farbverlauf – ein echter Hingucker.

Dream-Team Letterpress und Farbschnitt

Wer Augen und Fingern gleichermaßen einen Ge­fal­len tun will, kombiniert seinen Farbschnitt mit ei­nem Naturpapier und Buchdruck. »Im Letterpress kommen normalerweise voluminöse Naturpapiere, Pap­pen oder Bierfilz zur Anwendung – also Mate­rialien, in die man tief hineinprägen kann. Da man durch die Stärke des Papiers dann auch wirklich eine Kante hat, drängt sich ein Farbschnitt quasi auf«, so Sven Winterstein. Grundsätzlich geht dies zwar auch mit gestrichenen Papieren, jedoch sollte man hier auf jeden Fall einen Test machen. »Schwierigkeiten treten insbesondere bei zellophanierten, also folienkaschierten Materialien auf – insofern ist eine ungestrichene Kartonqualität die unproblematischste Wahl.« Für beschichtete und lackierte Papiere ist der UV-Farbschnitt besser geeignet, weil die Farbe bei ihm sofort trocknet.

Do it yourself: Die Wolf-Manufaktur bietet Blanko-Visitenkarten aus dem Kraftkarton Cruddy Cowboy in 420 Gramm mit Farbschnitt in Schwarz, Weiß, Mintgrün oder Leuchtrot an. Bedrucken kann man sie selbst mit einem Stempel. 50 Stück gibt’s für knapp 20 Euro, in Leuchtrot für circa 30 Euro.

In puncto Material gilt: je dünner, desto dezen­ter. »Bei 250 Gramm sollte es eigentlich schon eine Leuchtfarbe oder wenigstens ein sehr starker Kontrast sein, damit man den Farbschnitt überhaupt wahrnimmt, 300 bis 400 Gramm sind sinnvoller.« Ab und an fertigt Letterjazz auch 1000 Gramm star­ke Karten, dann muss man allerdings aufpassen, dass der Farbschnitt nicht aufdringlich wirkt. »Bei superdickem Material ab 2 Millimeter Stärke bieten wir an, im Siebdruck Text oder auch eine Illustra­tion auf die Schnittkante zu drucken, da können tolle Effekte entstehen«, so Sven Winterstein.

Blau-weiß: Mit dem Motivfarbschnitt der Druckerei F&W lassen sich Kanten exakt und vierfarbig mit Mustern oder Schrift bedrucken. Das Buch »Die Wächter des Reinheitsgebotes« macht so auf einen Blick klar, dass sich hier alles um Bayern dreht.

Nicht im Siebdruck, sondern in einem Akzidenz­druckverfahren erfolgt der Motivfarbschnitt, den et­wa die Druckerei F&W aus Kienberg anbietet. Hier lassen sich Kanten mit Mustern oder Schrift sehr ex­akt und vierfarbig bedrucken. Günstig ist das allerdings nicht, 1,50 Euro extra pro Stück kostet es mindestens. Deutlich günstiger ist der 3D-Farbschnitt von F&W, der eigentlich kein richtiger Farbschnitt ist, weil er nicht nachträglich aufgetragen, sondern mitgedruckt wird.

Messerscharf: Der silberne Farbschnitt sieht fast aus wie scharfkantiges Metall. Damit passt er perfekt zum Titel des Bildbands »Falling on Blades« des Fotografen Mihai Barabancea.

Vorsicht sollte man walten lassen, wenn das Material nicht mit der Schneidemaschine geschnitten, sondern ge­stanzt werden soll – etwa weil man eine ­besondere Kontur haben möchte. »Wenn wir die Außenkontur einer Karte stanzen, statt zu schneiden, ist die Papierkante durch das Stanzwerkzeug an der einen Sei­te etwas abgeflacht«, berichtet Sven Winterstein. »Das hat dann zur Folge, dass durch den Farbauftrag ein sichtba­rer, meist unerwünschter Farbsaum im Randbereich erscheint.«

Umlaufend: Bei dem Motivschnitt ist der Buchblock Teil der Gestaltung. Hersteller brandbook druckte auf dem Notizbuch seiner Kollektion nuuna in drei Durchgängen mit einer eigens entwickelten Maschine.

Wahl des Farbschnitts: Ton in Ton oder viel Kontrast?

