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Jury-Mitglied Mike John Otto über die diesjährigen D&AD Awards

Was sorgte in der Jury für Diskussionen, welche Favoriten haben sich durchgesetzt.

Was sorgte in der Jury für Diskussionen, welche Favoriten haben sich durchgesetzt.

Bereits im Mai traf sich die D&AD-Jury, um die Gewinner der Awards 2011 zu küren. Zwei Tage diskutierte Mike John Otto in der Jury »Digital Design«, welche Arbeiten preiswürdig sind. Seine Eindrücke, seine Favoriten und wie es in der Runde um Jurypräsidenten Andy Sandoz zuging, erzählt er im PAGE-Interview.

PAGE: Die Jury-Arbeit ist hart, gerade in der Kategorie »Digital Design« gibt es viel zu sehen und auszuprobieren. Wie viele Einsendungen mussten Sie in diesem Jahr bewerten?

Mike John Otto: Im Pre-Screening waren es circa 300 Arbeiten, da vorab schon sehr gut gefiltert wurde. Vor Ort hatten wir dann 150 Arbeiten am ersten Tag, und am zweiten Tag rund 28 auf der Shortlist. Richtig ins Finale gingen dann ca. 20 Arbeiten, die zwei Tage heiß besprochen wurden.

Wie politisch verlief die Diskussion? Hat Jurypräsident Andy Sandoz dabei den Takt vorgegeben?

Ich habe es sehr viel weniger politisch empfunden als beispielsweise deutsche Wettbewerbe. Da die Jury sehr durchmischt ist und zum Beispiel in der Digital Design Jury nur zwei D&AD-Mitglieder waren, war die Chance, dass es offen und fair abläuft, hoch. Andy hat sicherlich manchmal gelenkt, allerdings hatten wir eine sehr debattierfreudige Runde mit sehr starken Persönlichkeiten. Da hat jeder seinen Senf dazu gegeben, wenn ihm etwas nicht passte.

Welche Nation hat sich denn am temperamentvollsten gegeben?

Unsere Jury war sehr international: England, Schweden, Spanien, USA, Singapur und ich aus Deutschland. Bei einigen Cases haben sich oft zwei Lager gebildet: UK & Schweden versus Deutschland, Spanien, USA und Singapur. Das war besonders dann der Fall, wenn es um Web 2.0 und Flash-Projekte ging. Ich fand es schwierig, dass so stark in Schwarz und Weiß oder Gut und Böse zu sehen. Beides war gut vertreten und hatte seine Highlights. Wobei man sagen muss, dass wir alle gelangweilt waren von den großen, trägen Flash-Specials und Games, die in den letzten Jahren genug gewonnen haben und jetzt wirklich langsam Auslaufmodelle sind. Dennoch bin ich nicht der Meinung, dass Arbeiten, nur weil sie super minimalistisch und in HTML gebaut sind, einen gleich umhauen. Manchmal war es schade, dass einige Mitglieder nicht so gekämpft haben, weil die sprachliche Hürde zu hoch war.

Gab es einen Überraschungsmoment in der Jury?

Bei einigen Cases, ja. Zum Beispiel plädierten viele zunächst stark für BDW.edu – sogar für einen Black Pencil. Der innovative Ansatz der Seite ist spannend, aber bei näherem Betrachten und nach langem Diskutieren sah man, dass er nicht zu Ende gedacht war. Daher ist die Seite nur ins Buch gekommen. Das Johnny Cash Projekt war auch ein großer Liebling. Die Idee, User an einem Musikvideo partizipieren zu lassen und sie das Ergebnis prägen zu können, ist super. Jedoch muss man zugeben, dass die Seite visuell nicht umwerfend ist, weswegen das Design hier nicht überzeugen konnte. Ein große Überraschung war die Seite »I Am Not An Artist – Gif Paranoia«, eine Hommage an das animierte Gif, das alle mit ihrer Leichtigkeit überzeugt hat.

Was wurde in der Jury heiß diskutiert?

Ganz grundsätzlich, wo die Reise hingeht. Große, opulente Seiten, wie man sie lange Zeit von schwedischen Studios gesehen hat, langweilen mittlerweile oft. ‘Zu viel, zu lange, zu aufwändig’ haut die Leute nicht mehr um, wie noch vor einigen Jahren. In der alten Online-Königsdiziplin, dem sogenannten Online-Special, wird es vermutlich schwieriger werden. Da bin ich sehr gespannt, wo die Reise mit HTML 5 oder Flash hingeht.

