ie 22. Ausgabe des Magazins »Boxhorn« der FH Aachen wurde mit dem »red dot: best of the best« Award prämiert. Im Interview mit einem der Gestalter zeigt sich, warum.
»Boxhorn« heißt das Studierendenmagazin des Fachbereichs Gestaltung der FH Aachen. Ausgabe 22 ist eine Semesterarbeit von fünf Aachener Studenten: Markus Lingemann, Sebastian Berns, Ole Gehling, Cuong Le und Sascha Wahlbrink haben »BX22« kreiert und wurden dafür im Designwettbewerb »red dot award: communication design« in der Kategorie »best of the best« ausgezeichnet.
Unter fast 6.500 Einreichungen wählte die Jury 80 Arbeiten für den »best of the best« Award aus. »BX22 – Über Zeitreisen« gehört dazu und wird am 7. Oktober 2011 auf der Preisverleihung im Berliner Konzerthaus geehrt.
Das Magazin entstand unter der Betreuung von Professor Klaus Mohr im Sommersemester 2010. Es versetzt den Leser ins Jahr 2257: da die repressive Regierung journalistische Texte im Internet zensiert, geht eine Gruppe von Journalisten offline und nutzt das alte Medium der Zeitschrift.
Wir sprachen mit dem Bachelorabsolventen Markus Lingemann über die Idee hinter dem Magazin, das ungewöhnliche Format und Herausforderungen im Kreationsprozess. In der nachfolgenden Galerie geben wir einen visuellen Einblick ins Projekt.
PAGE: Wieso das Motto – »Über Zeitreisen«?
Markus Lingemann: Ein »Motto« ist oft austauschbar. Wir wollten keine blabla-Überschrift, unter der sich dann doch wieder alles Mögliche subsumieren lässt, ob es nun zum Thema passt oder nicht. Wir wollten auch nicht das hunderttausendste Designmagazin machen, in dem Designer für Designer über Design berichten.
Weil wir keine Journalisten sind, haben wir nicht nur recherchiert, sondern vor allem unsere Fantasie benutzt um eine experimentelle Alternativform des Mediums »Magazin« zu entwickeln.
Dabei ist eine Art Hybrid aus Dokumentation und Märchen entstanden, in dem reale künstlerische Inhalte durch einen fiktiven Kontext miteinander verwoben wurden. Das Magazin »spielt« in einer fernen Zukunft, in der die Zeitreise bereits erfunden aber direkt wieder verboten wurde. »BX22 – Über Zeitreisen« bietet denen ein Forum, die dennoch illegale Zeitsprünge wagen und publiziert ihre Erfahrungen in Wort und Bild.
Warum beamt uns das Magazin ausgerechnet ins Jahr 2257?
Das »Heimatjahr« der BX22 sollte zwar deutlich in der Zukunft liegen, dem Leser aber auch die Möglichkeit bieten, sich mit den Protagonisten und ihren Geschichten zu identifizieren. Einzelne Zeitsprünge reichen zwar bis an das Jahr 10.000 heran, aber die zeitliche Verortung der Redaktion bleibt mit 250 Jahren Vorsprung noch vorstellbar.
Das Format von »BX22« ist mit 9 mal 12 cm für ein Magazin sehr unüblich und daraus resultieren ein ebenso ungewöhnlicher Umfang und ganz bestimmte Bedingungen für das Layout … Was war Ihre Idee hinter der Gestaltung?
In erster Linie folgt das Format der Story. 2257 funktioniert die gesamte Kommunikation elektronisch, Printmedien sind verboten, weil bei ihnen die Online-Zensur nicht greift. Produzenten und Konsumenten von gedruckter Information müssen daher vorsichtig sein, weshalb das Magazin im konspirativen Miniformat erscheint.
Gleichzeitig ist das Format Ausdruck des experimentellen Charakters dieses Projektes. Wir wollten unsere Freiheit von Marktzwängen ausgiebig nutzen und bewusst gegen den Strom schwimmen. Unser »Inspirationsschrank« war vollgestopft mit wunderschönen Kunst- und Lifestylemagazinen im Überformat, aber den ersten Reflex zu überwinden, gegen die eigenen Gewohnheiten zu arbeiten, war uns wichtig. Außerdem war es spannend, mit dem Layout auf ein so winziges Format zu reagieren. Das hat neue Fragen aufgeworfen und zu ungewöhnlichen Lösungen geführt.
