User Experience Design sorgt durch eine ganzheitliche Sicht auf die Nutzer für positive Kundenerlebnisse. Was man sonst noch wissen muss …
Webservices, Apps und digitale Plattformen sind heute keine Add-ons zu physischen Produkten mehr, sondern eher integrale Bestandteile der Angebote selbst. Ob Amazon, Airbnb, Uber oder Netflix: Der Service ist das Produkt. Und dieser digi tal nutz- und erlebbare Service muss die Menschen von Anfang bis Ende mit einer verlässlichen und intuitiven Nutzung über zeugen. Dieses über alle Touchpoints hinweg überzeugende – und im Idealfall begeisternde – Nutzererlebnis ist Aufgabe und Ziel von User-Experience-Designern. Mit dem Nutzer im Fokus gestalten sie in enger Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen Websites, Mobile-Apps oder Internet-of-Things-Anwendungen, die den Menschen das Leben erleichtern.
Mit dem Nutzer im Fokus gestalten UX Designer in enger Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen Produkte und Services, die den Menschen das Leben erleichtern
Dabei geht User Experience Design weit über die Usability und das Interaktionsdesign eines Produkts oder eines Services hinaus, denn neben der reinen Nutzungsphase werden auch die Touchpoints der künftigen Kunden mit dem Produkt oder Onlineservice vor, während und nach der Nutzung bedacht und gestaltet. Jeder dieser Punkte wird von UX-Designern mit viel Liebe zum Detail durchdacht, da eine negative Erfahrung des Kunden oder Users an beliebiger Stelle des Customer Lifecycles zum Verlust des Vertrauens in das Produkt und zu einer schlechten Reputation des Unternehmens insgesamt führen kann.
Positive Erfahrungen mit den Produkten oder Services einer Marke sorgen hingegen für überzeugte und loyale Kunden, die ihrerseits zu Markenbotschaftern in ihrem Umfeld werden. Die designrelevanten Berufsfelder, die sich konstruktiv mit Usability-Fragen befassen, sind vielfältig und reichen von User Research und Usability Engineering über Interaktionsdesign, Screendesign und User Interface Design bis hin zu Grafikdesign, Visual Design sowie Motion Design. Sie alle befassen sich mit der Gestaltung und Verbesserung eines Produkts oder Services für bestimmte Nutzer und deren Aufgabensituationen.
Die Kompetenzen der reinen Produktgestaltung reichen heute nicht mehr aus, um neue Produkte erfolgreich am Markt zu platzieren und Kunden und Nutzer zu gewinnen. Apple hat das als eine der ersten Firmen verstanden und stellte schon 1993 Donald Norman als weltweit ersten User Experience Architect ein. Norman war zuvor Professor für Psychologie und Kognitionswissenschaften an der University of California in San Diego und hatte
in seinem Buch »The Design of Everyday Things« (1988) das psychologische Verhältnis zwischen Mensch und Alltagsgegenständen diskutiert, das entweder zu Frust oder Freude bei der Nutzung führen kann.
Die Kompetenzen der reinen Produktgestaltung reichen heute nicht mehr, um neue Produkte und Services erfolgreich am Markt zu platzieren und Kunden und Nutzer zu gewinnen
Nicht nur bei Apple versteht man seither unter User Experience eine ganzheitliche Betrachtungsweise des Customer Lifecycles. Diese geht davon aus, dass Kunden sich bereits lange vor dem Kauf beziehungsweise lange vor dem Anlegen eines User Accounts mit dem erwarteten Produkt- respektive Servicenutzen auseinandersetzen. Sie wollen wissen, wofür sie ihr Geld ausgeben oder in was sie ihre Zeit investieren. Sie wollen wissen, welche Funktionen das Produkt hat, unter welchen Herstellungsbedingungen die Hardware produziert wurde, welche Freunde oder Kollegen das System schon nutzen – und nicht zuletzt, welchen Status der Besitz des Produkts oder die Mitgliedschaft im jeweiligen Netzwerk mit sich bringt. Das alles hat nichts mit Usability zu tun, denn der potenzielle Kunde hat das Produkt oder den Service ja noch nicht einmal ausprobiert. Dennoch tragen alle diese Aspekte maßgeblich zur User Experience des Produkts oder Services bei.
