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Schrift des Monats: Vesper

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ob Keller hat angerichtet.

Rob Keller hat nicht nur angerichtet, sondern voll abgeliefert. Seine Schriftfamilie Vesper hat schon jetzt einen beachtlichen Umfang – und noch ist das sicher nicht das Ende der Entwicklung. Die Grundidee für Vesper entstand im englischen Reading – neben den Haag eine der führenden Schriftschulen – wo der amerikanische Schriftschöpfer nach seinem BA in Illinois von 2006 bis 2007 studierte. Seitdem widmet er sich liebevoll und systematisch dem Ausbau seiner ersten großen Schriftfamilie.

Vesper hat auch den für Reading typischen charaktervollen Duktus, der beinahe schon ins Expressive geht. Vielleicht erklärt dies auch ihren Namen, der sowohl an ein rustikales Abendessen als auch an das liturgische Abendgebet assoziieren lässt. Doch ganz so »christlich« will die Vesper gar nicht sein! Immerhin gibt es schon jetzt Varianten für das indische Devanagari und das Hebräische. Treffender ist wohl ein Vergleich mit der Filmfigur Vesper Lynd nebst dem nach ihr benannten Cocktail aus dem Bond-Thriller »Casino Royale«: Klar strukturierte Machart, herbsüß im Geschmack und von unberechenbarer Wirkung. Tatsächlich bestätigt Keller diese Namenspatin, weil der Film damals herauskam und er während der Grundentwicklung der Schrift permanent die Audiobooks laufen hatte.

Auch der im ersten Ansehen fremdartige Eindruck täuscht nicht: In der Tat kam die Inspiration für Keller durch einen Workshop über nordindische Schriftsysteme im Rahmen seines Masterkurses. Allerdings sollten danach noch mal zwei Jahre ins Land gehen, bis die Schriftfamilie in all ihren Grundfesten stand.

Neben enormem Fleiß und Ausdauer, braucht es da auch immer wieder den Blick für die wesentliche Form: Was nimmt man weg, was behält man bei? Da war es sicher hilfreich, dass Rob Keller auch ein ausgebildeter Bildhauer ist. Tatsächlich möchte man die Lettern der Vesper als kleine Skulpturen betrachten. Objekte, die kein Podest brauchen, um zu imponieren. Besonders schön kommen die Formen in sehr großen Graden zur Geltung – wie beim hier demonstrierten Ausgleich der Ligaturen oder der Unterlängen und Akzente.

Konzipiert wurde die Vesper keineswegs für dekorative Headlines, sondern tatsächlich für den Mengensatz. Erstaunlicherweise funktioniert das Flatterhafte der Schrift auch in den kleinen Graden – und sowieso bei den der Schreibschrift näher stehenden Kursiven. Hier fällt allein das Minuskel-»g« mit seiner schlaksigen Krümmung ein wenig aus dem Rahmen.

Natürlich wurde die Vesper nach allen Regeln der Kunst ausgebaut und deckt allein in der westlichen Welt ein breites Sprachspektrum ab. Sie verfügt nicht nur über die üblichen Fettegrade (fünf an der Zahl) und Kursive, sondern enthält jeweils auch Ligaturen, Mediälverziffern, Zahlen für hoch- oder tiefgestellte Indices und wartet in jedem Schnitt mit zahlreichen Sonderzeichen oder Schmuckelementen auf. Die Lesefreundlichkeit wird durch die relativ hohe X-Höhe unterstützt. Eine Besonderheit: Es gibt nicht nur Kapitälchen, sondern auch »Petite Caps« – selten zu sehende Minimajuskeln auf X-Höhe.

Die Devanagari-Version wurde schon in Reading parallel zur lateinischen entwickelt, so dass sich beide Formen gegenseitig beeinflussten. Sie haben wesentliche Merkmale gemeinsam und harmonieren dadurch miteinander: Die breitfederartigen Wechsel in den inneren Kurven gegenüber äußeren Bögen, die Enden der Serifen, die gerundeten Karos für die Punkte. So wie die Vesper Devanagari einen Schuss westlicher Modernität enthält, gehen wiederum die individuell gestalteten Tropfen der lateinischen Buchstaben auf Vorbilder aus dem Hindi zurück.

Die jüngst erschienene Vesper für das Hebräische entstand in Zusammenarbeit mit dem Israelischen Schrift-Designer und Künstler Oded Ezer. Es kostete zahlreiche E-Mails und Skype-Konferenzen, das kongeniale Pendant zur lateinischen Ausgangsversion zu schaffen. Am Ende stand eine Variante, die fürs die anders laufende Leserichtung und auch Eigenheiten des Hebräischen wie die fehlenden Minuskeln funktioniert, dennoch den typischen Duktus der Vesper aufweist. Ähnlich wie bei der durchgehenden oberen Schriftlinie der Devanagari sind normalerweise auch im Hebräischen die Horizontalen stärker betont, wenngleich ohne dort verbunden zu werden. Vesper Hebrew bringt mit verstärkten Vertikalen ein progressives Moment ins Hebräische. Diese Balanceverschiebung lässt sie aber nicht nur moderner erscheinen, sondern lässt sie nahtlos zum lateinischen Standard anschließen.

Vesper ist eine extrem einnehmende Schrift. Ihre Eigenwilligkeit könnte indes ihr größter Nachteil sein – denn sie duldet kaum andere Fonts neben sich. Angesichts des abgedeckten Spektrums benötigt man diese zwar nicht, aber gelegentlich möchte man auch Kontraste schaffen. Das könnte mit ihr schwierig werden. Die im ersten Moment gewöhnungsbedürftige, ja fast verstörende Schrift überzeugt nicht nur wegen des quantitativen Ausbaus. Gerade diese systematische Vorgehensweise Rob Kellers und seiner Mitstreiter zeigt, wie modernes Schriftdesign Heute in der Lage ist, kulturelle Barrieren zu überspringen. Und dabei ihrem eigentlichen Zweck treu zu bleiben: Schrift will vor allem gelesen werden. Zeit für eine erfrischend aufregende Vesper.

Vertrieben wird die Vesper exklusiv über die Berliner Foundry Mota Italic, die Rob Keller gemeinsam mit seiner deutschen Frau Sonja im Bezirk Prenzlauer Berg seit Mai diesen Jahres auch als Galerie und Shop für exquisite Typografie führt (s.a. PAGE Online »Mota Italic: Galerie für Typografie« vom 19.05./»Type Masters bei Mota Italics« vom 28.07.2011).

beide Abbildungen oben: Ausstellung »Photo-Lettering« der Foundry House Industries bei Mota Italic im Oktober 2011, Detail der aktuellen Ausstellung »Blacklecker«.

So akribisch bemüht wie die Formsprache ist auch die Preisgestaltung: Das komplette Paket (alle 10 Fonts) kostet EUR 268,07 in der Einzelplatzlizenz. Im günstigeren Viererpack mit Kursiven bekommt man die Light/Medium und Regular/Bold für EUR 133,61. Wer noch etwas in den Weihnachtskuverts hat: Für Studenten gibt es immerhin 30% Rabatt!

Links

Rob Keller / Mota Italic

www.motaitalic.com

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Was können Variable Fonts und wem nützen die OpenType-Schriften?

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