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Future of Design: Müssen Designer Alleskönner sein?

»Unsere aktuellen Aufgaben verlan­gen nach universellen Ideen, intelligente Tools unterstüzen uns beim Rest« So in etwa lautet die 5. These zur Zukunft des Designs von Jochen Rädeker. Stefan Wölwer sieht das durchaus anders und meint Fachkompetenz sei unerlässlich. In einem Punkt sind sich die beiden dennoch einig.

Müssen Designer Alleskönner sein? Rädeker diskutiert die Zukunft des Designs

Der Designberuf ist in ständiger Bewegung. Was erwartet professionelle Designer in den nächsten Jahren? Müssen wir die Rolle des Designs neu definieren oder eher verteidigen? Jochen Rädeker hat sich Gedanken gemacht und acht Thesen zur Zukunft des Designs formuliert. Bewusst zugespitzt und streitbar. Wir haben namhafte Experten wie Stefan Wölwer eingeladen, dazu Stellung zu beziehen und damit eine lebhafte Debatte zu starten. Denn auch Sie als Leser und Experte sind gefragt: Sagen Sie uns Ihre Meinung und beteiligen Sie sich an der Diskussion – ganz unkompliziert über die Kommentarfunktion am Ende des Artikels.

Eine Übersicht über die bisherigen Thesen und Konter finden Sie in unserem Artikel »The Future of Design: Thesen von Jochen Rädeker«.

THESE 5: Vom Spezialisten zum Universalisten

Als um 1840 mit der sich entwickelnden Massenfertigung das moderne Design entstand, kannte es keine Sparten. Maler und Grafiker, Bildhauer, Architekten, Ingenieure, Weber und Regisseure waren universelle Gestalter. Erst mit diversifizierten Technologien kam die Spezialisierung. Heute sind viele Gewerke nötig, wenn ganzheitliche Erfahrun­gen geschaffen werden sollen: Der Macher eines Messevideos kann die Statik für die Montage des Screens nicht berechnen, der Architekt das Video nicht schneiden und beide sind nicht imstande, die Bühnenshow zu choreografieren.

Weil Eitelkeit und Arroganz aber in der Natur von Kreativen liegen, sind alle der Überzeugung, der zentrale Beitrag sei der ihre. Vor allem Architekten wird seit 2000 Jahren, begonnen mit Vitruv, eingetrichtert, sie seien Universalisten – und so verhalten sich viele dann auch. Das kann man nervig finden – oder sich ein Beispiel daran nehmen.
So falsch diese Einschätzung im 20. Jahrhundert gewesen sein mag – so richtig ist sie in den 2020er Jahren. Wir Designer müssen mehr denn je unsere Komfortzone verlassen, mutiger, offener, neu­gie­ri­ger sein. Unsere aktuellen Aufgaben verlan­gen nach universellen Ideen: Die Interfacegestaltung einer App ist Grafik-, Produkt- und Business Design. Motion und Corporate Design verschmelzen mit Ar­chi­tektur und Inszenierung zu Kommunikation im Raum.

Wir können als Designer vielfältigste Reize setzen, Wahrnehmung und damit Emotionen ganzheit­lich steuern: Design wirkt unter der Oberfläche, gerade weil es die Oberflächen gestaltet. Wer Design bloß auf einen Teilbereich reduziert, springt deshalb viel zu kurz. Kümmern wir uns um Sinn, Sinne und Seele – und lassen uns beim Rendern, Schneidern, Konstruieren ganz entspannt von intelligenten Tools helfen. Wir müssen nicht mehr alles können, um Alleskönner zu sein.

 

KONTER: Fachkompetenz ist unerlässlich

Liebe Universalisten,

wer in Zeiten der digitalen Transformation halbwegs umfassend gestalten möchte, schafft das nur im Team mit anderen Professionen. Nie alleine, denn dafür sind die Aufgaben meist viel zu komplex. Im Team selbst braucht es keine Alleskönner. Vielmehr funktioniert es nur mit jenen Designerinnen und Designern unter uns, die nicht von ihrer eigenen »Kreativität« beseelt und benebelt sind, sondern ihr Handeln reflektieren, erklären und argumentieren können. Dann behalten sie auch den Durchblick bei dem derzeitigen KI-Nebel, der uns angeblich mal direkt zum Arbeitsamt führt oder durch sehr intelligente Werkzeuge zu Universalgestaltern macht.

Diese Teams nehmen uns jedoch nur dann auf, wenn wir über die erforderlichen Fachkompeten­zen und -methoden verfügen, ohne dabei Fach­idioten zu sein. Mit wachsender Berufserfahrung können wir zu jenen werden, die das Team zusammenstellen und führen, denn dafür benötigt es generalisiertes Erfah­rungswissen, Empathie und ein tiefes Verständ­nis der Aufgabenstellungen.
Für mich bedeutet dies vor allem, dass sich Hoch­schulen und Agenturen ändern müssen und nicht mehr veralteten Idealen aus der Kunst- und Designgeschichte nachlaufen dürfen, die sie dann dem geneigten Nachwuchs eintrichtern. Und schon gar nicht dürfen die KI-Entwicklerinnen diese Grundlagen von gestern in ihre Algorithmen übernehmen. Es stimmt schon, wir müssen unsere Komfort­zonen verlassen. Aber bitte gemeinsam und mit dem passenden Rüst­zeug, dann kriegen wir das alles hin!

Beteiligt sich an der Debatte zur Zukunft des Designs: Stefan Wölwer, Professor für Interaction Design Stefan Wölwer ist Professor für Inter­action Design an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen.

 

Was halten Sie von dieser These? Ihre Meinung ist gefragt!

Sie können sich ganz leicht an der Diskussion beteiligen: Nutzen Sie dafür einfach die Kommentarfunktion unter dem Artikel. Und bleiben Sie dran: Jede Woche veröffentlichen wir eine neue These von Jochen Rädeker samt Konter.

Sind Sie neugierig geworden? Alle acht Thesen von Jochen Rädeker und die gesammelte Experten-Diskussion finden Sie in der PAGE 3.20, die Sie downloaden oder als Printexemplar bestellen können.

PDF-Download: PAGE 03.2020

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ob Designer alles Könner sein müssen, hängt extrem davon ab in was für einem Umfeld gearbeitet wird. In Cross-funktionalen Teams ergänzen und überschneiden sich die Fähigkeiten immer mehr und als Designer eignet man sich im Doing durch den ständigen Austausch auch viele Skills anderer Rollen an. Es ist vom Vorteil wenn Designer ihre Rolle in solchen Teams und darüber hinaus festigen und mit ganzheitlichem Wissen (+Business, Technologie, Fachseite) und ausgeprägten Fähigkeiten grundsätzlich im Lead für „das Produkt“ sind. Muss ein Junior Designer nach dem Studium diese Rolle in dem Maß ausfüllen? Nein… Aber das Mindset sollte da sein, wenn ein Designer mit seiner Arbeit einflussreich sein will.

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