Die Hamburger Kreativagentur LA RED und die 3-D-Experten von Artificial Rome realisierten ein mobiles Racing-Game für Kia. WEAVE berichtet, wie die Entwickler die ausgefuchste Interaktion austüftelten und die ultracoole High-End-Ästhetik auf Smartphone-Performance abwärts tunten
»Na endlich hat es mal geklappt«, lacht Matthias Maurer, Geschäftsführer der Kreativagentur LA RED aus Hamburg. »Seit Jahren kenne ich Patrik de Jong von Artificial Rome, wir haben früher mal bei einem Projekt für BMW zusammen gearbeitet und wollten schon ewig ein gemeinsames Projekt umsetzen.« Normalerweise verliert man sich langsam aus den Augen, was auch sicher passiert wäre, wenn nicht beide Offices in Hamburg und Berlin hätten und sich die Gelegenheit für ein gemeinsames Feierabendbier immer wieder mal ergab. Hier reifte die Idee des abgefahrenen Racing-Games, mit dem Kia Motors Europe den neuen Kompaktsportwagen pro_cee’d GT für den europäischen Markt vorstellt.
Man lädt »GT Ride« auf sein iPhone, iPad, Android-Smartphone oder -Tablet. Um eine Rennstrecke zu gestalten, drückt man auf »Aufnahme« und beschreibt mit seinem Gerät eine Linie in der Luft, als würde man ein Papierflugzeug wildeste Manöver vollführen lassen: Loopings, Stürz- und Steilflüge, alles, was geht. Der Bewegungssensor (neudeutsch Gyroskop) des Geräts nimmt alles auf, und das Game generiert daraus einen wilden 3-D-Rennparcours durch eine atemberaubende, futuristische urbane Straßenszenerie, die wie ein völlig frei schwebendes Kunstobjekt in den Wolken hängt.
So cool und frisch sieht das aus, als wäre eine unsichtbare Überschallgeschwindigkeits-Straßenreinigung gerade vorausgedüst, um für den User, der in einem 3-D-generierten Kia-Flitzer hinterdrein saust, mal eben die Aussicht zu verschönern. Dabei hat man das Gefühl, Achterbahn zu fahren – und das ist der entscheidende Wettbewerbsvorsprung im Vergleich zu gewöhnlichen Rennspielen: Das ist absolut neu, kein anderes Rennspiel fühlt sich so an.
»Das Fahrzeug und die Marke sollten nicht zu stark in den Vordergrund treten, damit die Zielgruppe die Kampagne nicht als Werbung verwirft«
Margit Schroeder, Creative Director LA RED
In einem roten Klinkerbau unweit des alten Schlachthofs im Hamburger Schanzenviertel betreut LA RED als Leadagentur für kreative Digitalkampagnen bereits eine ganze Reihe von Projekten für Kia Motors Europe. Das Racing-Spiel ist Teil einer Aktivierungskampagne für den neuen Kompaktsportwagen Kia pro_cee’d GT und soll vor allem eine junge, männliche Zielgruppe ansprechen: technisch gut ausgerüstet, Neuem gegenüber aufgeschlossen, ein schickes mobiles Gadget als Tor zur digital vernetzten Welt immer am Mann, der sich selbstverständlich auch in sozialen Netzen zuhause fühlt.
Wie intensiv ein User das Spiel nutzt und dass er es vielen Freunden weiterempfiehlt, entscheidet über den Erfolg der Kampagne. So wird der Spieler zum Kia-Botschafter und sorgt für digitale Visibility. »Also konzipierten wir die Grundmechanik des Spiels für eine Anwendung auf Facebook«, erklärt Artificial-Rome-Geschäftsführer Patrik de Jong. Als Key Device identifizierte man das Smartphone, »über das die User deutlich öfter als per Desktop auf Facebook zugreifen«, wie LA RED-Managing-Director Matthias Maurer weiß. Je mehr Freunde Racer werden und auf einem selbst generierten Renntrack fahren, desto höher rutscht der Einladende im Gesamt-Ranking. Um es zu verbessern, kann man seine Rennstrecke dann noch auf der eigenen Facebook-Wall posten. Auf jeden Fall aber ist für die Beliebtheit wichtig, dass die Route so interessant ist, dass sie allein durch das Fahrerlebnis Fahrer anlockt.
Natürlich wünschten sich alle Beteiligten einen starken Markenbezug – und doch durfte es kein überbrandetes Corporate Game werden, weil die bei Projektstart skizzierte Zielgruppe dem erfahrungsgemäß ablehnend gegenüber steht. Nur wenn die gespendete Aufmerksamkeit Spaß verspricht und das Spiel das Versprechen auch wirklich einlöst, empfiehlt man Freunden gerne etwas weiter.
