Wo soll’s hingehen? Nicht nur kurzfristig reagieren, sondern künftige Entwicklungen in Wirtschaft, Technologie und Gesellschaft und aktiv mitgestalten! Wir stellen die Designmethoden an konkreten Projekten vor
Zugegeben: Zukünfte zu gestalten klingt etwas hochtrabend. Doch das neue Geschäftsfeld Futures Design ist alles andere als Spinnerei. Es holt den Ansatz des Speculative Designs aus der akademisch-künstlerischen Nische heraus, erweitert ihn und macht ihn für Unternehmen und Politik anwendbar. Die letzten drei Jahre haben gezeigt, wie wichtig es ist, auf verschiedene Zukunftsszenarien vorbereitet zu sein – leider vor allem dadurch, dass es kaum jemand war. Dabei bezeichnet die UNESCO »future literacy« als essenzielle Kompetenz für das 21. Jahrhundert – die Fähigkeit, sich verschiedene Zukünfte vorzustellen, darüber zu diskutieren und sich auf sie einzustellen.
Was das mit Design zu tun hat? Es trifft dessen Kern, denn bei Design geht es immer darum, sich eine Zukunft vorzustellen und dafür zu gestalten. Auch wenn man es meist mit recht kurzfristigen Bedürfnissen und Zeitfenstern zu tun hat. Futures Design blickt weiter nach vorne, betrachtet langfristig direkte und indirekte Konsequenzen und entwickelt auf wissenschaftlicher Grundlage mögliche (wünschenswerte) Szenarien, macht sie greifbar und emotional erlebbar. Das geschieht etwa durch fiktive Artefakte, Storytelling via Text, Audio und Video, physische Modelle und Prototypen sowie mithilfe von räumlichen Installationen.
Was bedeutet Futures Design?
Klingt nach Speculative Design? Das ist es im Grunde auch – aber noch mehr. Tatsächlich überlappen sich hier mehrere Begriffe, ergänzen einander oder meinen schlicht dasselbe: Critical Design, Speculative Design, Design Fiction, Strategic Foresight, Futures Design, Design Futuring und so weiter. Ohne sich allzu tief in die Begriffsdiskussion einzulassen, hier eine kurze Einordnung:
- Strategic Foresight versucht in erster Linie, kommerzielle Produkte und Services zu antizipieren, die das Überleben eines Unternehmens sichern.
- Critical Design zeigt problematische Entwicklungen in Technologie und Gesellschaft auf.
- Speculative Design entwirft mögliche Zukunftsbilder und macht sie greif- und verhandelbar, meist in einem akademischen oder künstlerischen Kontext.
- Futures Design beschäftigt sich zusätzlich damit, wie sich wünschenswerte Zukünfte erreichen lassen, sowohl kommerziell als auch gesellschaftlich. Alle genannten Disziplinen verwenden ähnliche Herangehensweisen, Prozesse und Methoden.
So viel zur Theorie. Wir wollen uns nun auf praktische Anwendungsfelder in Agenturen, Unternehmen und Hochschulen konzentrieren. Da wären der akademisch-künstlerisch positionierte SpecSpace an der HAW Hamburg, in dem Torben Körschkes über Formen von Gemeinschaft spekuliert, das äußerst praxisorientierte dänische Studio Bespoke, die Hamburger Innovationsagentur Indeed, die sich mit Speculative Design intern weiterbildet, und ein Projekt von Studentinnen der HfG Schwäbisch Gmünd, das ein neues Bundesministerium erfindet und auf dem Design-Futuring-Prozess basiert, den Benedikt Groß und Eileen Mandir in ihrem neuen Buch darlegen (Interview weiter unten)
So viel ist klar: An vielen Stellen in Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Politik wird heute über die Zukunft nachgedacht, gestritten und nach den richtigen Strategien gesucht. Designerinnen und Designer sollten dieses Feld nicht der Zukunftsforschung und Unternehmensberatung überlassen. Ihr könnt mit euren Skills dazu beitragen, dass bessere Entscheidungen getroffen werden – und so zu einer für alle wünschenswerten Zukunft!