Designmanagement koordiniert die Gestaltungsarbeit verschiedener Unternehmensbereiche so, dass sich für Kunden ein einheitliches Erlebnis einstellt.
Inzwischen ist den meisten Unternehmen klar, dass sie Design einsetzen müssen, wenn sie sich im Marktwettbewerb behaupten wollen. Ohne Gestaltung gibt es keine Differenzierung von Mitbewerbern im Markt und kein ganzheitliches und stimmiges Kundenerlebnis – es reicht nicht länger aus, der Billigste, der Schnellste oder der Klügste zu sein: Kunden kaufen dort ein, wo sie sich am besten aufgehoben fühlen, dort, wo sie ein für sie relevantes und stimmiges Erlebnis erfahren. Und diese Ansprüche stellen Kunden nicht nur bei Konsumprodukten – auch bei anderen Produkten und Services legen sie diesen Maßstab an. Ein Unternehmen, dem es nicht gelingt, für eine motivierte und möglichst loyale Kundschaft zu sorgen – also quasi ein Kundenbündnis zu erzeugen –, wird bei der nächsten (Kunden-)Wahl übergangen.
Deshalb kann es sich heute keine Organisation erlauben, die Gestaltung dem Zufall zu überlassen. Unternehmen müssen immer wieder sicherstellen, dass sie das Richtige tun – und das auch richtig tun. Dabei ist die Erfassung sämtlicher Aspekte, die einer Gestaltung unterliegen (und das sind mehr, als man glaubt!), der Beginn einer Kette von Maßnahmen, die es zu planen und auszuführen gilt.
Von der Gestaltung der Corporate Identity über das Design von Angeboten und Leistungen, von Vertriebs- und Kommunikationsmaterialien sowie von Verkaufs- und Serviceflächen bis hin zur Gestaltung von Interaktionen zwischen Mitarbeitenden und Kunden und so weiter: Alle diese Touchpoints müssen im Sinne der passenden Unternehmenspositionierung und -strategie konzipiert und gestaltet werden und dabei wie aus einem Guss zusammenwirken, damit ein konsistentes und kohärentes Gesamtbild entsteht.
Wo wird was gestaltet?
Diese Gestaltungsarbeit findet auf unterschiedlichen Ebenen in der Organisation statt und bindet eine Vielzahl von Spezialisten mit ein. Auf der strategischen Ebene gilt es, die Grundlagen für eine »geführte« Gestaltung festzulegen, sodass sich sämtliche Designaktivitäten einem gemeinsamen Motto fügen. So entsteht eine »Unternehmenspartitur«, die dafür sorgt, dass alle gemeinsam an einem einheitlichen Kundenerlebnis arbeiten. Dies ist die Domäne der Markengestalter, der Business Designer und Designstrategen.
Auf der Prozessebene werden die unterschiedlichen Abteilungen und Gewerke miteinander verbunden und zusammengeführt. Hier werden Pläne und Vorgaben erarbeitet, die das Angebot einer Organisation erst möglich machen. Auch in diese Prozesse muss sich Gestaltung optimal einfügen können, und Design muss autorisiert sein, seinen Beitrag dazu zu leisten. (Leider sind in vielen Unternehmen Designspezifikationen nach wie vor nur Empfehlungen und keine verbindlichen Vorgaben!) Auf dieser Ebene des Design Thinking agieren Business- und Service Designer – oder auch Designmanager.
Auf der Umsetzungsebene werden die Touchpoints gestaltet und realisiert. Von einer Creative Direction geführt, können sie in der Zusammenwirkung eine Kohärenz erzeugen, die für ein einheitliches Kundenerlebnis sorgt. Hier tummeln sich sämtliche Designer, die mit dem »Design Doing«, also der Umsetzung, beauftragt sind. Je nach Touchpoint sind hier interne Designer, externe Agenturen oder Freelancer am Werk und gestalten Services, Produkte, Interfaces, Kommunikationsinhalte und -mittel sowie Verpackungen, Verkaufsräume und vieles mehr.
Diese drei Ebenen der Designaktivitäten sind auch als »Designleiter« bekannt. Sie erhielt ihren Namen in einer Studie des Dansk Design Center von 2001, in der erhoben wurde, in welchem Maße Design in Unternehmen eingesetzt wird. Das dort gezogene Resümee verwundert nicht: Die meisten Unternehmen setzen Design nur als Funktion ein, als nachgelagertes Formgeben. Jedoch konnte die Studie auch zeigen, dass jene Unternehmen, die Gestaltung auf allen drei Ebenen der Designleiter etabliert haben, am profitabelsten arbeiten.
