Klar, zeitlos und mit subtilen Tech-Vibes: Wir sprachen mit dem Berliner Typedesigner René Bieder, der für die VW Group einen modernen Customfont entwickelte.
Die Volkswagen Group (früher Volkswagen AG) ist der Konzern oder auch die Dachmarke, unter der alle Brands von Volkswagen vereint sind: Audi, Porsche, Skoda und eben auch Volkswagen und Volkswagen Financial Services. Das von MetaDesign entwickelte Branding für die Marke Volkswagen bleibt ebenso bestehen, wie die dazugehörige, von Hannes von Döhren entwickelte Schrift.
Neu ist jetzt die von Landor entworfene Identity für die Volkswagen Group und eben der dazu passende Customfont von René Bieder. Wir fragten den Typedesigner wie man an einen solchen Job kommt und was die typischen Merkmale der neuen Hausschrift mit dem Namen The Group sind.
Foto: Norman Posselt
Es ist ja nicht alltäglich, dass ein großer Konzern einen einzelnen Typedesigner mit der Entwicklung einer neuen Hausschrift beauftragt. Wie hat sich für dich diese Chance ergeben?
René Bieder: Anfang 2023 fragte mich Markus Blankenburg, Executive Creative Director bei Landor, ob ich Zeit und Lust hätte, ihm bei der Verfeinerung, beziehungsweise Interpretation eines Wortmarken-Konzepts für einen ihrer Kunden zu unterstützen. Die Arbeiten von Landor kannte ich, Markus allerdings noch nicht. Er kannte aber wiederum mich, beziehungsweise meine Arbeiten.
Es ging also zunächst gar nicht ums Typedesign?
Kurz nach der Sache mit der Logo Optimierung kam vom Landor Team dann noch die Anfrage für eine Exklusivschrift für diesen Kunden. Zu dem Zeitpunkt war dann auch klar, dass es um die Volkswagen Group geht.
Die Zeit für die Logo Optimierung war sehr knapp bemessen und fiel genau auf meinen Urlaub im Ausland. So konnte ich die Optimierung des Logos leider nicht übernehmen. Für die Exklusivschrift war aber mehr Zeit und Vorlauf eingeplant. Mit der Arbeit daran haben wir Anfang April 2023 begonnen.
Welche Schrift hatte die VW Group vorher eingesetzt?
Die Volkswagen AG ( so hieß das Unternehmen vor der Umbenennung zu Volkswagen Group) verwendete lange Zeit die Familie The Sans von Luc(as) de Groot. Zielsetzung des neuen Corporate Designs war, die Transformation der Volkswagen Group in ein neues Zeitalter der Mobilität zu visualisieren. Mit The Sans schien das nicht möglich zu sein.
Sie ist ohne Frage eine großartige Schrift, die sich über die letzten Jahrzehnte bewährt hat. Allerdings verkörpert sie eher traditionelle Werte. Landor und die Volkswagen Group waren hingegen auf der Suche nach einem Font, der mehr in Richtung Zukunft blickt.
Außerdem sollte eine Exklusivschrift intern für ein neues Gefühl der Zusammengehörigkeit sorgen. Immerhin sprechen wir von einem Unternehmen mit 600.000 Mitarbeitenden. Dafür war es unabdingbar sich von einer Retail Schrift zu trennen.
Hattest du ausschließlich mit Landor zu tun oder hast du deine Schrift auch VW selbst präsentiert?
Im Vergleich zu meinen bisherigen Erfahrungen waren die Präsentationen bei diesem Projekt tatsächlich sehr besonders. Das Team von VW war nämlich bei fast jeder Abstimmungsrunde involviert. Selbst die Präsentation des ersten Entwurfs fand nicht – wie sonst üblich – nur mit der Agentur per Video Call statt, sondern in der großen Runde mit Agentur und Kunde.
Und zwar an meinem Arbeitsplatz in der Werkstatt von Erik Spiekermann (p98a) in Berlin. Auch der Marketingchef von VW war bei größeren Entscheidungen vor Ort und hat sich bei besonders kritischen Buchstaben wiederum mit dem Vorstand von VW ausgetauscht. Es ist wirklich selten, dass sich ein Kunde so leidenschaftlich und konstruktiv bei der Entwicklung einer Exklusivschrift einbringt.
