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Fotografieren fürs Portfolio – Tipps & Mockup-Tools

Wie es Kreativen gelingt, die eigenen Projekte wirkungsvoll in Szene zu setzen.

Portfolio Fotografie Rimini Berlin
Jenny Hasselbach beim Fotografieren an der Balkontür des Studios Rimini Berlin

Tolle Projekte zu gestalten reicht nicht. Designer müssen heutzutage zudem viel Zeit und Mühe inves­tieren, um sie für den größten Designwettbewerb der Welt – das Internet – aufzubereiten. Dabei ist aber nicht jeder Gestalter ein guter Still-Fotograf, und die Ansprüche an die Bildqualität wachsen. Also doch Mockups benutzen? Die einschlägigen Plattformen quellen über vor immer raffinierteren Templates, und viele exzellente Fotodesigner aus aller Welt bieten sie preiswert oder sogar kostenlos an.

Wir haben bei Gestaltern nachgefragt, die durch besonders interessante Portfoliofotos auffallen. Und siehe da, alle Bilder waren selbst geschossen, manche Designer lassen ihre Arbeiten sogar eigens von Still-Life-Profis fotografieren. Ein ganz schöner Aufwand, denn da sind ja auch die sozialen Medien – und jede Plattform stellt andere Ansprüche. Behance wünscht sich pro Projekt 10 bis 15 hochwertige Fotos in einer Breite von 1400 Pixeln, gern mit Detail- und Making-of-Aufnahmen. Bei Instagram soll es gern leben­diger zugehen. Die Berliner Agentur Stan Hema zeigt dort Mit­arbeiter, die Arbeiten in der Hand halten, Fons Hickmanns Studio M23 verwandelt ab und zu Bücher, Plakatserien et cetera in animierte GIFs. Andere betreiben Understatement, fotografieren ihre Arbei­ten be­tont beiläufig in ihren Offices. Was auch ge­konnt sein muss.

Bei den Kreativen, die wir über ihre Portfoliobil­der befragt haben, findet man die verschiedensten Ansätze vor. Da wird mit weichem Licht oder harten Schatten gespielt, man kreiert minutiöse Sets oder lässt dem Zufall Raum, nutzt für Hintergründe und Deko unterschiedlichste Materialien und Accesso­ires (bis hin zu gekochten Spaghetti, siehe unten). Überrascht hat uns, wie systematisch viele Designer eine einmal gewählte Linie verfolgen. Die fol­gen­den Seiten geben Einblicke.

Mit Cases fängt man Follower

Dass Hochburg, eine zehnköpfige Brandingagentur aus Stuttgart, erstaunlich viele Social-Media-Fans hat, liegt zweifelsohne an den aufwendigen Bildern, mit denen sie ihre Arbeiten online präsentiert. »Mit Vorbereitung, Moodboard, Scribbeln, Shooting und intensiver Nachbearbeitung in Lightroom kann das bis zu zwei Tage dauern«, so Hochburg-Mitgründer Fabian Schmutzer, der meist selbst fotografiert. Mit einer spiegellosen Fuji X-H1, einigen leicht weitwink­ligen Objektiven, einer Hohlkehle, zwei kleinen Stu­dioblitzen und einer Softbox, falls weicheres Licht ge­wünscht ist, geht es ans Werk. Oft ohne Stativ, denn er fotografiert gern aus der Hand.

Davor stehen fast immer Einkäufe in Papeterie, einem Geschäft für Architekturbedarf oder dem Bau­markt an. Aus Letzterem stammen auch das Stück Kunst­­rasen und die Betonplatte, die in einem Aufbau mit dem Annual des Golfclubs Schönbuch abgelichtet wurden. Golfschläger und Ball waren vorhanden, auf der ewig langen Terrasse spielt das Team damit eh häufiger hin und her … in einen Plastikbecher. »Auch die Kunden freuen sich schon auf die Case-Shootings, wollen gerne dabei sein und posten die Bilder auf ihren Kanälen«, so Fabian Schmutzer. Gelegentlich gibt es Instagram Storys von der Entstehung der Motive – es lohnt sich also durchaus, mal bei @hochburg.design vorbeizuschauen.

