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Wärmetod des Brandings

Unser Kolumnist Jürgen Siebert erklärt, warum sich die Logos der Internetkonzerne so verblüffend ähnlich sind.

© Foto: Norman Posselt

Diese Frage wird immer häufiger gestellt: Warum sehen die Schriftzüge der Internetkonzerne inzwischen fast alle gleich aus? Tatsächlich kennen die Logo-Redesigns von Google, Facebook, Airbnb, Spotify, Pinterest oder Uber nur eine Richtung: Sans ­Serif, und zwar irgendwas zwischen Helvetica und Futura.

Auch hier war Apple in gewisser Weise Vorreiter. Mit der Geburt des Macintosh 1984 wurde die bibliophile Garamond als Hausschrift eingeführt. Zwanzig Jahre später wechselte man zur Myriad, einer humanistischen Serifenlosen. Dann machte iOS Helvetica wieder salonfähig, bis diese in allen Betriebssystemen von der Neogrotesk San Francisco abgelöst wurde. Seit Januar 2017 ist diese Eigenentwicklung auch Apples Corporate Font.

Aber zurück zu unserer Frage: Was sind die Gründe für diese Helveticaisierung der Logos? Ich sehe hier fünf Ursachen.

1 Schon die zeitliche Abfolge der Schriften bei Apple verdeutlicht, dass der Trend zur Sans maßgeblich von der mo­bilen Kom­munikation angetrieben wird. Buchstaben ohne Serifen sind einfacher konstruiert und eine Idee platzs­pa­render – nicht unwichtig für die Navigation auf Smartphones und Watch-Displays, wo es auf jedes Pixel ankommt. Und weil Google und Co fast ausschließlich digital kommunizieren, gibt es keinen Grund mehr, eine Schrift zu wählen, die gut auf Papier performt. Damit ist eine seit Jahren zu beobachtende Strategie nun auch im Corporate Design angekommen: Mobile First.

2 Ein zweites Argument ist Simplizität – als Botschaft, nicht als Eigenschaft. Die Unternehmen wollen bereits im Lo­go klarmachen, dass ihre Produkte und Services kinderleicht zu benutzen sind. Keine unnötigen Ecken und Kan­ten, keine überflüssigen Winkel und Schrägen. Geometrisch ge­baute Typen stehen für Präzision und Schlichtheit.

3 Und die Sans-Schriftzüge sagen: »Wir sind erwachsen.« Google, Facebook, Pinterest, Airbnb, Spotify und Uber haben sich als Start-ups mit disruptiven Strategien Gehör verschafft und Marktführer angegriffen. Hierzu passende, kämpferische Logos zierten ihre Piratenflaggen. Heute sind die Produkte essenzieller Bestandteil des täglichen Lebens von Milliarden Menschen. Aus Rebellen wurden Aktiengesellschaften, deren Signets um das Vertrauen der Shareholder buhlen.

4 Aus Lokalhelden sind globale Milliardenunternehmen geworden, ein weiterer Anlass, an der visuellen Identität zu schrauben. Weil Wachstum das oberste Ziel einer jeden Internet-Company ist, muss es in allen Märkten sofort ver­standen werden, mit einer Common-Sense-Schrift. Die Nazis haben aus genau diesem Grund 1941 die Frakturschrift verboten und eine »Normalschrift« verordnet, vor allem für »Zeitungen mit Auslandsverbreitung«.

5 Der fünfte und letzte Grund für das gleiche Aussehen der Digitalgiganten ist keine Ursache, sondern ein Indiz: Monopolismus. Als Marktbeherrscher haben sie es weder nötig, sich von Wettbewerbern zu unterscheiden, noch mit ihren Kunden zu schäkern. Darum enden ihre Logos in Kälte und Leblosigkeit. Eine Sackgasse, der Wärmetod des Brandings.

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Zwei Kritikpunkte:

    Pixel sind auf den heute üblichen Retinadisplays nicht wirklich sichtbar – das Schriftbild, und jede kleine Serife, erscheint sogar noch schärfer als in der Printanwendung. Zeiten, in denen man auf eine pixeloptimierte Verdana zurückgreifen musste, sind vorüber.

    Völlig außer Acht lässt Herr Siebert die Tatsache, dass allen aufgezählten Logos auch eine entsprechende Bildmarke anhängt. Sich rein auf die Stilistik der Schriftwahl der Wortmarke zu fixieren macht daher wenig Sinn (international gesehen erst recht nicht).

    Und wenn wir schon bei mobile first sind: bis auf das Beispiel Uber findet keiner der Schriftzüge den Gebrauch auf dem entsprechenden App-Icon oder in kleiner Darstellung.

    Die zugehörigen Bildmarken schaffen es übrigens durchaus auf einfache und emotionale Weise, die Marken zu kommunizieren. Vielleicht ein Thema fürs nächste mal…

  2. Boah, ich muss ja sagen: Fast alle gezeigten Logos verlieren deutlich. Lediglich Google gewinnt fast, obwohl es nun auch nicht spannender als vorher ist. Das liegt aber daran, dass normalerweise im-Sandkasten-spielen-Hypernerds nur wenig von Design und Optik verstehen. Und wenn sie könnten, würde sie auch noch ihr Logo bei der Konkurrenz klauen.

    Ansonsten haben diese ganzen “Logos” nun nur noch wenig Charme. Am schlimmsten ist es fast bei Pinterest, denn hier war ja das P sogar eine kleine Ikone für “wie sorge ich dafür, dass mein Firmen-Dasein mit in das Markenlogo einfließt”. Denn in dem P versteckt sich ein kleiner Pin, eine Stecknadel.

  3. Die möglichen Ursachen / Hintergründe finde ich gut dargestellt, ich finde es nur immer Bemerkenswert, dass sogar innerhalb der Branche übergreidende Atteste über die Gesamtwirkung einer Identität oder Corporate Design rein anhand von Logos ausgestellt werden.

  4. Prinzipielle Zustimmung. Aber: Die gegebenen Beispiele kranken nicht an der Typo sondern an der Typografie. Eine „grotesk-einfache” Marke ist nicht automatisch beliebig oder charakterlos.

  5. Danke für den Artikel, sehr gut auf den Punkt gebracht. Schade eigentlich, dass diese Erfolgsmarken nicht Ihre Identität, Ihren eigenen Charakter und die Unternehmenskultur im Corporate Design / Gesicht des Unternehmens zeigen.

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