Wir sprachen mit Dr. Tom Bieling über die Rolle von Design bei unserer Definition von Normalität und wie es möglich ist, verantwortungsbewusster zu gestalten.
Dr. Tom Bieling forscht und unterrichtet am London College of Communication der University of the Arts London und am Zentrum für Designforschung an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg und beschäftigt sich dort unter anderem mit der sozialen und politischen Dimension von Design. Er ist Autor der Bücher »Inklusion als Entwurf« (2019, einen Textauszug gibt es unter www.page-online.de/design_inklusionTB), »Design (&) Activism« (2019) und »Gender (&) Design« (2018).
Der Fokus auf westliche Designgeschichte in der Designausbildung wird zunehmend kritisiert. Wie reagieren Hochschulen darauf?
Tom Bieling: Historisch betrachtet ist die Auseinandersetzung mit Design vor allem eine aus der Perspektive des »Westens«. Narrative und Deutungsweisen – etwa dahingehend, was als innovativ, problematisch, funktional, gut, schlecht, schön oder hässlich gilt – wurden und werden insbesondere in den dort institutionalisierten Dokumentations- und Diskurskanälen wie Museen, Hochschulen oder Publikationen formuliert, thematisiert und konserviert. Es ist nicht so, dass andere Perspektiven und Historien dabei überhaupt nicht in den Blick genommen werden. Dabei bleibt der Blick selbst jedoch viel zu oft ein eurozentrischer beziehungsweise westlich zentrierter. Ein in sich normativer Blick auf das »Andere« vom Eigenen (und) Maßgeblichen auf das »Exotische«, eine Betrachtung ausgehend vom »Zentrum« auf die »Peripherie«.
Was die Institutionen betrifft, so beginnen sie gerade vermehrt, auch solche Positionen und Menschen einzubeziehen, die bisher von den Kernnarrativen des Designs ausgeschlossen wurden. Das ist begrüßenswert, birgt aber zugleich die Gefahr, dass hier erneut versucht wird, das »Zentrum« zu fixieren. Geht man jedoch vom Begriff des Pluriversums aus, gibt es kein Zentrum, sondern viele Zentren, in denen viele Realitäten nebeneinander existieren können.