War diese enge Begleitung nicht auch ganz schön anstrengend?
Für mich sind Exklusivschriften wie Handschriften von Marken. Je mehr Input ich von den Menschen bekomme, die die Schrift am Ende nutzen und sich mit ihr identifizieren sollen, desto besser kann das Ergebnis werden. So traf das VW-Team beispielsweise Entscheidungen, die sich zwar vom grafischen Konzept entfernten, die Marke im täglichen Gebrauch aber besser widerspiegeln.
Das wäre ohne den regen Austausch zwischen dem VW-Team, Landor und mir nicht möglich gewesen.
»Es ist wirklich selten, dass sich ein Kunde so leidenschaftlich und konstruktiv bei der Entwicklung einer Exklusivschrift einbringt.«
René Bieder, Typedesigner Berlin
Hattest du Unterstützung bei der technischen Umsetzung, also der Produktion der Schrift?
Oh ja! Beim Mastering und Hinting habe ich mir Unterstützung von Christoph Koeberlin geholt. Das überlasse ich dem Spezialisten. Für Kerning und Spacing hatte ich Support von Igino Marini von iKern.
Und wer hat dir bei der Entwicklung der griechischen und kyrillischen Varianten der Schrift geholfen?
Das kam tatsächlich alles aus meiner Hand. Bei den griechischen und kyrillischen Skripten gibt es zum Glück genug Überschneidungen mit dem Latin Script, sodass ich das selbst erledigen konnte.
Bei der Schriftgestaltung hast du dich von dem von Landor überarbeiteten Logo inspirieren lassen. Wo zeigt sich das in den Buchstaben?
Da wir einen subtilen Future/Tech Vibe mit integrieren wollten – den das Logo schon hatte – lag es auf der Hand auch Merkmale davon mit in die Schrift einfließen zu lassen. Zum Beispiel finden sich die abgerundeten Eckelemente von O und G, der Mittelstrich vom K oder die Endungen von S und G in den Glyphen wieder.
»Exklusivschriften sind die Handschriften von Marken.«
René Bieder, Typedesigner Berlin
Wie würdest du The Group charakterisieren?
Ganz nüchtern betrachtet würde ich sie als eine futuristische Interpretation des Neo-Grotesk Genres beschreiben. Etwas emotionaler ausgedrückt verbindet sie die Klarheit und Zeitlosigkeit der Neo-Grotesk Schriften mit den Technologien der Zukunft.
Und wie ist sie ausgebaut?
Es gibt die beiden Headlineschnitte Light und Light Italic als Markenbotschafter. Sie kommen in großen Schriftgraden zum Einsatz, um die neuen Markenziele zu kommunizieren. Für kleinere Schriftgrößen habe ich eine platzsparende Text-Unterfamilie entwickelt. Und zwar in Regular, Medium und Bold plus passende Italics. Damit Zahlen optimal dargestellt werden, hat die Text-Familie standardmäßig tabellarische statt proportionale Ziffern.
Unterscheiden sich die Headline- und die Textvariante außer in der Laufweite?
Neben der breitere Laufweite, sind die Buchstabenformen in der Textvariante etwas schmaler gestaltet, um platzsparender und – im Bezug auf verwendeter Papiermenge – nachhaltiger zu sein.
Welche Buchstaben haben am meisten Probleme bereitet?
Probleme gab es keine, Diskussionen über bestimmte Buchstabenformen allerdings schon. Das kleine g zum Beispiel, sorgte für jede Menge Diskussionsstoff. Sollte es futuristischer und extravaganter, oder neutraler und zurückhaltender sein?
Das waren Fragen, die uns einige Tage beschäftigt haben. Gleiches gilt für die Gestaltung der Zahlen oder des versalen Eszett.
Es war schön zu erleben, wie das Team von VW, das zu Beginn des Projektes noch wenig Erfahrung mit der Gestaltung einzelner Buchstaben, geschweige denn einer ganzen Schrift hatte, im Verlauf des Prozesses leidenschaftlich für und gegen bestimmte Formen argumentierte. Die Identifizierung mit ihrer zukünftigen Schrift war in den Köpfen also bereits in vollem Gange.
Wird The Group schon angewendet?
Ja, die Schrift ist bereits auf der Website der Volkswagen Group, intern und in Präsentation im Einsatz.