Mich persönlich spricht das kleine »Büchlein« sehr an – aber wären die Fotografien, Illustrationen und Grafikdesigns auf einem größeren Format nicht besser zur Geltung gekommen?
Das hören wir oft, und natürlich wirkt ein Bild auf A3 zunächst beeindruckender als im Hosentaschenformat. Die Fragestellung bei diesem Projekt war aber nicht, wie wir eine optimale Präsentationsfläche für Fotos schaffen, sondern wie wir den Begriff und die Form des Magazins ausdehnen, erweitern, verändern können – auch jenseits von einer iPad-App. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir nur dann auf zu kleine Seiten angesprochen werden, wenn jemand das Heft kurz im Daumenkino-Verfahren durchblättert. Wer sich wirklich damit beschäftigt und BX22 als Ganzes liest, dem fallen die fehlenden Zentimeter meistens gar nicht mehr auf.
Wie genau lief der Kreationsprozess der aktuellen Ausgabe ab?
Wir haben zuerst das Medium »Magazin« von allen Seiten beleuchtet, Strukturen analysiert und daraus dann viele unterschiedliche Ansätze entwickelt. Der größte Teil des kreativen Prozesses bestand in der Diskussion.
Nachdem die Rahmenbedingungen abgesteckt waren sind wir auf die Suche nach passenden Inhalten gegangen. Spannende Projekte haben wir z.B. in Dänemark, Korea, Rumänien, den Niederlanden aber auch an der eigenen Hochschule gefunden. Parallel dazu haben wir selbst an Projekten zum Thema Zukunft und Zeitreise gearbeitet. Jedes Projekt wurde zeitlich verortet und mit einer eigenen futuristischen Story verbunden. Gestaltung und Layout haben sich während der ganzen Zeit am Inhalt entlang entwickelt.
Welche Arbeitsgruppen gab es im Team?
Mit einem Team von fünf Studenten waren wir verantwortlich für Konzeption, Redaktion, Gestaltung und Produktion bis hin zum Vertrieb.
Feste Arbeitsgruppen gab es nicht. Wir haben parallel recherchiert, gestaltet, geschrieben und entworfen, dann über alles diskutiert und im Team entschieden.
7. 288 Seiten sind ganz schön stattlich für ein Magazin. Wie lange haben Sie bzw. das gesamte Team daran gearbeitet?
Das erste Mal getroffen haben wir uns im Februar 2010, Mitte Juli kam das fertige Büchlein aus der Druckerei. Die 5 Monate dazwischen haben wir fast ununterbrochen daran gearbeitet.
Welche Herausforderungen gab es bei der Kreation?
Die größte Herausforderung war die Freiheit. Wir hatten keinerlei thematische Vorgaben, keinen engstirnigen Kunden und keine statistisch errechnete Zielgruppe. In der Grenzenlosigkeit der Möglichkeiten konkrete Entscheidungen für das Eine und gegen das Andere zu treffen ohne dabei in Beliebigkeit abzudriften, das habe ich als große Herausforderung empfunden. Darüber hinaus war die demokratische Entscheidungsfindung in einem Team gleichberechtigter Designer nicht immer einfach, dafür aber umso fruchtbarer.
Was bedeutet die Auszeichnung mit dem Red Dot Award für Sie und das Team?
Die Auszeichnung »best of the best« freut uns bei diesem Projekt ganz besonders, weil hier offenbar das Gesamtkonzept honoriert wurde, und nicht ein cooles Cover oder eine schöne Doppelseite. Struktur und Konzept des Heftes erschließen sich nicht beim schnellen Durchblättern sondern erst wenn man etwas tiefer vordringt. Trotz dieses indirekten Zugangs wurde »BX22« von den Juroren als eine der besten Arbeiten ihrer Kategorie ausgezeichnet. Das heißt für uns, dass unsere Ideen verstanden wurden und gibt uns außerdem die Möglichkeit, etwas Aufmerksamkeit auf das Projekt »Boxhorn« an der FH Aachen zurückzulenken.
»BX22 – Über Zeitreisen«
Limitierte Auflage 1.000 Stück
3 variante Cover
288 Seiten
90×120 mm
Online hier zu bestellen.