Mittlerweile hat eine vergleichbare Studie der Unternehmensberatung McKinsey von 2018 dieses Ergebnis bestätigt. Mit ihrer Aussage, dass Unternehmen den optimalen »Business Value of Design« nur erreichen, wenn sie Gestaltung umfassend etablieren, bestätigt sie die Notwendigkeit von Designmanagement.
Wie entstand Designmanagement?
Um in der Komplexität aller designrelevanten Maßnahmen über die drei genannten Unternehmensebenen hinweg den Überblick zu behalten, bildete sich nach und nach das Tätigkeitsfeld des Designmanagements heraus. Bereits in den 1960er Jahren begannen Unternehmen, ihre gesamte Gestaltungsarbeit zu koordinieren – einige sogar wesentlich früher. Entweder war dies eine Aufgabe des Markenmanagements, das vornehmlich auf die Einhaltung von Corporate-Identity-Richtlinien achtete und dort eine koordinierende Rolle wahrnahm, oder es waren Industriedesigner, die sich zu Projektleitern weiterentwickelten und so koordinierende Aufgaben in den Produktionsprozessen übernahmen.
Der Schwerpunkt dieser Tätigkeiten lag in der Abstimmung und prozessualen Führung von Designaktivitäten, die sich stark an den Erfordernissen der jeweiligen Organisationsstruktur orientierten. So entwickelte sich das Designmanagement abhängig vom jeweiligen Unternehmenssilo, in dem es tätig war: Brandmanagement in der Unternehmensführung, Designmanagement in der Produktentwicklung.
Seit den 1980er Jahren dann konkretisierte sich das Berufsbild des vornehmlich organisatorisch in der Forschung und Entwicklung tätigen Designmanagers. Zu dieser Zeit entstanden vermehrt Designabteilungen und prägten die Anerkennung von Design als eine klar abzugrenzende Unternehmensfunktion. Designmanagement ist seitdem hauptsächlich mit der Koordination und Abstimmung von Produkt- und Interface Designs betraut, was über die Jahre hinweg zur Funktion des CDO (Chief Design Officer) führte.
Designmanagement wird daher in erster Linie von Produktdesignern ausgeübt, die sich in ihrer Karriere weiterentwickelten und sich so die nötigen Kompetenzen aneigneten. Hierzu gehören neben dem inhaltlichen Verständnis von Designaktivitäten auch praktisches Know-how in den Bereichen Projektmanagement, Budgetierung und Prozessmanagement.
In vielen Organisationen ist dieses »produktdesigngetriebene« Designmanagement ein Teilaspekt eines (umfassenderen) »Design Managements«, das sich um die Designaktivitäten in sämtlichen Unternehmensaspekten kümmert: um die Definition der Designstrategie als Bestandteil der Unternehmensstrategie, um die Festlegung von Designprinzipien als Teil der Corporate Identity und um den Designprozess als Teil des Geschäftsprozesses. Auf diese Weise hat die Wirkungstiefe von Designmanagement fortwährend zugenommen, weshalb immer häufiger die englische Schreibweise »Design Management« verwendet wird, die ein umfassenderes Verständnis der Disziplin ausdrückt.
Connect Booklet »Designmanagement bei der Schweizerischen Post«
Durch die Globalisierung der Märkte und den gewachsenen Anteil von Dienstleistungen in der Wertschöpfungskette von Produkten sind wir heute in der Situation, dass Design nicht länger eine alleinige Aktivität der Produktentwicklung ist, sondern eine Tätigkeit der gesamten Organisation. Denn im Rahmen der digitalen Transformation wird klar, dass Unternehmen integriert und kundenzentriert handeln müssen: Kunden bemerken sofort, wenn die unterschiedlichen Touchpoints ihrer User Journey nicht markenkonsistent sind – geschweige denn nicht lückenlos funktionieren –, und wenden sich ab.
