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»über Magie« und was das mit Design zu tun hat

Erlers Thema: Alle vier Wochen finden in Hamburg die Creative Mornings statt. Das September­motto war »Magie« und zu Gast die Soloviolinistin Ksenia Dubrovskaya.

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Foto: Mitja Schneehage

Mysterium Magie. Unlösbares Rätsel. Gera­de erst wieder: Da blättere ich das Buch »Über Schreib­tische« des Fotografen Konrad Rufus Müller, als plötzlich dieses Kribbeln in mir aufsteigt, das immer dann kommt, wenn mich etwas so richtig anfixt. Und das geht weit über das hinaus, was beschreibbar wäre (die tollen Fotos, die perfekte Typografie von Markus Rasp, das schöne Papier . . .). Das ist dann wohl: Magie?

Magische Momente. Momente übernatürli­cher Erhabenheit. Oft nur persönlich erlebbar und nicht mit anderen zu teilen. Zum Beispiel diese Stelle in »A Life Of Surprises« meiner Lieblingsband Prefab Sprout. Bei 0:57 hebt das Lied auf so wundersame Weise ab, dass mir immer wieder das Herz zerspringt. Habe ich neulich mal im Büro vorgespielt – und selten in ratlosere Gesichter geblickt. Aber für mich bleibt es: Magie.

Wie großartig wäre es, zu wissen, wie das geht: Menschen verzaubern, zuverlässig und immer wieder. Man müsste die magische Substanz besitzen, die alles möglich macht. So wie Adriano Celentano in der Italo-Klamotte »Hände wie Samt«. Der von ihm gespielte Ingenieur hat magisches, unzerstörbares Glas erfunden, und alle wollen natürlich herausbekommen, wie er es schafft, die Regeln der Chemie und der Physik auszuhebeln – bis er in einem unbeobachteten Moment den Kessel mit dem flüssigen Glas öffnet und einmal kräftig reinrotzt.

Mit 17, auf einer Klassenreise nach Wien, saß ich eines Abends im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, übernächtigt und gelangweilt (wie das eben so ist auf Klassenfahrten mit Kulturprogramm), als ein bildhübsches Wesen in ei­nem feuerroten Kleid auf die Bühne schwebte und das Violinkonzert von Tschaikowsky nicht einfach nur spielte, sondern zelebrierte, himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt, bis mir ganz schwindelig war. Dieser magische Augenblick kam mir in den Sinn, als ich auf der Suche nach den Regeln der Magie die russische Violinistin Ksenia Dubrov­s­ka­ya zu den Creative Mornings einlud.

Es wurde ein zauberhaftes Gespräch. Zusammen ergründeten wir die Zutaten eines magi­schen Konzerts und sprachen über Liebe und Fleiß, Fantasie und Aura, Handwerk und Stimmung. Wir stellten einen Konzertabend komplett auf den Kopf und drehten das Innerste nach außen. Nur den magischen Schlüssel, den fanden wir leider nicht.

»Eigentlich ist Musik ja nur ein akustisches Phänomen und physikalisch zu erklären«

sagt Ksenia Dubrovskaya,

»doch aus den Schallwellen steigt dann – manchmal nur – etwas unerklärlich Tiefes und Seelisches auf.«

Ob ihr das auch schon passiert sei, möchte ich wissen. Ja, natürlich, sagt sie, es sei nur eben nicht zu steuern, es geschehe einfach. So sei das mit der Magie. Das Rätsel bleibt. Allein Celen­tano weiß, wie’s geht.

PS: Ich habe ins Lexikon geschaut: Etymologisch liegt dem Wort »Magie« die indogerma­ni­sche Wurzel magh zugrunde, die »können«, »vermögen«, »helfen« und auch »Macht« bedeutet. Direkt stammt das Wort vom griechischen mάγοι ab, das man mit »Weiser« übersetzt. Ein Magier ist also jemand, der ganz viel weiß und dadurch Macht erlangt.

Als ich Anfang der 1990er Jahre mit Neville Brody zusammenarbeitete, er längst Superstar, ich ein Greenhorn, da fiel mir – bei aller Ehrfurcht vor seiner unfassbaren Kreativität – auf, wie fit er in sämtlichen Computerprogrammen war. Er beherrschte seine Instrumente wie kein Zweiter und war schneller als alle anderen. Ich fand das magisch. Er hatte dadurch immer einen Vorsprung.

In dem Film »Matrix« erklärt der Agent Morpheus dem jungen Hacker Neo, wie er sich verbes­sern muss, um seinen Verfolgern zu entkommen. Und findet dafür einen einzigen, kurzen Satz, der so etwas wie der Leitsatz aller Magier sein könn­te:

»Nicht denken . . . wissen!« So geht Magie.

 

Hier sehen Sie das Video:

 

Erler
Foto: Enver Hirsch

Johannes Erler ist Partner des Designbüros ErlerSkibbeTönsmann, das die Creative Mornings im Hamburger designxport veranstaltet, und Mitbegründer des Designkollektivs Süpergrüp. Zu den anderen Beiträgen aus »Erlers Thema« geht es hier.

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