Fotografieren fürs Portfolio – Tipps & Mockup-Tools
Wie es Kreativen gelingt, die eigenen Projekte wirkungsvoll in Szene zu setzen.
Mit Cases fängt man Follower
Dass Hochburg, eine zehnköpfige Brandingagentur aus Stuttgart, erstaunlich viele Social-Media-Fans hat, liegt zweifelsohne an den aufwendigen Bildern, mit denen sie ihre Arbeiten online präsentiert. »Mit Vorbereitung, Moodboard, Scribbeln, Shooting und intensiver Nachbearbeitung in Lightroom kann das bis zu zwei Tage dauern«, so Hochburg-Mitgründer Fabian Schmutzer, der meist selbst fotografiert. Mit einer spiegellosen Fuji X-H1, einigen leicht weitwinkligen Objektiven, einer Hohlkehle, zwei kleinen Studioblitzen und einer Softbox, falls weicheres Licht gewünscht ist, geht es ans Werk. Oft ohne Stativ, denn er fotografiert gern aus der Hand.
Davor stehen fast immer Einkäufe in Papeterie, einem Geschäft für Architekturbedarf oder dem Baumarkt an. Aus Letzterem stammen auch das Stück Kunstrasen und die Betonplatte, die in einem Aufbau mit dem Annual des Golfclubs Schönbuch abgelichtet wurden. Golfschläger und Ball waren vorhanden, auf der ewig langen Terrasse spielt das Team damit eh häufiger hin und her … in einen Plastikbecher. »Auch die Kunden freuen sich schon auf die Case-Shootings, wollen gerne dabei sein und posten die Bilder auf ihren Kanälen«, so Fabian Schmutzer. Gelegentlich gibt es Instagram Storys von der Entstehung der Motive – es lohnt sich also durchaus, mal bei @hochburg.design vorbeizuschauen.
Fotomotive im Ganzen und im Detail
Die neue, zweigeteilte Site von Bureau Progressiv – ebenfalls aus Stuttgart – bietet zahlreiche kreative Möglichkeiten für die Präsentation von Projekten. Beim Kalender für die Druckerei Grammlich sieht man beim Herunterscrollen rechts Einzelseiten, links Details daraus. Fotografiert wurde im eigenen Minifotostudio im Keller, das über eine Blitzanlage inklusive zwei Softboxen verfügt. Für den fast einen Meter langen Kalender wurde ein Aufbau mit weißen Platten gefertigt, die Kanten mit Farben aus den jeweiligen Blättern entstanden in der Nachbearbeitung. »Je besser man mit Kamera und Licht aufgestellt ist, desto weniger muss man nachbearbeiten«, so Philipp Staege, einer der beiden Partner von Bureau Progressiv. Inzwischen besteht das Equipment aus einer Sony Alpha 7 und einer Nikon D800, zwei Visatec-Solo-1600-B-Studiokompaktblitzen sowie diversen Hinter- und Untergründen, Spiegeln, Scheiben et cetera.
Natürliche Unterschiede beim Licht
Ganz bewusst verzichtet Rimini Berlin zumeist auf künstliches Licht. »Je nach Wetterlage ist natürliches Licht mal stärker, mal schwächer – das schafft Heterogenität«, so Jenny Hasselbach, die sich als Kommunikationsdesignerin immer wieder auch fotografisch weitergebildet hat, wie etwa mit einem einjährigen Kurs an der renommierten Berliner Ostkreuzschule. »Unsere Website hat ein relativ klares Raster, da fänden wir es nicht so spannend, wenn alle Objekte zu ähnlich fotografiert wären.«
Die Shootings finden oft auf dem großen Balkon von Riminis Industrieetage in Alt-Treptow statt. Da stehen Pflanzen, durch die auch mal das Licht fällt, und man kann den Wind durch Bücher blättern lassen. Gearbeitet wird meist mit einer Canon EOS 6D und Festbrennweiten von 50, 80 oder 100 Millimetern sowie einem Manfrotto-Fotostativ. Manchmal hilft ein Reflektor, Schatten abzuschwächen. Gern fotografiert Jenny Hasselbach aber auch mal einen ganzen Tag dort, wo die Produkte von Rimini Berlin im Einsatz sind. Wie bei dem auf der nächsten Seite gezeigten Bild von einem Symposium an der Berliner Akademie der Künste.
Instagram ist ein Spezialgebiet der Designerin. Über die berufliche Nutzung des Portals hält sie Kurse etwa an der Kunsthochschule Braunschweig oder beim berufsverband bildender künstler*innen berlin. Unter @riminiberlin ist Variation gefragt. »Gerade bei der Kacheloptik ist Farbe sehr wichtig, damit sich die Bilder unterscheiden«, so Jenny Hasselbach. Inhaltlich wechselt man zwischen Arbeitsproben, Fotos aus dem Studio und von unterwegs sowie grafischen Perspektiven – da sind auch mal Fotos eines bestrumpften Fußes zu sehen, der zufällig exakt die gleiche Farbe hat wie das Vorsatzpapier eines Buchs. Das Gesamtbild überzeugt.