Der Launch des iPad hat die Diskussion um HTML 5 und Flash im vergangenen Jahr noch einmal geschürt. Gab es viele Arbeiten, die Tablets und Smartphones gekonnt einsetzten?

Gab es und das war sicherlich die spannendste Gruppe. Jedoch zeigte sich hier die Schnelllebigkeit von Apps oder iPad-Magazinen: Was zum Launch des ersten iPads hot war, konnte man in der Jury jetzt nicht mehr als ‘hot shit’ honorieren. Da rennt die technische Entwicklung der Kreation voraus. Das ist sicherlich neben Flash vs. HTML 5 ein sehr spannendes Thema.


Welche Favoriten hatten Sie, war darunter vielleicht auch eine iPad-App?

Ich war ein großer Freund der kleinen, aber sehr netten iPad-App von Camper: ‘Have a Camper Day. Ich finde das Artwork herausragend, die App macht Spaß und ist ein schönes Beispiel für die Leichtigkeit, die eine Anwendung haben kann. Wetter-Apps gibt es viele, aber diese ist besonders. Bei ‘The wilderness downtown’ von Arcade Fire war schon vorab klar, dass es gewinnen würde. Grafisch und inhaltlich mochte ich die Website von Grip limited sehr, da sie Trends, Humor und ein gutes Design verbindet. Im Bereich Kampagne und Shop ist die Pop-Up-Store-Aktion von Airwalk sicherlich bahnbrechend und hat mich bereits im Pre-Screening beeindruckt. Ich war froh, dass alle vier Cases es in die Nominierung geschafft haben.

Warum haben gerade diese überzeugt?


Alle drei sind innovativ. Das ist neben den klassischen Kriterien Idee und Design am wichtigsten, wie ich finde.

»The Wilderness« hat sich schließlich durchgesetzt.

Die Website macht einfach Spaß.

In die Zukunft geblickt: Wo sehen sie noch Nachholbedarf im Bereich des Digital Design? Wo sind die Kreativen gefordert, gute Projekte anzugehen?

Der Bereich digitales POS-Marketing kann noch ordentlich nachlegen. Es gibt noch nicht viel Überzeugendes, was Store und Online spannend und neu miteinander verbindet.

Sie haben viele Arbeiten gesehen. Welche aktuellen Designtrends zeichnen sich ab?

Derzeit überwiegt ein Magazinlook. Leichtes Design, das man schnell versteht. Es geht wieder stark in Richtung “Userfreundliches Design”. Dem gegenüber stehen experimentelle Seiten, die die technischen Grenzen sprengen. Seiten wie ‘The wilderness downtown’, die nicht mehr in ein Browserfenster gepresst sind, werden nicht die Regel werden, aber sind sicherlich Wegbereiter für ein fragmentales Design, das nicht so stark einem Raster oder Designkonzept unterworfen ist. Die zwei Trends sind extrem gegensätzlich, aber beide sehr spannend: Klarheit vs. digitale Kunst.


Konnten Sie sich auch ein Bild von den anderen Gewinnern machen? 

Da sehr viele Freunde dieses Jahr in den Jurys saßen, konnte ich viel im Bereich Branding, Film oder Nachwuchs sehen. Zwar fand ich die Bereiche qualitativ alle sehr hochwertig, aber die große Innovation fehlte mir hier. Ich war froh, in der Digital Design Jury zu sein.

Wie fällt Ihr Fazit zur Jurysitzung aus?

Eine tolle Woche! Ich kann nur jedem wünschen, mal dabei zu sein. Für mich ist der D&AD Award der wichtigste internationale Preis und es ist eine Ehre, dabei gewesen zu sein. Was die Arbeiten betrifft, merkt man, dass vieles gerade im Umbruch ist und sich neu erfindet. Es gibt weniger denn je eine klare Antwort, was gerade hot or not ist. Mehr denn je muss man sich mit allen neuen Technologien auskennen und beschäftigen, um nicht immer mit den gleichen Schlagworten (Storytelling, Web 2.0, digitale Kampagne) um sich zu werfen. Die Lösung eines Briefings kann vielfältiger sein und die Positionierung einer Agentur offener denn je. Sehr spannend!

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