Ob knallbunt oder eher dezent – die Wahl des Farbschnitts hängt in erster Linie vom Projekt ab. »Es muss sowohl zum Kunden, zu seinen Produkten als auch zum jeweiligen Printmedium passen – bei ei­nem Flyer wäre ein Colour Edging sicherlich vergeudet. Und auch der Bedruckstoff sollte auf dieses abgestimmt sein«, sagt Monoki-Geschäftsführerin Carol Hoffmeister. Entsprechend planen die Desi­g­ner Veredelung und Papierauswahl immer zusammen und in Abstimmung mit der Produktion.

Das aktuelle, von der Künstlerin Marija Mandic entworfene nuuna-Buch dagegen hat das Typomotiv »nur« auf der Schnittkante.

Da Monoki sehr viele Printprojekte realisiert, gibt es in den Agenturräumen eine Vielzahl unterschiedlichster Muster – das macht es für den Kunden leich­ter, eine Entscheidung zu treffen. Und was mögen die Kreativen lieber, Farb- oder Folienschnitt? »Die Präferenz ist wahrscheinlich bei jedem von uns eine andere«, antwortet Carol Hoffmeister. »Der Folienschnitt ist unschlagbar hinsichtlich Glanz und Präzision, der Farbschnitt hinsichtlich Farbauswahl und Flexibilität. Letzteres macht diesen ganz klar zu mei­nem Favoriten.« Und ihre Visitenkarte beweist, dass es gerne auch mal knallig sein darf.

Farbschnitt mitdrucken

Bei ihrer Vice-versa-Ausgabe »men & women« nutzte die Zeitschrift »novum« die Schnittkante für zwei unterschiedliche Botschaften

Bei den »novum«-Mitarbeitern hieß er liebevoll »Fake-Farbschnitt«, die Druckerei F&W nennt ihn »3D-Farbschnitt«, weil er erst beim Blättern in ei­nem Bu­ch oder Magazin zur Geltung kommt. Tatsächlich ist es aber gar kein richtiges Colour Edging, denn die Farbe beziehungsweise das Motiv wird nicht nachträglich aufgetragen, sondern mitgedruckt. »Für un­sere inhaltlich zweigeteilt angelegte ›men & women‹-Ausgabe passte ein solcher Farbschnitt, der von zwei Seiten funktioniert, wunderbar«, erklärt »novum«-Chefredakteurin Christine Moosmann. Blättert man das Heft in der Art eines Daumenkinos vom Frauen-Cover her, kann man an der Schnittkante »There is nothing complicated about equality« lesen – dreht man es und beginnt von der Männerseite, steht dort »Define yourself or others will define you«.

Was sich kompliziert anhört, ist technisch simpel: »Man legt in InDesign das Motiv genau in der Höhe an, die die aufgefächerte Schnittkante nachher haben soll«, sagt Christine Moosmann. Anhand die­ser Datei berechnet die Druckerei F&W dann mit­hilfe einer eigens entwickelten Software, welcher An­teil des Motivs auf den Seiten Platz finden muss. Das Motiv wird dann von F&W entsprechend auf­geteilt und passgenau in den Druckdaten platziert. Auf diese Weise kann die Druckmaschine den »Farbschnitt« mit den ganz normalen Seiten des Magazins mitdrucken. Will man in ihm wie im Fall von ­»novum« von beiden Seiten blättern können, muss man die Vorder- und die Rückseite bedrucken. Im Digitaldruck sind die Ergebnisse exakter als im Offsetdruck, weil man dort nicht mit Bogen, sondern mit Einzelseiten arbeitet.

Der große Vorteil dieses Verfahrens: Es ist güns­tig, da man es quasi kostenlos mitproduzieren kann. Der Nachteil: Man muss ein entsprechend langes und niedriges Motiv finden. Zudem muss man sich darüber im Klaren sein, dass auf jeder Buch- oder Magazinseite ein Balken am Rand auftaucht.

Artikel zum Thema Druckveredelung und Papierwahl

  • Umweltfreundlich veredeln. Welche tollen Möglichkeiten es gibt, zeigt unser Ratgeber aus der PAGE 02.18 an einer Vielzahl von Beispielen
  • Step by Step zur Druckveredelung. Wie man Veredelungen gestalterisch vorbereitet und sicher umsetzt.
  • Welches Papier für welchen Zweck? Worauf Sie bei der Materialwahl für Ihre Printprojekte achten müssen, erfahren Sie in PAGE 01.19 ↗ www.page-online.de/PEPA1901

Dieser Beitrag ist in der PAGE 01.2021 erschienen, die Sie im Zuge Ihres P+-Abonnements hier kostenfrei runterladen können.

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