Ein Projekt in seinem Habitat
Seit 2015 entwirft der Designer Anders Bakken aus Norwegen Plakate für Events im Luzerner Neubad. Das ehemalige Hallenbad ist eine spannende Location – auch für Fotos. Weil ihm die nackten Plakate auf seiner Website zu »platt und fade« erschienen, lieh Bakken eine gute Kamera aus (eine Canon EOS 5D Mark III) und fotografierte mit natürlichem Licht vor Ort im Neubad. »Ich habe nur am Ende in Lightroom die Lichtsituation in den Bildern ein wenig angeglichen«, erklärt er. »Zum Glück konnte ich von einigen Mitstudenten ein bisschen Fototechnik lernen. Wie man gute Portfoliobilder schießt, kommt im Studium meist viel zu kurz.«
Klare Prinzipien beim Portfolio
101, Agentur für Design und Coding in Wien, hat ganz schön strenge Grundsätze für ihr Portfolio: Sie zeigt nur Projekte, die tatsächlich umgesetzt wurden, und zwar so, wie sie wirklich aussehen. Was fürs Webdesign bedeutet, dass die Sites eingebettet werden – man sieht also nicht die Idealvorstellung der Designer, sondern gespiegelte Live-Websites. Durchaus riskant, denn dort verändert der Kunde im Lauf der Zeit gerne vieles …
Printprojekte lässt das 101-Team von Daniela Trost fotografieren, einer herausragenden Wiener Still-Fotografin. Aber wie soll das bei Teaserbildern für digitale Projekte auf der Startseite funktionieren? »Wir haben die üblichen Geräte-Mockups probiert, aber Fakes passen nicht zu unserer Linie«, sagt Gründer Lukas Fliszar. Also baute der in Wien lebende 3D Artist Herwig Scherabon eine abstrakte Welt, die sich immer wieder aufs Neue adaptieren lässt. »Dort setzen wir Screenshots perspektivisch so ein, dass es relativ haptisch wirkt. Trotzdem ist das kein Mockup, das tut, als wäre es echt, sondern man erkennt es sofort als gebaute Welt.« Beim Klick aufs Teaserbild sieht man dann das echte Leben der jeweiligen Website.
Essbares Set
Zu gebrauchen war das Belegexemplar nicht mehr, nachdem Johanna Dreyer und Katharina Weiß vom Berliner Studio Grafikladen es fotografiert hatten. Auch wenn Buch und Finger klebrig wurden, machten die Spaghetti durchaus Sinn: »Essen« war Thema des Essaybands der Buchreihe »Texturen« des Studiengangs Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation der Universität der Künste Berlin, und in einem Text ging es um Nudeln. Also liehen Dreyer und Weiß sich kurzerhand eine Canon EOS 5D und eine Profoto-D1-Blitzanlage aus, setzten eine Packung Nudeln auf und begannen auf einem beigefarbenen Karton zu experimentieren.
»Im besten Falle zeigen die Bilder nicht nur das Projekt selbst, sondern auch etwas von uns und unserer Arbeitsweise. Hier zum Beispiel, dass wir lustig sind und nicht davor zurückschrecken, Neues auszuprobieren«, erklären die Gestalterinnen. Ein Ansatz, den wir uns öfter wünschen würden.
»Mit schönen Mockups kann wenig nach sehr viel aussehen, ohne dass dahinter eine wirkliche Designleistung steckt«
Chrish Knigge von Studio Grau aus Berlin über das Für und Wider von Mockups
Bei aller Kritik an den digitalen Attrappen, man kommt nicht ohne sie aus, oder?
Chrish Knigge: Natürlich nicht. Zum Beispiel nutzen wir sie für Bücher, die angekündigt werden, bevor sie gedruckt sind. Meist aber bevorzugen wir eigene Fotos, die einer unserer Mitarbeiter schießt, der Designer und Fotograf Hannes Häfner.
Wo sollte man die Readymades nicht nutzen?
Viele Praktikanten greifen darauf zurück, und wir erkennen das natürlich, weil der Look sich wiederholt. Mit schönen Mockups kann wenig nach sehr viel aussehen, ohne dass dahinter eine wirkliche Designleistung steckt. Man nimmt ja auch für die eigene Website kein Template. Ebenso bei der Selbstdarstellung – man muss für sein Produkt ein Konzept entwickeln, da will ich nichts Vorgefertigtes sehen.
