Interface Design ist die konzeptionelle, visuelle und technische Gestaltung digitaler Schnittstellen und bietet ein breites Spektrum für Studium, Beruf und Forschung.
Mit wie vielen interaktiven Oberflächen kommen Sie täglich in Berührung? Nachrichten auf dem Smartphone checken, Arbeit am Computer, Ticket am Automaten lösen, Pizza online bestellen, Joggingroute tracken, Film auf dem Laptop schauen, zum Restaurant navigieren und so weiter. Und wie viele Programme, Websites und Apps haben Sie hierfür den ganzen Tag über genutzt? Viele? Sehr viele?
Dieses kleine Gedankenspiel zeigt, wie feinmaschig die Digitalisierung mittlerweile in unser Leben eingewoben ist, und erlaubt eine grobe Skizze der Tätigkeitsfelder des Interface Designers. Als konzeptioneller, visueller und technischer Entwickler digitaler Schnittstellen reicht sein Fokus allerdings über den unmittelbaren Anwendungsprozess durch den User hinaus. Denn auch, was davor, danach und nebenbei passiert – und warum es passiert –, ist von Interesse. Motivation, Intuition und Inspiration des Users sowie gesellschaftliche und technische Trends sind Faktoren, die die Erscheinung, die Funktion und die Bedienung des Interface zwangsläufig mit beeinflussen. Um den komplexen Anforderungen am Markt und den unterschiedlichen Bedürfnissen der User gerecht zu werden, benötigt die digitale Transformation inzwischen ein breit aufgestelltes Team an Experten, vom Planer bis zum Entwickler digitaler Systeme.
CUI & GUI: Am Anfang war der Computer
Die ersten Computergenerationen bediente man noch über reine Texteingabe am Monitor – sogenannte Character User Interfaces (CUI). Eingabe und Befehl zeilenbasiert, Nutzerführung unmissverständlich, Gestaltung nicht relevant. Mit der Einführung grafischer Oberflächen wurde die Bedienung komplexer und mehrdimensional. Die Interaktion folgte nicht mehr einem linearen Weg. Die Notwendigkeit, das Graphical User Interface (GUI) verständlich, einfach und attraktiv zu gestalten und an die Bedürfnisse der Benutzer anzupassen, bedingte die Etablierung des Interface Designers.
Interface Designer entwickeln digitale Benutzeroberflächen und gestalten Interaktionsprozesse mit Blick auf die Nutzungsqualität und die Attraktivität des Designs.
Ab den 1990er Jahren stieg mit der Verbreitung von computergestützter Arbeit und des World Wide Web auch der Bedarf an Designern und Entwicklern. Neben IT-Spezialisten waren das häufig noch Autodidakten und Quereinsteiger. Um die Jahrtausendwende zog die Disziplin sukzessive in Bildungseinrichtungen ein und wird heute an zahlreichen Designhochschulen gelehrt. Ursprünglich war der Fokus im Interface Design vorwiegend auf eine gute Usability gerichtet. Immerhin waren das Medium Computer, die Bedienung von Software und das Web für viele Anwender gänzlich neu. »Users hate change«, »Users don’t scroll« – die Paradigmen des Usability-Gurus Jakob Nielsen machten es dem Designer nicht immer leicht.
Was macht ein Interface Designer?
Doch wie sieht es heute aus? Der Interface Designer entwickelt digitale Benutzeroberflächen und gestaltet Interaktionsprozesse nach Aspekten wie Nutzungsqualität und Designattraktivität – so ähnlich formulierte es Jef Raskin, ehemaliger Chefdesigner bei Apple und Erfinder grundlegender Bedienfunktionen wie Drag-and-drop, schon vor Jahren. Inzwischen agieren Interface Designer in sich stetig wandelnden und wachsenden Anforderungsstrukturen und müssen einer heterogenen und anspruchsvollen Zielgruppe gerecht werden. Die Bedingungen sowie die Art der digitalen Interaktion nehmen immer wieder neue Formen an und erfordern ein ständiges Um- und Weiterdenken.
