Noch bis zum 14. März 2010 gibt es im Frankfurter DAM, dem Deutschen Architekturmuseum, eine bemerkenswerte Ausstellung zu sehen: Fernsehtürme — 8.559 Meter Politik und Architektur befasst sich nicht etwa mit den technischen Details der Funk- und Fernsehtürme dieser Welt, und auch nicht mit ihren rekordbrechenden Höhen. Sondern, so das Konzept der Kuratoren Friedrich von Borries, Matthias Böttger und Floran Heilmeyer von raumtaktik aus Berlin, bei der Ausstellung liegt das Augenmerk auf der Alltagsadaption der Bewohner in den jeweiligen Städten. Sprich, wie sie die Türme liebevoll auf Souvenirs verewigen. Raumtaktik hat unter anderem den deutschen Beitrag zur XI. Internationalen Architekturbiennale in Venedig 2008 kuratiert oder die Ausstellungsarchitektur für die letztjährige Transmediale in Berlin entworfen. Und auch für die 25 ausgestellten Fernsehtürme entwickelten sie ein cleveres Ausstellungsdesign, deren grafische Elemente sich auch im ansprechend gestalteten Katalog wiederfinden. PAGE sprach mit Florian Heilmeyer über Konzeption und Design der Ausstellung:
© Uwe Dettmar
Erstmal, um was geht es bei Fernsehtürme — 8.559 Meter Politik und Architektur übergeordnet?
Das ist eine Kulturausstellung, die die politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge zeigt, aus denen Architektur entsteht. Dabei geht es um die Rahmenbedingungen für das Entstehen von Architektur. Die Ausstellung wie der Katalog zielen darauf, dass man den Fernsehtürme nicht mit ihrer Gestalt die volle Aufmerksamkeit schenkt. Sondern es geht darum, aus welchem Motive heraus sie entstanden sind: Meistens sind es Symbolgebäude für die wirtschaftlichen Bestrebungen einer Stadt, eines Staates. Die andere ist die Adaptionsgeschichte: Was haben die Leute in den Städten aus den Gebäuden gemacht, die so dominant werden. Da geht es um die Souvenirs. Wir fanden es faszinierend, was für Produkte dabei herauskommen und wie sehr sich die Einwohner mit den Symbolen ihrer Stadt auseinandersetzen und adaptieren – von der Wäscheklammer, über die Klobürste, zur Pfeffermühle, zum Ohrenreiniger, bis hin zum Radio spielen diese Souvenirs mit der Form und Gestalt der Türme jenseits einer originalgetreuen Reproduktion.
© Uwe Dettmar
© Benjamin Kasten
Erklären Sie uns das bitte genauer!
Das Interessante an diesen Türmen ist, was mit ihnen bei einem Systemwechsel passiert. Als futuristische Fortschrittssymbole haben es die Türme immer geschafft, diese Wechsel zu überstehen, ohne selbst ihre Farbe zu ändern. So geschehen bei Moskau, Usbekistan, oder Kairo. Unsere These ist nun, dass es ein Sieg der Alltagsadaption ist, wenn etwa der Berliner Turm heute ein selbstverständliches Symbol des vereinigten Berlins ist. Denn diesem Gebäude ist nicht mit seiner Präsenz als Gebäude, sondern mit seiner Präsenz als Souvenir eine so tiefe Verankerung in der Stadt gelungen.
© Uwe Dettmar
Und was können Sie uns über die Adaption in die Alltagskultur sagen?
Die Interpretation dieser Objekte spielt immer explizit mit der technischen Fortschrittlichkeit des Gebäudes – der Fernsehtechnologie. Andererseits werden immer Traditionen der jeweiligen Region mit hinein geblendet. Explizit ist das bei Usbekistan und Brasilia zu sehen. In Usbekistan entstanden Gemälde des Turms auf Holzrahmen eingespannte Felle, die auf alte usbekische Nomadentradition zurückgreifen. Brasilia hingegen hat keine besonders lange Tradition, jedoch ist die Urwaldregion für seine Edelsteinverarbeitung bekannt. Daher gibt es verschiedene Turmskulpturen, die aus Edelstein gehauen sind. Das macht eigentlich keinen Sinn, denn der Turm selbst ist eine fragile Antennenmastkonstruktion aus Stahl und angelehnt an den Pariser Eiffelturm oder den Tokyo Tower.
© Benjamin Kasten
Spiegelt sich der Souvenirgedanke auch bei der Umsetzung des Ausstellungsdesigns wieder?
Anfänglich wollten wie die Souvenir-Türme in Setzkästen darstellen, ähnlich wie ein Sammler seine Objekte aufbewahren würde. Dann kombinierten wir die Setzkastenidee mit der vorhandenen Architektur im DAM von Oswald Mathias Ungers, der in diesen Altbau sein Haus-im-Haus-Konzept umgesetzt hat. Durch alle Etagen des Hauses läuft eine offene, weiße Trägerstruktur mit Säulen. Wir wollten daran anknüpfen und den dreiseitig geschlossenen Raum weiter entwickeln. Der Raum sollte zum einen weiß bleiben, damit die bunten Objekte besser hervortreten. Andererseits sollte die Struktur auffallen, damit die Besucher an manchen Stellen darüber stolpern und die Einbauten erkennen. Das passiert auf den Außenseiten der ‚Schatzkammer’, die sich stark nach innen öffnet. In der Mitte von dieser befindet sich ein Tisch mit 250 Objekten auf Drehtellern. Nach außen sind diese drei Wände relativ stark geschlossen. Dadurch tritt die gestapelte Struktur der Styroporwand noch hervor. Das haben wir vor Ort mit einem Theatereffekt verstärkt, in dem wir innen Frontallicht gesetzt haben. Damit fällt das Licht direkt auf die Wand und minimiert damit die Schatten einerseits, andererseits betont es die Objekte stark.
© Benjamin Kasten
Gegenüber der Setzkästen finden sich die Türme aber auch in anderer Form wieder – als Silhouetten. Wie war da das Konzept?
Zusammen mit Laszlo Toffel erarbeiteten wir das grafische Konzept sowohl für den Katalog als auch für die Ausstellung. In der Ausstellung gibt es außen herum an der Wand eine Fototapete mit Bildern der 25 Turmsilhouetten, angelegt in chronologischer Reihenfolge mit ihren Funkstrahlen als grafische Elemente. Im Katalog senden die Türme ihre Funkstrahlen vom Inhaltsverzeichnis aus. Dabei ist Strahlung aus technischer wie aus übertragener Bedeutung zu verstehen, da sie sich gegenseitig überstrahlen wollen. In der Ausstellung werden deshalb die Silhouetten der Türme von den anderen zerschnitten.
Wir bedanken uns für das Gespräch!