Künstliche Intelligenz kann Bilder erkennen und sie beschreiben. Aber erkennt sie auch sich selbst? Gibt es ein digitales Selbstbewusstsein? »Narciss« von Waltz Binaire testet es aus …
Hat künstliche Intelligenz ein Selbstbewusstsein? Dieser Frage geht das Berliner Studio Waltz Binaire in einer experimentellen Installation nach. Darin betrachtet sich ein Computer ohne Hülle in einem Spiegel und beschreibt, was er sieht. Sein Name: Narciss.
Die Fähigkeit zum Selbstbewusstsein unterscheidet den Menschen von anderen Lebewesen – mit diesem grundlegenden Argument rechtfertigen wir unsere Überlegenheit gegenüber der Natur sowie unseren Umgang mit (Nutz-)Tieren. Es scheint auch eine der letzten Bastionen zu sein, die künstliche Intelligenz niemals einnehmen wird – denken wir zumindest.
Narciss scheint diese Annahme zu unterstreichen. Dadurch, dass seine Kamera sich ständig bewegt, rein- und rauszoomt und so den gesamten Rechner visuell abtastet, sieht er ständig neue Perspektiven auf sich selbst, die er mal ganz präzise (»ein Computer auf einem Tisch«), mal lyrisch-naiv (»eine Stadt bei Nacht«) beschreibt. Der menschliche Betrachter steht außen vor und agiert nur als Beobachter des Computers, dessen »Gedanken« er auf einem Monitor auf der Rückseite des Rechners sehen kann.
Insgesamt spuckt Narciss – dessen Bilderkennungs-Algorithmus auf Google Tensorflow beruht – 2000 Spekulationen aus. »Das bin ich« gehört nicht dazu. Das beruhigt den menschlichen Betrachter. Und dennoch bleibt die mulmige Frage: Wie lange noch?
Dem Projekt gingen zwei Jahre Forschung und Entwicklung voraus. Unter anderem betrachtete das Team um Creative Director Christian Mio Loclair verschiedene Bereiche der menschlichen Wahrnehmung und wie man sie mit Bild-Text-Erkennungs-Algorithmen neu interpretieren kann. In dieser Phase unterzog es den Computer auch dem Rorschach Test – mit dem interessanten Ergebnis, dass einige Beschreibungen mit bis zu 83% Wahrscheinkeit auf eine psychologische Krankheit hinwiesen.