Die Revolution des Smartphones verdeutlicht das sehr gut. Aus der schlichten Notwendigkeit, die komplexen Inhalte einer Website auf das Minidisplay eines Handys zu transponieren, wurde eine Formel für Reduktion und ein Ideengenerator für neue Funktionen. Hinzu kam ein gänzlich neues Bedienkonzept via Touch und die Ästhetik des Flat- und Material Designs. Das Entscheidende an dieser Entwicklung aber war: Das Internet wurde mobil. Dies brachte wiederum neue Produkte, Anwendungen und Technologien hervor – wie Wearable Computing (Smartwatches, Activity Tracker et cetera), sprachgesteuerte Systeme (Siri, Alexa und Co) oder auch Augmented Reality.
Interface Designer: Planer, Entwickler, Stratege
Betrachtet man den Entwicklungsprozess einer interaktiven Anwendung, so verzahnen sich die originären Bereiche Konzeption, Design und Realisierung heute in kollaborativen Prozessen: Erste Designs werden bereits in einem frühen Stadium des Konzepts erstellt, oftmals wird parallel schon ein Prototyp programmiert. Die fertige Produktion wird frühzeitig als Betaversion gelauncht, um über »echte« User zu evaluieren. Das spart nicht nur Zeit und bringt gegebenenfalls einen Marktvorteil mit sich, sondern schafft auch Synergien. Agile Vorgehensweisen mit ihren iterativen Prozessen involvieren Projektbeteiligte (Designer, Entwickler, Kunde et cetera) in enger Zusammenarbeit. Dies wiederum ermöglicht – neben anderen Vorteilen – neue Lösungsansätze durch verschiedene Herangehensweisen und Perspektiven.
Entwicklungsprozesses im Interface Design: Darauf kommt es an
Im gesamten Prozess spannt der Interface Designer einen Bogen von der analytisch-strategischen Planung (Ziel, User, Struktur) über die didaktisch-konzeptionelle (Inhalt, Funktion, Aufbau) und die ergonomisch-visuelle Entwicklung (Bedienung, Design, Inszenierung) bis zur technischen Realisierung (Programmierung, Evaluierung, Optimierung). Dabei muss ein Interface Designer nicht immer programmieren können, doch ist ein technisches Grundverständnis bis hin zu fundierten Programmierkenntnissen mindestens von Vorteil. Dabei kann er je nach Projektgröße durchaus mehrere Rollen einnehmen. So benötigt ein One-Pager für den Fahrradladen nebenan weder ein großes Entwicklerteam noch komplexe Strukturen. Gefragt ist vielmehr eine unkomplizierte und unmittelbare Umsetzung, die im Budgetrahmen bleibt. An dieser Stelle ist die kleine Agentur oder der Freelancer interessanter, da sie neben der Planung und der Designentwicklung die Produktion im besten Fall auch gleich technisch umsetzen.
Entwicklungszyklus im Interface Design Abhängig von Projekt und Vorgehensweise sind die Phasen des Entwicklungsprozesses im Interface Design unterschiedlich ausgeprägt und überschneiden sich teilweise, etwa bei der agilen Entwicklung. Während des gesamten Prozesses sollte der künftige User im Zentrum stehen. Die drei Faktoren Nutzungsqualität, Designattraktivität und Bedienerlebnis dienen dabei als Messwerkzeuge und können zum Beispiel über Usability-Tests evaluiert werden. Jede Phase umfasst unterschiedliche Bereiche und Fachgebiete, die je nach Projektumfang von einer oder mehreren Personen oder Teams bearbeitet werden. Hierzu steht eine Vielzahl an Instrumenten zur Verfügung, von denen hier jeweils eines zur Verdeutlichung angeführt ist.
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Bei einem globalen Relaunch für einen Automobilhersteller sieht das anders aus. In diesem Fall wird der Interface Designer Teil eines größeren Projektteams innerhalb einer Agentur oder eines Unternehmens, und die inhaltliche und funktionale Größe, die Tiefe und Breite des Projekts erfordern eine mehrschichtige und parallele Herangehensweise. Womöglich läuft die Abwicklung sogar dezentral über diverse Standorte. Die Expertise des Interface Designers ist an verschiedenen Stellen gefragt. Vom Planer der Informationsarchitektur über den visuellen Entwickler der Interaktionsprozesse bis hin zum strategischen Kopf als Creative Director kann er unterschiedliche Funktionen ausfüllen.
Studium & Beruf: Interaction, Interface, UX oder Service Design?
