Die von Alessio Leonardi für die Stadt Berlin gestaltete Schriftfamilie Change ist jetzt für Jedermann erhältlich.
Am 11. März 2008 stellt der Regierende Bürgermeister von Berlin die neue Stadt-Marketing-Kampagne »Be Berlin« vor. Sie sollte die vielfältigen Facetten der Hauptstadt regional, national und international bekannt machen, um mehr Unternehmen und Besucher in die Stadt zu locken. Die treibende Kraft der Kampagne sind wechselnde Dreizeiler, gesetzt in der eigens entworfenen Schrift Change. Ihr Name ist Programm: Berlin ist im Wandel, und das soll die Welt wissen. Zwölf Jahre diente die Change der Stadt als Markenschrift. Jetzt darf sie ihr Potenzial – optimiert und erweitert – zugunsten aller zu erneuernden Marken und Projekte endlich richtig entfalten.
Der entscheidende Moment bei der Be-Berlin-Kampagne war, dass nicht die Stadt Berlin in den Mittelpunkt gerückt wurde, sondern die Menschen und ihre vielfältigen Lebensentwürfe. Hierfür entwickelte die Agentur Embassy die Sprechblase als visuellen Rahmen, mit einer dreizeiligen Typografie im Zentrum. Während der Launch-Phase texteten Promis wie der Sternekoch Tim Raue oder die Schülerinnen und Schüler der engagierten Rütli-Schule die Sprechblase, später steuerten die Bürgerinnen und Bürger ihre Ideen bei.
Ihr unverwechselbares Profil bekam die Berlin-Kampagne durch eine eigens entwickelte Schrift. Hierfür verpflichtete die Agentur Fuenfwerken den erfahrenen Typedesigner Alessio Leonardi. Bereits seine ersten Entwürfe enthielten die unverwechselbaren Merkmale der späteren Großfamilie: die starke horizontale Betonung, gebogene Diagonalen in ausgewählten Buchstaben, gebrochene Stämme bei den Kursiven sowie das kontrastreiche Zusammenspiel von eckigen und runden Elementen.
»Das Besondere an der Schrift ist ihre Menschlichkeit. Die Familie wurde nicht stringent geplant, sie ist gewachsen und durchlief mehrere Entwicklungsstufen. Trotz ihrer Klarheit und Funktionalität wirkt sie lebendig und unkonventionell. Sie ist nicht das, was man erwartet, sondern immer etwas anders,« beschreibt Alessio Leonardi heute im Rückblick das Temperament seiner Schrift.
Der Name für die Berlin-Schrift ergab sich fast automatisch. Change bezieht sich sowohl auf den Wandel einer vitalen Großstadt, als auch auf die visuellen Merkmale der Schrift. Alessio Leonardi: »Die Buchstaben sind nicht statisch, trotzdem ergeben sie ein ruhiges Textbild. Change ist unkonventionell, hat viele eigenartige Details, wirkt aber sofort vertraut. Sie ist nicht perfekt, so wie eine lebendige Stadt nie perfekt ist. Change ist offen für das Neue, sie verkörpert Veränderung und ist selbst Teil der Veränderung.«
Eine besondere Bedeutung kommt dem Ursprungsentwurf Change Letter zu, mit dem die Berlin-Kampagne an den Start ging. Mit ihrem kontrastreichen Wechselspiel von Härte und Feinheit verleiht sie Texten und Headlines Nachdruck und Profil. Die konisch geformten Abstriche und die gewinkelten Diagonalen bei den Buchstaben A, M, V, W, v und w machen sie unverwechselbar. Ihr mit Slab-Serifen angereicherter Schreibmaschinen-Look trägt die dreizeiligen Kernaussagen der Kampagne und wird zum Setzkasten für alle Berlinerinnen und Berliner. Mit drei fixen Buchstabenbreiten verortet sie sich zwischen Monospace- und proportionalen Schriften und lässt mit ihr gesetzte Typografie stark und selbstbewusst erscheinen.
Der Wunsch des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, die Kampagnentypografie auf die allgemeine Kommunikation der Stadt zu übertragen, führte ein Jahr später zur Entwicklung von Change Sans, einer zweiten, etwas neutraler anmutenden Schriftfamilie, aber mit der gleichen Ausstattung wie die Letter: Regular, Bold, Italic und Bold Italic. 2010 wurde sie mit leichteren und kräftigeren Schnitten erweitert. Ein weiteres außergewöhnliches Feature ist die mit wachsender Strichstärke reduzierte Laufweite. Das bedeutet, ein fetter Schnitt wie ExtraBold nimmt weniger Platz ein als ein dünner Schnitt wie Light. Gleichzeitig wird ein harmonischerer Weißraum der Buchstabeninnenräume und -abstände erzielt.
Als Berliner Foundry war es Fontwerk ein Bedürfnis, gemeinsam mit Alessio Leonardi dieses besondere Stück regionaler Schriftkultur umfassend zu überarbeiten und zu erweitern, um es endlich Designerinnen und Designern weltweit zur Verfügung zu stellen. Im eher starren behördlichen Gestaltungsumfeld wurde das Potential der Change zu keiner Zeit ausgeschöpft. Jetzt darf sie aller Welt zeigen, was sie kann.
Der Fokus der Optimierung lag zunächst auf der Change-Sans-Familie: Die Anzahl der Strichstärken wuchs von fünf auf elf, die noch besser aufeinander abgestimmt sind und mit neuen Extremen zugunsten einer größerem Flexibilität aufwarten. Um den Weißraum der Punzen und um die Buchstaben präzise zu kontrollieren, baute Fontwerk die gesamte Familie auf der Basis von drei Mastern mit modernen Tools und unter Berücksichtigung gestiegener Ansprüche neu auf. Mit dem erstmals zur Verfügung stehenden Variable-Font lassen sich sämtliche Nuancen an zusätzlichen Strichstärken zwischen den Extremen Hairline und ExtraBlack einstellen.
Auch der Zeichenvorrat der Change, die übrigens noch immer von der Berliner Feuerwehr und Polizei genutzt wird, wurde vergrößert. Das betrifft auch die Glyphen für die nicht-lateinischen Sprachen, die von Amélie Bonet (Kyrillisch und Griechisch) und Donny Trương (Vietnamesisch) geprüft und getestet wurden. Schließlich erweitern Kapitälchen in allen Schnitten die typografische Vielfalt. Fontwerk plant, der Change Letter zu einem späteren Zeitpunkt die selbe Behandlung zukommen zu lassen und die Familie mit einer komplett neuen Monospace-Variante sowie Piktogramm-Fonts zu bereichern. Letztere sind bereits vereinzelt auf der Fontwerk Website im Einsatz.
Ein Einzelschnitt der Change kostet 50 Euro, alle 22 Schnitte inklusive Variable Font 350 Euro. Kaufen kann man sie direkt bei Fontwerk, dort gibt es auch kostenlose Trial Fonts.