Also inszenierten LA RED und Artificial Rome »GT Ride« als eigenständige Marke mit eigenem Look, der sich bewusst von der Kia-Corporate-Identity entfernte. »Wir wählten auch einen eigenen Appnamen – ohne den Namen Kia«, erklärt Matthias Maurer, und die Website ist als Microsite unter einer individuellen Domain zu finden. Damit das Branding dennoch klar erkennbar ist, tritt Kia als Sponsor des Spiels auf. Es gibt vereinzelte Platzierungen des Logos, beispielsweise als In-Game-Ads auf Billboard-Charts an den Strecken, wobei die Marke immer als externer Partner über den Claim »Powered by Kia« kommuniziert wird.
»Zur Stilentwicklung habe ich erst einmal Handzeichnungen gefertigt«
Dirk Hoffmann, Co-Gründer von Artificial Rome
Die detaillierte Ausarbeitung des Konzepts – sowohl für die Messe-Installation als auch für das mobile Game – erfolgte auf Basis eines Klickdummys, den LA RED und Artificial Rome dem Kunden in einem gemeinsamen Workshop präsentierten. Da man den Kia pro_cee´d GT als wichtigstes Branding-Element der Kampagne identifizierte, verließ Artificial Rome das Treffen mit dem Auftrag, besonders auf ein realistisches 3-D-Rendering des Autos zu achten. Heraus kam ein verblüffender Hyperrealismus, der auch den TV-Trailer und die Site prägt – und den Entwicklern der mobilen App Steine in den Weg legte, denn woher so viel mobile Performance nehmen, wenn nicht stehlen?
Dirk Hoffmann ist Co-Gründer von Artificial Rome und kommt ursprünglich aus der Bildenden Kunst, wechselte erst spät ins Grafikdesign. Er näherte sich in umfangreichen Vorentwürfen der endgültigen Szenerie, skizzierte Betonpfeiler, Lüftungssysteme, Dach- und Stahlseilkonstruktionen, Asphaltstrukturen, architektonische Flächen. Aus ihnen renderte Game Developer Torsten Sperling erste 3-D-Modelle in Softimage und entwickelte daraus ziemlich schnell den ersten Prototyp in Unity. »So konnte man sich schon gut vorstellen, wie das Game später aussehen würde«, sagt er. »Es ist wie ein Gemälde, das man mit der Hand vorzeichnet und dann immer weiter verdichtet.« So entstanden viele Prototypen, die LA RED und Artificial Rome in zweiwöchentlich stattfindenden Workshops Stück für Stück weiter verfeinerten.
»Das Grundprinzip des Games nahm Kia so gut auf, dass wir eine Vorabvariante als interaktive Installation für die IAA in Frankfurt entwickeln sollten«
Patrik de Jong, Co-Gründer von Artificial Rome
Ganz andere Kräfte waren der Aufgabe geschuldet, das Konzept und die Funktionalitäten für sechs europäische Märkte zu adaptieren, in denen die Kampagne zeitgleich starten sollte. Aufgrund marktwirtschaflticher Unterschiede gab es verschiedene Anforderungen ans Timing. Jedes Land hat andere Preise und Spielzeiten. »Wir mussten also eine technische Lösung schaffen, die die zentrale Steuerung der Kampagnen-Website und der App mit den lokalisierten Inhalten in einem Vorgang erlaubt«, so Torsten Sperling. Da Kias Content-Management-System (CMS) keine Schnittstelle für die Pflege mobiler Apps vorsah, entwickelte Artificial Rome ein eigenes CMS auf Basis einer PHP-Eigenentwicklung, das alle benötigten Plattformen beliefert. So können die Märkte ihre Sprachversionen eigenständig anlegen, testen und finalisieren. Damit reduzierten sich die Abstimmungsaufwände mit den Agenturpartnern auf ein Minimum, was dann einen schnelleren europaweiten Rollout vor dem geplanten Start der App Anfang 2014 ermöglichte.
Zudem fiel der Startschuss für das Game bereits vor dem eigentlichen Erscheinungsdatum auf dem Kia-Stand der Internationalen Automobil Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main. Dort kam das Game extrem gut an. Besucher warteten in Schlangen, um selber ihre Strecke bauen und fahren zu dürfen. Dazu gibt es schon Anfragen von anderen lokalen Messen. Artificial-Rome-Geschäftsführer Patrik de Jong ist froh über die erfolgreiche gemeinsame Arbeit:
»Bei der Zusammenarbeit zählt nicht nur die fachliche Expertise des Einzelnen, auch das tägliche Miteinander muss harmonisch sein.«
Besonders dankbar ist er, dass Kia Motors Europe den Agenturpartnern genügend Vertrauen entgegenbrachte, ihren kreativen Gestaltungsspielraum auszuleben. Nur so kommen sie schließlich zu exzellenten Produkten.
UNTERNEHMEN Kia Motors Europe
AGENTUR LA RED GmbH, Hamburg, Artificial Rome GmbH, Berlin
PROJEKT Konzept und Entwicklung eines Games zur Einführung des neuen KIA-Modells pro_cee´d GT
ZIEL Den neuen Kompaktsportwagen über soziale Netze bekannt machen
ZEITRAUM Mai bis Dezember 2013
TECHNIK Unity, vvvv, Autodesk Softimage, Arduino, Kinect, TestFlight
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