Portfolio Fotografie Hochburg
Mit Präzision setzt die Agentur Hochburg ein Golfmagazin in Szene

Fotomotive im Ganzen und im Detail

Die neue, zweigeteilte Site von Bureau Progressiv – ebenfalls aus Stuttgart – bietet zahlreiche kreative Möglichkeiten für die Präsentation von Projekten. Beim Kalender für die Druckerei Grammlich sieht man beim Herunterscrollen rechts Einzelseiten, links Details daraus. Fotografiert wurde im eigenen Minifotostudio im Keller, das über eine Blitzanlage inklusive zwei Softboxen verfügt. Für den fast einen Meter langen Kalender wurde ein Aufbau mit weißen Platten gefertigt, die Kan­ten mit Farben aus den jeweiligen Blättern entstanden in der Nachbearbeitung. »Je besser man mit Kamera und Licht aufgestellt ist, desto weniger muss man nachbearbeiten«, so Philipp Staege, einer der beiden Partner von Bureau Progressiv. Inzwischen besteht das Equipment aus einer Sony Alpha 7 und einer Nikon D800, zwei Visatec-Solo-1600-B-Stu­diokompaktblitzen sowie diversen Hinter- und Untergründen, Spiegeln, Scheiben et cetera.

Portfolio Fotografie Bureau Progressiv
Raffinierte Bildkompositionen auf der Site von Bureau Progressiv

Natürliche Unterschiede beim Licht

Ganz bewusst verzichtet Rimini Berlin zumeist auf künst­liches Licht. »Je nach Wetterlage ist natürliches Licht mal stärker, mal schwächer – das schafft Hete­ro­genität«, so Jenny Hasselbach, die sich als Kommunikationsdesignerin immer wieder auch fotografisch weitergebildet hat, wie etwa mit einem einjährigen Kurs an der renommierten Berliner Ostkreuzschule. »Un­sere Website hat ein relativ klares Raster, da fän­den wir es nicht so spannend, wenn alle Objekte zu ähnlich fotografiert wären.«

Die Shootings finden oft auf dem großen Balkon von Riminis Industrieetage in Alt-Treptow statt. Da stehen Pflanzen, durch die auch mal das Licht fällt, und man kann den Wind durch Bücher blättern lassen. Gearbeitet wird meist mit einer Canon EOS 6D und Festbrennweiten von 50, 80 oder 100 Millimetern sowie einem Manfrotto-Fotostativ. Manchmal hilft ein Reflektor, Schatten abzuschwächen. Gern fotografiert Jenny Hasselbach aber auch mal einen gan­zen Tag dort, wo die Produkte von Rimini Berlin im Einsatz sind. Wie bei dem auf der nächsten Seite gezeigten Bild von einem Symposium an der Berliner Akademie der Künste.

Instagram ist ein Spezialgebiet der Designerin. Über die berufliche Nutzung des Portals hält sie Kurse etwa an der Kunsthochschule Braunschweig oder beim berufsverband bildender künstler*innen berlin. Unter @riminiberlin ist Variation gefragt. »Gerade bei der Kacheloptik ist Farbe sehr wichtig, damit sich die Bilder unterscheiden«, so Jenny Hasselbach. Inhalt­lich wechselt man zwischen Arbeitsproben, Fotos aus dem Studio und von unterwegs sowie grafischen Perspektiven – da sind auch mal Fotos eines bestrumpften Fußes zu sehen, der zufällig exakt die gleiche Farbe hat wie das Vorsatzpapier eines Buchs. Das Gesamtbild überzeugt.

Portfolio Fotografie Rimini Berlin

Portfolio Fotografie Rimini Berlin
Arbeiten von Rimini Berlin auf dem Balkon (oben, Foto: Michael Kuchinke-Hofer) und im »Live«-Einsatz (Foto: Jenny Hasselbach) Bild: Jenny Hasselbach

Ein Projekt in seinem Habitat

Seit 2015 entwirft der Designer Anders Bakken aus Norwegen Plakate für Events im Luzerner Neubad. Das ehemalige Hallenbad ist eine spannende Location – auch für Fotos. Weil ihm die nackten Plakate auf seiner Website zu »platt und fade« erschienen, lieh Bakken eine gute Kamera aus (eine Canon EOS 5D Mark III) und fotografierte mit natürlichem Licht vor Ort im Neubad. »Ich habe nur am Ende in Light­room die Licht­situation in den Bildern ein wenig angeglichen«, erklärt er. »Zum Glück konnte ich von einigen Mitstudenten ein bisschen Fototechnik lernen. Wie man gute Portfoliobilder schießt, kommt im Studium meist viel zu kurz.«

Portfolio Fotografie Cross Disciplinary Strategies

Portfolio Fotografie Foto Leutner
Wenn schon Fake, dann sichtbar – findet man bei 101 in Wien

Klare Prinzipien beim Portfolio

101, Agentur für Design und Coding in Wien, hat ganz schön strenge Grundsätze für ihr Portfolio: Sie zeigt nur Projekte, die tatsächlich umgesetzt wurden, und zwar so, wie sie wirklich aussehen. Was fürs Web­design bedeutet, dass die Sites eingebettet werden – man sieht also nicht die Idealvorstellung der Designer, sondern gespiegelte Live-Websites. Durchaus riskant, denn dort verändert der Kunde im Lauf der Zeit gerne vieles …

Printprojekte lässt das 101-Team von Daniela Trost fotografieren, einer herausragenden Wiener Still-Fo­­to­grafin. Aber wie soll das bei Teaser­bildern für digitale Projekte auf der Startseite funk­tionieren? »Wir haben die üblichen Geräte-Mockups probiert, aber Fakes passen nicht zu unserer Linie«, sagt Gründer Lukas Fliszar. Also baute der in Wien lebende 3D Artist Herwig Scherabon eine abstrakte Welt, die sich immer wieder aufs Neue adaptieren lässt. »Dort setzen wir Screen­shots perspektivisch so ein, dass es relativ haptisch wirkt. Trotzdem ist das kein Mockup, das tut, als wäre es echt, sondern man erkennt es sofort als gebaute Welt.« Beim Klick aufs Teaserbild sieht man dann das echte Leben der jeweiligen Website.

Portfolio Fotografie Anders Bakken

Portfolio Fotografie Anders Bakken
Poster von Anders Bakken am Ort, für den sie werben Bild: 2003

Essbares Set

Zu gebrauchen war das Belegexemplar nicht mehr, nachdem Johanna Dreyer und Katharina Weiß vom Berliner Studio Grafikladen es fotografiert hatten. Auch wenn Buch und Finger klebrig wurden, machten die Spaghetti durchaus Sinn: »Essen« war Thema des Essaybands der Buchreihe »Texturen« des Studiengangs Gesellschafts- und Wirtschaftskommunika­tion der Universität der Künste Berlin, und in einem Text ging es um Nudeln. Also liehen Dreyer und Weiß sich kurzerhand eine Canon EOS 5D und eine Profoto-D1-Blitzanlage aus, setzten eine Packung Nudeln auf und begannen auf einem beigefarbenen Karton zu experimentieren.

»Im besten Falle zeigen die Bilder nicht nur das Pro­jekt selbst, sondern auch etwas von uns und unse­rer Arbeitsweise. Hier zum Beispiel, dass wir lustig sind und nicht davor zurückschrecken, Neues auszu­probieren«, erklären die Gestalterinnen. Ein Ansatz, den wir uns öfter wünschen würden. 

Portfolio Fotografie Grafikladen Berlin

Portfolio Fotografie Grafikladen Berlin
Lecker! Nudeln mit einem Essayband übers Essen bei Grafikladen

»Mit schönen Mockups kann wenig nach sehr viel aussehen, ohne dass dahinter eine wirkliche Designleistung steckt«

Chrish Knigge von Studio Grau aus Berlin über das Für und Wider von Mockups

Portfolio Fotografie Chrish Knigge

Bei aller Kritik an den digitalen Attrappen, man kommt nicht ohne sie aus, oder?
Chrish Knigge: Natürlich nicht. Zum Beispiel nutzen wir sie für Bü­cher, die angekündigt werden, bevor sie gedruckt sind. Meist aber bevorzugen wir eigene Fotos, die einer unserer Mitarbeiter schießt, der Designer und Fotograf Hannes Häfner.

Wo sollte man die Readymades nicht nutzen?
Viele Praktikanten greifen darauf zurück, und wir erkennen das natürlich, weil der Look sich wiederholt. Mit schönen Mockups kann wenig nach sehr viel aussehen, ohne dass dahinter eine wirk­liche Designleistung steckt. Man nimmt ja auch für die eigene Web­site kein Template. Ebenso bei der Selbstdarstellung – man muss für sein Produkt ein Konzept entwickeln, da will ich nichts Vorgefertigtes sehen.