Die akademische Ausbildung zum Interface Designer findet meist im Rahmen eines Designstudiums innerhalb der Studiengänge Kommunikationsdesign und Mediadesign statt. Einzelne Hochschulen bieten auch eine Spezialisierung oder eigene Studiengänge für Interface Design an. Den Abschluss als Bachelor beziehungsweise Master gibt es in Vollzeit- sowie in dualen und berufsbegleitenden Studiengängen. Die Verästelung in bestimmte Teilbereiche – Interaction Design, Interface Design, User Experience Design, Service Design et cetera – macht die Orientierung nicht gerade einfach. Eine klare Abgrenzung gelingt aufgrund der Verzahnung und Überschneidung der Lehrinhalte nur schwer. Hier lohnt sich ein Blick in den Lehrplan und auf die Modulinhalte der jeweiligen Institution. Oft geben auch die Abschlussarbeiten der Studenten Aufschluss über die jeweiligen Schwerpunkte.
Interface Designer agieren in sich stetig wandelnden und wachsenden Anforderungsstrukturen und müssen einer heterogenen und anspruchsvollen Zielgruppe gerecht werden.
Die Berufsmöglichkeiten und Karrierechancen als Interface Designer richten sich prinzipiell nach den individuellen Fähigkeiten, Begabungsmustern und persönlichen Zielen. Sieht man sich als Teammitglied einer Agentur oder eines Unternehmens mit der Aussicht, Teams und Projekte zu leiten? Oder doch lieber selbstständig als Freelancer in einem Netzwerk? Maren Müller-Bierbaum vom Karriereservice der Mediadesign Hochschule sieht attraktive Möglichkeiten nach dem Studium: »Knapp 90 Prozent aller an unserer Hochschule angezeigten Ausschreibungen für Designer enthalten als Anforderung Fähigkeiten und Kenntnisse in der Gestaltung und Realisierung digitaler Projekte in den Bereichen Web, App und Social Media oder für Messen und Points of Sale.«
Auch die Zahl der expliziten Anfragen nach Interface- oder User-Experience-Designern ist in den letzten zwei Jahren signifikant gestiegen. Und nicht nur Agenturen und Dienstleister fragen nach diesen Spezialisten, sondern immer öfter auch klassische und E-Commerce-Unternehmen. »Blickt man auf die Arbeitsmarktintegration der Media-Design-Absolventen seit der Jahrtausendwende, stellt man fest, dass ebenfalls annähernd 90 Prozent einen Beruf ausüben, der entweder einen Schwerpunkt im digitalen Designbereich hat oder bei dem zumindest ein Teil der täglichen Gestaltungsaufgaben im digitalen Bereich liegt«, so Müller-Bierbaum.
Interface Design: Arbeitsfelder in Forschung & Entwicklung
Interessant und vielversprechend ist der Ausblick im Bereich Forschung und Entwicklung. Das in Neurologie und Hirnforschung zum Einsatz kommende Elektroenzephalogramm (EEG) findet zum Beispiel in Form von Brain-Computing-Interfaces einen neuen Anwendungsbereich. Dabei werden elektrische Impulse des Gehirns in verwertbare Signale übersetzt, sodass das Interface sozusagen mittels Gedanken gesteuert wird. In der Praxis ermöglicht dieses Verfahren etwa gelähmten Patienten mit geschädigtem Sprachapparat, über die Audioausgabe eines Systems zu sprechen.
Der Fokus des Interface Designers reicht über den unmittelbaren Prozess der Anwendung hinaus.
Auch haptische oder tangible (greifbare) Interfaces sind mittlerweile möglich: So lässt sich das »Erfühlen« von Hologrammen durch einen per Ultraschall erzeugten Widerstand bereits realisieren. Und das inFORM-Projekt des MIT verdeutlicht mit einer anderen Methodik, wie dynamisch sich verändernde konkrete Oberflächen als zukünftige Form des Interface anmuten könnten.
Man sieht, der Wirkungskreis des Interface Designers hält ein breites Spektrum an Möglichkeiten für Studium, Beruf und Forschung bereit. Darüber hinaus dürfte der Bedarf an Experten weiterhin steigen. Laut einer Studie der Universität Oxford liegt das Risiko dieses Berufszweigs, durch künstliche Intelligenz ersetzt zu werden, bei gerade einmal 8 Prozent. Die Zeiten stehen gut.
Die Autoren
Frank Rief ist Dozent für Interface Design an der Medadesign Hochschule München sowie Geschäftsführender Gesellschafter von Rief Media Design. Markus Eggart ist Software-Entwickler bei der Mediadesign Hochschule München.