… das fragt sich UX-Designerin Steffi Kieffer bei jedem ihrer Projekte aufs Neue. Im Interview verrät sie uns, wie wichtig nutzerzentriertes Design ist.
Steffi Kieffer ist UX Consultant und Design Thinking Coach bei Revelate in München. Zudem organisiert sie regelmäßig Meetups und ist eine Verfechterin des menschlichen Designs. Was das genau ist, verrät sie uns im Interview.
Du bist Mitorganisatorin des Meetups »Humane Tech Munich« und vertrittst die Meinung, Technik muss menschlicher werden – warum?
Ich habe das Gefühl, dass wir durch den Fortschritt der Technologie zu Sklaven derselben geworden sind. Vielmehr beherrscht die Technik uns, als dass die uns hilft, unser Ziel zu erreichen. Deswegen müssen wir darauf achten, dass wir die Balance wiederherstellen.
Statistisch gesehen verbringt jeder von uns ungefähr 30 Tage im Jahr nutzlos am Handy – und mit dieser Zahl stehen wir Deutschen im Vergleich sogar noch gut da. Wenn man sich mal überlegt, was man in dieser Zeit alles machen könnte: Statt eine halbe Stunde auf Instagram zu scrollen, könnten wir Joggen gehen oder uns mit Freunden treffen – das würde unheimlich viel an unserem Wohlbefinden ändern.
Wir sollten uns als Designer bei der Erstellung von Produkten immer wieder die Frage stellen, was für Auswirkungen das eigene Design hat. Schafft es einen Mehrwert für möglichst viele Menschen in der Welt? Und: Wenn morgen jemand einen Artikel über mein Werk schreiben würde, wäre ich stolz darauf?
Was bedeutet für dich »menschliches Design«?
Gutes UX-Design hat letztendlich drei Komponenten: Es muss einen Mehrwert für den User haben, es muss nutzbar sein und es muss »delightful« sein, sich also gut anfühlen. Wenn diese drei Komponenten gegeben sind, kann ich nicht nur von einer guten UX sprechen, sondern auch von menschlichem Design – denn hier steht der Mensch im Mittelpunkt. Im Moment ist es jedoch eher so, dass die Produkte oft nach bestimmten Patterns gestaltet werden, die den Nutzer dazu motivieren, immer wieder an ihre Geräte zu kommen – eine Abkehr von der realen Welt. Likes und ähnliches lösen bei uns einen Dopamin-Kick aus und dieses Dopamin befähigt uns, neue Gewohnheiten zu etablieren – wie das ständige Checken von Social Media. Ist diese Gewohnheit erst einmal etabliert, ist es sehr schwer wieder davon wegzukommen. Mir persönlich bereitet diese gesellschaftliche Persönlichkeitsveränderung Sorgen.
Was können Designer tun, um die Nutzer wieder in die reale Welt zu holen?
Unsere Aufgabe als Designer ist es, Behavourial Designs, die dieses Verhalten ändern können, auf den Weg zu bringen. Als Designer ist man im Unternehmen letztendlich der Repräsentant für den Nutzer. Das ist nicht immer einfach, wenn man im Entwicklungsteam oder einem Produktteam sitzt, denn jeder will natürlich seine Ziele durchsetzen. Wir Designer müssen uns die Frage stellen, was das Ziel des Nutzers ist, wie er es erreichen will und wie wir ihm dabei helfen können.
Außerdem müssen wir verstehen, dass unser Nutzer einen kompletten Tagesablauf hat mit Freunden, Arbeit und Familie und ihm unser Produkt eigentlich ziemlich egal ist – wenn wir da ansetzen und überlegen, wie wir ihn mit unserem Produkt im Alltag unterstützen können, haben wir die größten Erfolgschancen. Es ist also wichtig, schon in der Strategie anzusetzen und nicht erst in der Gestaltung. Um dieses tiefgreifende Verständnis über den Nutzer zu entwickeln, muss man aus seinem Büro rausgehen, mit den Menschen sprechen, sie beobachten und Nutzertests durchführen. Und das sollte eigentlich nicht nur der Designer tun, sondern das gesamte Team – am besten auch in regelmäßigen Abständen. Auch wenn der Designer die Nutzerbrille aufhat, letztendlich ist das gesamte Produkt-Team für die User Experience verantwortlich.
Das heißt Designer haben gegenüber ihren Nutzern eine ethische Verantwortung?
Ja, unheimlich viel. Wir sind dafür verantwortlich, dass Produkte wirklich nutzerzentriert gestaltet werden und sind auch meistens die Stimmen im Unternehmen, die das vorantreiben sollten und müssen. Die Entwickler wollen etwas Cooles bauen, haben aber häufig nicht die Nutzerbrille auf. Und auch Projektmanager haben eher die Unternehmensziele auf dem Schirm. Wir Designer sind diejenigen, die den Nutzer in den Fokus rücken müssen und auch die rote Fahne schwenken, wenn etwas gegen die Nutzerbedürfnisse läuft.
Wir Designer sind dafür verantwortlich, dass Produkte nutzerzentriert gestaltet werden. Diese Verantwortung müssen wir auch im Unternehmen vorantreiben.
Ist man da als Designer im Arbeitsalltag nicht oft im Zwiespalt zwischen den Interessen des Nutzers und denen des Unternehmens?
Auf jeden Fall. Viele Unternehmen denken, dass sie nur Gewinn erwirtschaften, wenn der Nutzer zum Beispiel möglichst lang auf der Plattform verweilt. Unsere Geschäftsmodelle sind hauptsächlich auf die Aufmerksamkeit des Nutzers fokussiert. Wir sollten da einfach langfristiger denken, denn der Nutzer verwendet immer nur das Produkt, das ihm hilft, möglichst schnell und unkompliziert an sein Ziel zu kommen. Wenn die Menschen durch komplizierte, absichtlich eingesetzte Prozesse, die die Verweildauer verlängern sollen, daran gehindert werden, dann machen sie eine ganz schlechte Nutzererfahrung und wenden sich über kurz oder lang vom Produkt ab. Das müssen wir den Unternehmen vor Augen führen, damit ein Umdenken stattfinden kann. Das ist ein Prozess und kann nicht von heute auf morgen stattfindet. Durchhaltevermögen ist also gefragt!
Wer mehr zum Thema erfahren möchte, der sollte Steffi Kieffers Talk »Humane Design and the Attention Economy« auf der diesjährigen push.conference besuchen. Die Interaction-Design- und UX-Konferenz findet am 19. Und 20. Oktober in der Alten Kongresshalle München statt.
Hier geht es zur Eventankündigung auf PAGE online und hier zur offiziellen Webseite.