Designmanagement hat nun die Rolle, die Gestaltungsarbeit der verschiedenen Unternehmensbereiche so zu koordinieren, dass sich für Kunden ein einheitliches Erlebnis einstellt. Für Designmanager bedeutet dies, dass sie die unterschiedlichen Aspekte von Design verstehen und zusammenbringen müssen: Produkt-, Grafik, Interaktions- und Mediengestaltung entstehen in Konzernsilos, müssen aber in der Führung zusammen gedacht und -gebracht werden. Da die Konzernsilos jedoch auch Machtgebilde sind, ist es oft ein Kraftakt, ein übergreifendes Design Management zu etablieren und auszuüben.
Dies ist auch der Grund, warum viele Unternehmen das Potenzial von Design Management zwar erkennen, aber sich schwertun, es auch zu etablieren. Doch dort, wo es sukzessive gelingt (wie im Falle der Schweizerischen Post), entsteht riesiges Potenzial.
Wie wird man Designmanager?
Da die Aufgaben des Designmanagements von Koordination und Steuerung bestimmt werden, braucht es auch Verhandlungsgeschick und die Gabe, Konflikte zu lösen: Man muss zwischen den Wünschen von Designern, Managern und Vertrieblern navigieren können und in der Lage sein, Zielkonflikte zwischen diesen Bereichen und Silos auszugleichen. Dies entspricht einem Anforderungsprofil, das sich nicht für jeden Designer anbietet und in der Regel auch nicht einfach zu besetzen ist.
Diese Mischung aus Gestaltungs- und Verwaltungskompetenz ist selten, und obwohl das Berufsbild des Designmanagers sich immer mehr konkretisiert und nachgefragt wird, findet die berufliche Ausbildung meist on the Job statt. Lange gab es nur wenige Studiengänge, die sich dem Designmanagement widmen, die meisten davon im englischsprachigen Raum.
Doch inzwischen finden sich auch an deutschsprachigen Hochschulen zunehmend Designmanagement-Studiengänge, etwa an der Hochschule Macromedia, an der Hochschule Luzern, an der Mediadesign Hochschule in Berlin, Düsseldorf und München, an der Hochschule Rhein-Main sowie an den Fachhochschulen Soest und Salzburg. Dabei handelt es sich meist um Masterstudiengänge, die im Anschluss an ein Bachelorstudium im Bereich Design absolviert werden. An anderen Hochschulen ist Designmanagement kein eigenständiger Studiengang, sondern ein Schwerpunkt, wie an der Fachhochschule Münster oder der HAWK Hildesheim.
Speziell für Berufstätige gibt es einige Weiterbildungsangebote, wie an der Hochschule Luzern. Noch wird das Studium von Gestaltungshochschulen angeboten, zunehmend jedoch entdecken auch die Wirtschaftsfakultäten dieses Feld für sich. In Österreich gibt es etwa einen BWL-Studiengang mit Schwerpunkt Design an der New Design University in St. Pölten. Es ist zu erwarten, dass weitere Angebote im deutschsprachigen Raum hinzukommen.
Derzeit läuft das Ausbildungsangebot der Nachfrage hinterher, denn die Industrie wird sich der Notwendigkeit dieser elementar wichtigen Funktion immer mehr bewusst. Trotz struktureller Hürden bei dem Versuch, Design umfassend zu etablieren, werden Marke und Design zunehmend zusammengefasst und auf strategischer Ebene integriert gedacht und gemacht.
Nicht nur Big Player wie Apple, Porsche oder Samsung begreifen Design eher als strategische Maßnahme denn als nachgelagerte Form des »Aufhübschens«. Auch Banken, Telekommunikations- und Softwareanbieter, Versicherungen und Handelsketten beginnen, Gestaltung ernst zu nehmen und so zu managen, dass sie sie optimal und strategisch für ihre Belange einsetzen können. Sie greifen das Potenzial umfassender Gestaltung auf und priorisieren sie in ihren Unternehmen. Damit dies wirklich und nachhaltig gelingt, benötigen sie Design Management!
Autor: Professor Jan-Erik Baars leitet den Studiengang Design Management an der Hochschule für Wirtschaft Luzern und ist Mitgründer der Strategieberatung Prenew sowie Autor des Buchs »Leading Design. Design strategisch einsetzen: Wie Unternehmen das volle Potenzial entfalten!« (erhältlich beim Vahlen Verlag, München, ISBN 978-3800656394).
Dieser Text entstand im Rahmen von Connect Creative Competence, der Initiative von PAGE zur Förderung neuer Kompetenzen in Agentur, Hochschule und Unternehmen.