Prototyping: Den Nutzer verstehen
Im Zentrum der Arbeit von UX-Designern stehen stets die Nutzer – insbesondere die zukünftigen –, deren Wünsche und Bedürfnisse sie durch Beobachtungen und Befragungen – sei es analog oder digital – ermitteln. Die Ergebnisse dieser User Research verdichten sie in sogenannten Personas, die im weiteren Design- und Entwicklungsprozess die potenziellen Nutzer exemplarisch repräsentieren. Mit diesen Kunden- oder Nutzermodellen spielen sie anhand von Szenarien und Storyboards schnell und iterativ Nutzungssituationen für neue Produkte und Services durch. Dafür betreiben sie umfangreiches Prototyping: Papierprototypen, Wireframes und Klickdummys helfen dabei, das zukünftige Systemverhalten zu visualisieren, zu verstehen und an Probanden zu testen.
User Experience umfasst Wahrnehmungen von Nutzern und deren Reaktionen auf ein Produkt oder einen Service während der Nutzung genauso wie die Erwartung und Vorfreude vor der eigentlichen Anwendung
Die dabei gewonnenen Erkenntnisse fließen in die jeweils folgende Designrunde ein, bis das Konzept sowohl mit Blick auf die Personas als auch im Geschäftskontext überzeugt. Diese Schritte sind nur einige von vielen Verfahren aus dem Werkzeugkoffer eines UX Designers, in dem auch Design Thinking, Human-Centered Design, User (Experience) Journey Mapping, Crossmedia Storytelling oder Business Model Design ihren Platz haben.
Diese Methoden sorgen dafür, dass der UX Designer eine ganzheitliche Sicht auf den Nutzer sowie den Nutzungskontext eines Produkts oder Services hat. Nur so kann ein adäquates und kohärentes Angebot entstehen, denn Kohärenz über die diversen Kanäle, Plattformen und User Interfaces hinweg ist eines der zentralen Anliegen von UX Design. Um den Erfolg eines Unternehmens nachhaltig zu sichern, um neue und innovative Onlineservices zu entwickeln oder gar Ideen für Start-ups zu generieren, bedarf es einer holistischen Betrachtungsweise, die sämtliche Aspekte der Kundenerfahrung umspannt. Dazu gehören: das Branding, mögliche Flagship-Stores im realen Leben, der Social-Media-Auftritt, aber auch interaktive Elemente wie Navigation, Gestensteuerung, Animation oder Voice- und Chatbots sowie Screendesign, Layout und Typografie. Dadurch schaffen UX Designer die Rahmenbedingungen für Produkte und Services, die bei den Kunden zu einer positiven User Experience führen, ihr Vertrauen in die Marke stärken und sie in loyale Botschafter verwandeln. Dabei arbeiten UX Designer immer eng mit anderen Disziplinen zusammen, wie Programmierern, Visual-Designern und Projektmanagern.
Das Nutzungserlebnis formen
Es dauerte bis 2010, ehe die International Organization for Standardization den Begriff User Experience erstmals im Rahmen der ISO-Norm 9241-210 als »Prozess zur Gestaltung gebrauchstauglicher Systeme« definierte. User Experience umfasst demnach die kognitiven und emotionalen Wahrnehmungen von Nutzern und deren physiologischen und psychologischen Reaktionen auf ein Produkt oder einen Service während der Nutzung genauso wie die Erwartung und Vorfreude vor der eigentlichen Anwendung. All diese Erfahrungen beeinflussen den Gesamteindruck, den die Kunden vom System und damit von der Marke, dem Produkt und der Firma bekommen. Die Definition berücksichtigt explizit auch Dienstleistungen, die zunehmend selbst zum Kerngeschäft werden, wobei eine stärkere Serviceorientierung zu einer guten User Experience beiträgt.