Und wo sind Mockups praktisch?
Bei der Präsentation vor Kunden. Die sind froh, wenn Entwürfe realer und haptischer wirken. Um ein Spektrum von Möglichkei­ten zu zeigen, nehmen wir verschiedene Mockups für verschiedene Entwürfe. Mit Begriffen wie Farbschnitt oder Goldverlauf weiß nicht jeder etwas anzufangen. Zu fast allen Verarbeitungen gibt es Mockups, was fehlt, basteln wir in Photoshop hinein, damit der Kunde versteht, wie sein Produkt wird. Wenn es fertig ist, fotografieren wir aber wieder.

Für Präsentationen haben Sie einen Fundus an Bildern?
Wir haben Zugänge bei Creative Market und Pixeden und recherchieren manchmal. Die Produktion von Mockups ist mittlerweile ein richtiges Business, die Auswahl wächst. So entstehen seltener unangenehme Situationen – einmal hatten sich vier Praktikanten mit demselben Mockup für eine Visitenkarte bei uns beworben.

Wobei die Konkurrenz durch immer raffiniertere Mockups sicher dazu beigetragen haben, das gestalterische Niveau von Portfoliobildern zu heben.
Natürlich leben wir in dieser Mockup-Welt, das gehört zum Zeitgeist. Mir geht es aber nicht ums bloße Anhübschen, sondern darum, etwas eigenständig von vorne bis hinten zu durchdenken. Wobei Mock­­ups sehr lehrreich und interessant sein können. Man bekommt offene Dateien, die oft sehr gut und strukturiert aufgebaut sind. Wenn Studenten und Grafiker sich mal in all den Ebenen angucken würden, was Fotografie, was 3D und was mit Photoshop noch hinzugefügt ist, könnten sie viel lernen.

Portfolio Fotografie Artboard Studio
Unter dem ehrgeizigen Motto »Die Zukunft von Mockups« tritt das umfangreiche browserbasierte Artboard Studio an

Der Mockup-Markt wächst

… und wird in puncto Qualität und Preis immer unübersichtlicher. Aber es gibt spannende Trends

Eifrig wird in aller Welt an Photoshop-Templates für die Präsen­tation kreativer Arbeiten gewerkelt. Oft sind dann die Dateien zu unterschiedlichen Konditionen auf den großen Plattformen für Design-Assets zu finden, wie Creative Market, GraphicBurger oder Envato Elements. Einzelne Anbieter, die sich auf eigenen Websites auf Premium-Mockups konzentrieren, gibt es erst wenige. Zu nennen wären Pixeden, Forgraphic™, Graphic Pear, lstore.graphics sowie Mr.Mockup. Das Creatsy-Team aus Kalifornien, bisher nur bei Creative Market und Etsy vertreten, arbeitet zur Zeit ebenfalls an einem eigenen Shop.

Gleichzeitig tauchen immer wieder Webanwendungen auf, um Mockups direkt im Browser zu erstellen, wie etwa Screenpeek der Agentur überdosis. Die Berliner Webdesigner wollten selbst nicht länger umständlich Screenshots in Bilder digitaler Devices einbauen und kreierten ihr eigenes Tool. Unter  https://screenpeek.io  Gerät auswählen, URL eingeben, fertig. Inzwischen steht Screenpeek für den allgemeinen Gebrauch bereit und wird auf User-Feed­back hin überarbeitet. »Oft wurde nach dem iPhone X und aktuellen Top-Android-Geräten gefragt«, so Developer Philipp Kühn. »Außerdem ist derzeit nur ein Log-in über Twitter möglich – das werden wir ändern. Und wir planen eine API, um Screenpeek in andere Services zu integrieren.«

Die erste Online-App für Print- und Produkt-Mockups will Artboard Studio werden. Hinter dem spannenden Projekt steckt ein Team aus der Türkei, das unter dem Label Mockup Zone auf der eigenen Site und über Creative Market seit 2014 aufwendige PSD-Templates verkauft, auch sogenannte Scene Creators mit einer Vielzahl von Objekten und Ebenen. Die Konstruktion von Szenen aus vielen Elementen ist auch Prinzip von Artboard Studio, das umfangreiche Libraries enthält. Es sind diverse Kauf- und Abomodelle angedacht.

Portfolio: Tipps, Tools und Case-Studies

Dieser Beitrag ist Teil unserer großen Selfmarketing-Geschichte aus der PAGE 09.2018. Tipps für Selfmarketing in Social Media findet ihr bereits online. Als P+-Abonnent könnt ihr direkt auf die komplette Ausgabe zugreifen und damit auch auf unsere Tipps rund um erfolgreiches Selfmarketing von Social Media über Pressearbeit bis SEO:

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