Das Bauhaus-Jubiläumsjahr neigt sich dem Ende zu. Wir wollten von Gestaltern wissen, ob sie das Bauhaus, seine Ideen und seine Designpraxis noch für zeitgemäß halten
Vor 100 Jahren erklärte eine neue Kunstschule die akademische Ausbildung zum Auslaufmodell und schuf Vorbilder für die Kooperation zwischen Kunst und Handwerk – ein Grundstein zu dem, was später Design genannt wurde. Doch was geht uns das Bauhaus im Jahr 2019 noch an? Welche Rolle spielt es aktuell in der Gestaltung, und wie lassen sich seine Ideen weiterdenken? Darüber haben wir mit den Hamburger Designerinnen Silva Baum und Lea Sievertsen von notamuse und mit Annemarie Jaeggi, Direktorin des Bauhaus-Archivs in Berlin, gesprochen.
»Handlungen sind wichtiger als Worte«
Silva Baum (links) und Lea Sievertsen (Mitte), gemeinsam mit Claudia Scheer Gründerinnen des Grafikdesignkollektivs notamuse, Hamburg
Aus unserer Perspektive auf das Thema Gleichstellung können wir von der Leitung des Bauhauses besonders lernen, dass Handlungen wichtiger sind als Worte! Das Bauhaus wollte bei der Gründung in seiner Satzung keinen Unterschied in der Behandlung von Männern und Frauen machen. In der Praxis sah das allerdings schnell anders aus. Die leichte Mehrheit der Frauen unter den Studierenden störte die Meister schon bald, sodass sie beschlossen, bei weiblichen Studierenden eine »scharfe Aussonderung« vorzunehmen, und der Anteil an Studentinnen zurückging. Frauen wurden vor allem in die Weberei verbannt, da das als ihr »natürliches« Schaffensfeld empfunden wurde. Heute würde sich vermutlich kaum ein Konferenzorganisator oder Hochschulrektor offen gegen Gleichberechtigung aussprechen, trotzdem sind Sprecher, Professoren und Agenturleitungen noch überwiegend männlich – diese Boys-Club-Strukturen, wie schon unter den Bauhaus-Meistern, sind noch genauso aktuell und, um sie aufzubrechen, bedarf es aktiver Taten.
Das Bauhaus bietet viele zeitlose Ansätze. Derzeit gibt es großes Interesse an einem Lebenskonzept, das von allem Überflüssigen entschlackt ist. Es geht um »Reduktion«, sich auf wenig, aber qualitativ und ästhetisch Anspruchsvolles zu konzentrieren, um zurück zum einfachen Leben und zur bewussten Wahrnehmung zu finden. Und um das Bewusstsein, sinnvoll und verantwortungsvoll mit Ressourcen umzugehen. In der wirtschaftlich sehr schwierigen Situation nach dem Ersten Weltkrieg mussten die Schüler am Bauhaus lernen, effektiv zu sein, das ihnen zur Verfügung stehende Arbeitsmaterial voll auszunutzen und überlegt vorzugehen. Was aus der Not geboren war, wurde zu einer Maxime, die in der heutigen, gänzlich anderen Zeit wieder Vorbild sein kann.
Was Kreative wie Mirko Borsche, Konstantin Grcic, Florian Pfeffer, Van-Bo Le Mentzel, Heike Schmidt von Sten Hema oder Boris Kochan über die Aktualität des Bauhauses denken, lesen Sie in PAGE 10.19.
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