In die Tüte gesprochen: »Große Unternehmen müssen Komplexität managen.« Wo es in der Interaktion vom Möbel-Giganten IKEA mit den Kunden hakt, beleuchtet Christian Prill, Geschäftsführer Factor.
Bei meiner Schwägerin ist der IKEA-Küchen-Alptraum seit Monaten gelebte Realität. Hoffnungsfroh hatte sie sich im letzten Herbst ihre neue Küche im Einrichtungshaus zusammengestellt. Die Schwierigkeiten kamen mit der Umsetzung.
Um es kurz zu machen: Erst hat sich der Vermesser vermessen. Dann passte die Küche logischerweise nicht. Dann haben die Handwerker das Geld nicht kassieren können, weil das EC-Gerät kaputt war. Dann kam Wochen später ein Trupp, um die Küche passend zu machen. Hat nicht geklappt, dafür haben sie die Elektroleitungen angebohrt, so dass Kerzenschein angesagt war. Dann hat IKEA eine Mahnung geschickt, weil ja der beauftragte Handwerker das Geld nicht eingezogen hatte. Irgendeine andere Abteilung bot parallel einen Einkaufsgutschein als Entschädigung an. Über 100 Euro. Nach 6 genommenen Küchen-Urlaubstagen. Das wäre für mich der Falling Down-Moment gewesen. Und die Geschichte ist immer noch nicht zu Ende.
Wutbürger-Gemecker? Leserbriefgeschreibe? IKEA-Bashing? Keineswegs. Die Geschichte soll bloß illustrieren, dass die größte Herausforderung für Unternehmen dieses Kalibers darin besteht, Komplexität zu managen. IKEA hat ein großartiges Geschäftsmodell. IKEA hat superoptimierte Produkte und Verpackungen. IKEA hat ein tolles Marketing. Und ist sehr innovativ: Dieser Tage hat IKEA die erste Küchenplanungs-App vorgestellt, in der den Kunden virtuelle Rundgänge ermöglicht werden.
Es hakt aber vor allem an zwei Punkten bedrohlich in der Interaktion mit dem Kunden: Erstens, wenn die Komplexität der Produkte zunimmt in einem ansonsten auf Standardisierung angelegten Markensystem. So, wie es eben bei individuell konfigurierten Küchen der Fall ist. Und zweitens, wenn ausgequetschte Subunternehmer im Auftrag der Marke unterwegs sind. Dann mag vielleicht auf den ersten Blick die Kostenstruktur beim Auftraggeber stimmen. Aber das ist risikoreiche Effizienz ohne Puffer. So, als würde man mit nur einem Triebwerk fliegen. Bei Ausfall ist Ende. Hier ist es glücklicherweise nur das Ende einer Kunden-Beziehung. Wir sollten uns daran erinnern, dass alles seinen Preis hat.
Über den Autor
Christian Prill ist Partner Brand Strategy bei Factor. Er entwickelt seit vielen Jahren Konzepte, um Marken zu stärken.