Und wo sind Mockups praktisch?
Bei der Präsentation vor Kunden. Die sind froh, wenn Entwürfe realer und haptischer wirken. Um ein Spektrum von Möglichkeiten zu zeigen, nehmen wir verschiedene Mockups für verschiedene Entwürfe. Mit Begriffen wie Farbschnitt oder Goldverlauf weiß nicht jeder etwas anzufangen. Zu fast allen Verarbeitungen gibt es Mockups, was fehlt, basteln wir in Photoshop hinein, damit der Kunde versteht, wie sein Produkt wird. Wenn es fertig ist, fotografieren wir aber wieder.
Für Präsentationen haben Sie einen Fundus an Bildern?
Wir haben Zugänge bei Creative Market und Pixeden und recherchieren manchmal. Die Produktion von Mockups ist mittlerweile ein richtiges Business, die Auswahl wächst. So entstehen seltener unangenehme Situationen – einmal hatten sich vier Praktikanten mit demselben Mockup für eine Visitenkarte bei uns beworben.
Wobei die Konkurrenz durch immer raffiniertere Mockups sicher dazu beigetragen haben, das gestalterische Niveau von Portfoliobildern zu heben.
Natürlich leben wir in dieser Mockup-Welt, das gehört zum Zeitgeist. Mir geht es aber nicht ums bloße Anhübschen, sondern darum, etwas eigenständig von vorne bis hinten zu durchdenken. Wobei Mockups sehr lehrreich und interessant sein können. Man bekommt offene Dateien, die oft sehr gut und strukturiert aufgebaut sind. Wenn Studenten und Grafiker sich mal in all den Ebenen angucken würden, was Fotografie, was 3D und was mit Photoshop noch hinzugefügt ist, könnten sie viel lernen.
Der Mockup-Markt wächst
… und wird in puncto Qualität und Preis immer unübersichtlicher. Aber es gibt spannende Trends
Eifrig wird in aller Welt an Photoshop-Templates für die Präsentation kreativer Arbeiten gewerkelt. Oft sind dann die Dateien zu unterschiedlichen Konditionen auf den großen Plattformen für Design-Assets zu finden, wie Creative Market, GraphicBurger oder Envato Elements. Einzelne Anbieter, die sich auf eigenen Websites auf Premium-Mockups konzentrieren, gibt es erst wenige. Zu nennen wären Pixeden, Forgraphic™, Graphic Pear, lstore.graphics sowie Mr.Mockup. Das Creatsy-Team aus Kalifornien, bisher nur bei Creative Market und Etsy vertreten, arbeitet zur Zeit ebenfalls an einem eigenen Shop.
Gleichzeitig tauchen immer wieder Webanwendungen auf, um Mockups direkt im Browser zu erstellen, wie etwa Screenpeek der Agentur überdosis. Die Berliner Webdesigner wollten selbst nicht länger umständlich Screenshots in Bilder digitaler Devices einbauen und kreierten ihr eigenes Tool. Unter https://screenpeek.io Gerät auswählen, URL eingeben, fertig. Inzwischen steht Screenpeek für den allgemeinen Gebrauch bereit und wird auf User-Feedback hin überarbeitet. »Oft wurde nach dem iPhone X und aktuellen Top-Android-Geräten gefragt«, so Developer Philipp Kühn. »Außerdem ist derzeit nur ein Log-in über Twitter möglich – das werden wir ändern. Und wir planen eine API, um Screenpeek in andere Services zu integrieren.«
Die erste Online-App für Print- und Produkt-Mockups will Artboard Studio werden. Hinter dem spannenden Projekt steckt ein Team aus der Türkei, das unter dem Label Mockup Zone auf der eigenen Site und über Creative Market seit 2014 aufwendige PSD-Templates verkauft, auch sogenannte Scene Creators mit einer Vielzahl von Objekten und Ebenen. Die Konstruktion von Szenen aus vielen Elementen ist auch Prinzip von Artboard Studio, das umfangreiche Libraries enthält. Es sind diverse Kauf- und Abomodelle angedacht.
Portfolio: Tipps, Tools und Case-Studies
- Case Studies fürs Portfolio: Darauf kommt es an!
- Portfolio-Tipps: Keine Ausreden mehr beim Selfmarketing!
- Die besten Portfolio-Tipps von Art Buyern und Kunden
- Portfolio Design: Tipps und Tools
Dieser Beitrag ist Teil unserer großen Selfmarketing-Geschichte aus der PAGE 09.2018. Tipps für Selfmarketing in Social Media findet ihr bereits online. Als P+-Abonnent könnt ihr direkt auf die komplette Ausgabe zugreifen und damit auch auf unsere Tipps rund um erfolgreiches Selfmarketing von Social Media über Pressearbeit bis SEO: