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Buero Nashi: Von der Studiogründung zur eigenen Identity

Mit Fokus auf nachhaltige Kommunikation gründeten Lara Nasr und Johannes Schilk in Karlsruhe Buero Nashi. Im Interview sprechen sie über das Entdecken ihrer Nische und den Perfektionismus im eigenen Branding

die beiden designer:innen vor einem weißen Tuch auf einer gründen wieseLara Nasr und Johannes Schilk kennen sich bereits seit ihrem Studium an der Hochschule für Kommunikation und Gestaltung in Ulm. Gemeinsam entwickelten sie nach mehreren Jahren in verschiedenen Agenturen das Konzept für BUERO NASHI – ein Designstudio, das nicht nur nachhaltige Kommunikation produziert, sondern die Nachhaltigkeit auch im Büroalltag lebt und andere Kreative über ihr Feld informiert.

Wir sprachen mit ihnen für die Titelgeschichte in PAGE 12.23 über den Gründungsprozess, ihren Anspruch als Studio und die Herausforderungen beim Branding des eigenen Büros.

Die Anfänge: Strategie und Planung

Bevor ihr BUERO NASHI gegründet habt, habt ihr euch ein Jahr als Auszeit und zum Reisen genommen, richtig?
Lara: Ja, genau. Ein halbes Jahr in Asien und dann noch Nord- und Südamerika. Währenddessen haben wir viel reflektiert. Uns beiden war wichtig, den Nachhaltigkeitsaspekt nicht nur privat, sondern auch beruflich zu leben. Bisher bieten das nur wenige Agenturen an, weshalb wir hier auch große Potenziale und Chancen gesehen haben.

Deshalb entstand die Idee für BUERO NASHI, das wir am 17. April ganz offiziell gegründet haben, um unsere Leistungen als Expert:innen für wirklich durch und durch nachhaltige Gestaltung anzubieten.

Johannes: Bis jetzt besteht BUERO NASHI nur aus uns beiden. Bei größeren Aufträgen, wenn es um Illustration oder Fotografie geht, ziehen wir bekannte Kreative hinzu, deren Arbeitsweise wir kennen und deren Haltung mit unserem Konzept übereinstimmt. Diese kreative Bubble hat uns auch enorm bei der Erstellung unserer eigenen Identity geholfen, Feedback gegeben und das geboten, was in größeren Agenturen das Team leisten könnte: die Perspektive von außen.

Habt ihr euch im Voraus einen Zeitplan für die Ausarbeitung der Identity gesetzt?
Johannes: Ja, wir hatten einen Zeitplan – normalerweise halten wir uns auch fast religiös daran, aber wir haben schnell festgestellt, dass es mit der eigenen Identity deutlich schwerer ist, den Absprung zu finden.

Lara: Da kommt das Design-Perfektionismus-Gen durch. Immer, wenn man dachte, man wäre soweit, ist einem noch etwas aufgefallen – man wird sehr selbstkritisch und unsicher. Das hat den Prozess in die Länge gezogen. Der Anspruch war eben, etwas zu schaffen, dass uns auch langfristig gefällt und mit dem wir uns identifizieren können.

Wir hatten das Glück, einen Gründungszuschuss zu bekommen, das hat uns einen Zeitpuffer verschafft, für den wir heute sehr dankbar sind. Denn gerade bei der eigenen Identity ist es wichtig, sich Zeit zu lassen und sich nicht wegen eines Gründungs-, oder Release-Datums mit etwas Halbgarem zufrieden zu geben. Im Gegensatz zu Projekten für Kund:innen gibt es bei der eigenen Identity eben niemanden außer einem Selbst, der entscheiden kann, welche die finale Lösung sein soll.

Konzeption und Perfektionismus

Und woran macht man fest, wann die eigene Identity fertig ist?
Lara: Wir haben uns von vornherein ganz klare, strategische Ziele gesetzt, die die Identity erfüllen sollte. Dagegen haben wir sie immer wieder gemessen. Dazu gehörte neben einer gewissen Zeitlosigkeit, dass sie flexibel genug sein musste, um mit uns und unseren Projekten zu wachsen. Künftig werden unsere eigenen Projekte aber mehr Platz brauchen und die Identity muss sich zurücknehmen können, um ihnen den nötigen Raum zu bieten.

Also ist das eigene Design nie so ganz abgeschlossen?
Johannes: Genau! Man muss immer grob im Auge behalten, wie sich gerade das Markenumfeld, Wettbewerber, Social Media und Co. entwickeln und entsprechend bereit dazu sein, Formate anzupassen. Für uns sind grade neue Erkenntnisse in puncto Nachhaltigkeit auch sehr wichtig. Wir haben uns natürlich bereits tief in das Thema eingearbeitet, lernen aber täglich weiter dazu. Diese Offenheit muss man sich erhalten.

Gab es noch andere Entwürfe, oder Uneinigkeit beim Designen?
Lara: Witzigerweise waren wir uns relativ schnell in einer groben Richtung einig. Unsere Stile unterscheiden sich sehr, aber dadurch, dass wir gemeinsam recherchiert und das Design entwickelt haben, fanden wir zügig einen Ansatz, mit dem wir beide zufrieden waren.

Johannes: Gerade das Logo, die Type und grafische Elemente hatten wir sehr früh festgelegt. Viel anstrengender und zeitaufwändiger war die Feinjustierung. Wie sollte alles im Layout zusammenkommen, wie extravagant durften wir werden? Wann entfernten wir uns zu weit von der Zielgruppe?

Wie habt ihr eure Zielgruppe definiert?
Lara: Gerade beim Thema Nachhaltigkeit geht es erst einmal um Recherche. Wir haben uns ganz klassisch zunächst den Wettbewerb angesehen, und erarbeitet, was wir leisten können und wollen. Dann haben wir uns überlegt, mit wem wir im Idealfall zusammenarbeiten möchten. Dabei setzen wir vor allem auf die Connection zu jüngeren Unternehmen, nachhaltigen Start-ups, oder Firmen, die Schritte in Richtung Nachhaltigkeit machen wollen.

Welche Auswirkung hatte das auf die Gestaltung der Identity?
Johannes: Wir haben erst einmal überlegt, wie wir auftreten und kommunizieren wollen. Ganz wichtig ist, dass wir eben nicht das Klischee von oberflächlichem nachhaltigem Marketing bedienen, was oft als Buzzword eingesetzt wird. Also haben wir Abstand genommen von gedeckten Farben, viel Grün und Pflanzen-Stockfotos. Stattdessen wollten wir nachhaltiges Design nahbar machen und zeigen, dass eben nicht alles, was nachhaltig ist die gleiche Ästhetik bedienen muss.

Unsere Identity ist also auch immer das Vorzeigemodell für Kund:innen. Von unserer sparsam mit Riso gedruckten Visitenkarte, bis zu klassisch strukturierten, aber leuchtend bunt gestalteten Website. Die Natur-Thematik kam dann in Form von organischen Illustrationen wieder hinzu, die flexibel in verschiedenen Medien und Layouts angewendet werden können.

Büro nashis Visitenkarten in einem bund durchmischten häufen

Gründung und Branding vereinen

Lässt sich die Gestaltung zeitlich denn mit der Gründung vereinen?
Lara: Das war tatsächliche eine der großen Herausforderungen. Gerade kleine Teams, die ganz am Anfang stehen haben weniger Kapazitäten für ihre eigene Identity als vielleicht eine große, etablierte Agentur. Das Design hat aber deshalb nicht weniger Relevanz als die BWL-Themen. Man muss sich nur immer wieder die Zeit dafür nehmen. Wir haben die Pausen, in denen es eher um Gründungs-Organisation ging, dafür genutzt, Abstand zu unseren gestalterischen Entscheidungen zu bekommen und dann immer wieder workshopartig daran zu arbeiten.

So behält man einen klaren Kopf und verliebt sich nicht zu sehr in die Gestaltung, sodass man Fehler nicht mehr wahrnimmt. Wenn man kann, sollte man diese Reflexionsphasen bewusst einplanen und kann sich konzertiert an einzelne Aufgaben machen – etwa den Entwurf einer Social Media Strategie, den man dann beim nächsten Mal überarbeitet. Dabei kann man dann auch immer wieder prüfen, ob man sich in seinem eigenen Designkokon verloren hat und ob das Design auch wirklich für die Zielgruppe passt.

Aber etwas Spaß darf man mit eigenen Identität doch auch haben, oder?
Johannes: Ja, klar! Ein Teil unserer Strategie ist auch, dass wir über unsere Identity auch unseren Stil demonstrieren wollen und so Kund:innen anziehen, die selbst in die etwas künstlerischere Richtung gehen wollen, die wir gerne gestalten.

Lara: Ich glaube, wir haben einen guten Mittelweg zwischen klassischer Gestaltung und unserer eigenen Persönlichkeit für die Identity gefunden. Wichtig war uns, dass es eben nicht »abgehoben« und distanziert daherkommt sondern für unsere Kund:innen ein realistisches Beispiel sein kann. So haben wir zum Beispiel die Navigation der Website, und die Schrifthierarchien ganz klassisch und geordnet gehalten, während einige grafische Elemente flexibler sind und ausbrechen können – die machen dann die Persönlichkeit aus.

die Büro nahst website in einem mockup in einem sehr alten röhenmonitor

Besonders gefallen mir als Designerin die Druckbogen-Anspielungen!
Lara: Ja das ist eines der Details, auf das wir nicht verzichten wollten. Wir arbeiten gerne und viel mit Print und die Identity sollte ja nicht nur unsere Firmenkund:innen ansprechen, sondern auch andere Kreative inspirieren.

Besonders für unsere Social Media Formate war uns wichtig, etwas zu schaffen, dass andere Kreative begeistern kann und sie dazu bringt, sich mit nachhaltiger Gestaltung auseinanderzusetzen – denn je mehr Designer:innen dieses Wissen anwenden, desto besser können sie in Zukunft ihre Kund:innen beraten.

PDF-Download: PAGE 12.2023

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