Im Gegensatz zur Usability ist User Experience im Sinne dieser Definition nicht messbar, da es überwiegend um psychologische und mentale Vorgänge geht. Genauso wenig ist User Experience im Sinne der ISO-Norm gestaltbar. Mit anderen Worten: Es gibt – im strengen Sinne – kein User Experience Design, da viele Aspekte der Nutzererfahrung subjektiv sind und Designer diese subjektiven Aspekte nicht direkt beeinflussen können. Jeder Mensch ist anders und erfährt daher eine eigene User Experience. Diese individuellen Kundenerlebnisse durch die Gestaltung digitaler Schnittstellen und Services indirekt zu beeinflussen macht den großen Reiz des User Experience Designs aus.
UX Design geht weit über die Usability und das Interaktionsdesign eines Produkts oder Services hinaus
Wie schon Donald Norman es Anfang der 1990er Jahre bei Apple forderte, entwirft und gestaltet ein User Experience Designer interaktive Systeme mit einer ganzheitlichen Sicht auf die Nutzer und schafft so die Voraussetzungen für ein möglichst positives Kundenerlebnis. Dies trifft sich offenbar mit dem Bedürfnis vieler Designer, denn der Jobtitel des UX Designers erfreut sich wachsender Beliebtheit.
UX Design ist ein Beruf in Bewegung, weil Kundenlebenszyklen immer mit der Zeit gehen. Wer gerne interdisziplinär in Teams arbeitet, sein psychologisches Interesse mit eigenen kreativen Impulsen verbinden möchte und sich gerne mit Leuten umgibt, die in Produkten und Businessmodellen denken, ist mit dem Berufsbild UX Designer gut bedient. Bringt man außerdem noch zukunftszugewandten Forschergeist mit, ist die Berufswahl goldrichtig.
Der Autor
Matthias Müller-Prove ist Interaction Designer und »Human Computer Interactivist.« Unter mprove.de finden Sie eine Übersicht über seine Veröffentlichungen, Artikel und Präsentationen.
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Ein schöner Artikel – kurz und knackig erklärt was UX Design ist und welchen großen Einfluss es auf Produkte hat.
Micha Kandziora schreibt
Ein sehr schöner Artikel zum Thema. UX Design wird leider manchmal lediglich auf digitale Produkte bezogen gedacht. Doch auch im Entwicklungsprozess von Produktdesign spielt die User Experience beispielsweise eine wesentliche Rolle. Im Produktdesign-Blog gibt es von uns einen kurzen Beitrag dazu, welche Rolle UX im Produktdesignprozess spielt: blog.formteam.de/nc/artikel/user-experience-im-produktdesign-prozess.html . Schaut gerne mal vorbei. 😉
Super Artikel Einfach erklärt!
Sehr guter Artikel.
In vielen Anwendungen wird dieser Bereich noch zu wenig berücksichtigt. Auch weil sicherlich nicht immer die Zeit dafür besteht.
Sehr spannend auch der Prozess den Nutzer besser zu verstehen, mit Klickdummys und ähnlichem.
Danke für den Beitrag.
Ein super Artikel der das Thema durchleuchtet. Ich werde jetzt vermehrt über UX Design lesen und es selbst versuchen anzuwenden.
Ein schöner Artikel – kurz und knackig erklärt was UX Design ist und welchen großen Einfluss es auf Produkte hat.
Ein sehr schöner Artikel zum Thema. UX Design wird leider manchmal lediglich auf digitale Produkte bezogen gedacht. Doch auch im Entwicklungsprozess von Produktdesign spielt die User Experience beispielsweise eine wesentliche Rolle. Im Produktdesign-Blog gibt es von uns einen kurzen Beitrag dazu, welche Rolle UX im Produktdesignprozess spielt: blog.formteam.de/nc/artikel/user-experience-im-produktdesign-prozess.html . Schaut gerne mal vorbei. 😉