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Personal Websites – wirklich individuelles Design ist gefragt

Es braucht nicht viel für eine gelungene Personal Website. Bloß wirklich gutes Design. Der ideale Job für Gestalter mit Corporate-Design-Know-how

Das Menü der Website von Musiker Manuel Moreno – mehr dazu weiter unten

Früher nannte man es »Homepage« – also eine Site, die den Vor- und Nachnamen von jemandem als URL hat und auf der dieser sich persönlich vorstellt. Bei visuell Schaffenden sind da ihre Kreatio­nen zu sehen, ob Grafikdesign, Land­schaftsarchitektur oder Ölgemälde. In diesem Artikel soll es dagegen um Webauftritte für all jene gehen, die nicht unbedingt tolles Bildmaterial mitbringen, wie etwa Autoren, Musiker, Comedians, Politiker oder Coaches.

Ja, persönliche Websites haben an Bedeutung ver­loren, seit es Social Media gibt. Viele beschränken sich darauf, bloß dort mit Accounts präsent zu sein: Text- und Meinungsmenschen auf Twitter, wer stän­dig unterwegs ist und viel erlebt, auf Instagram. Die­jenigen jedoch, die an ihrem Personal Branding arbeiten, als Experten gefragt oder für Auftritte gebucht werden wollen, brauchen nach wie vor eine eigene Seite. Nur so entsteht ein klares Profil.

Homepage kann jeder?

Häufig funktionieren diese Seiten nur noch als Aggregatoren, sozusagen als Schaltzentrale zu den ver­schiedenen Kanälen, von Twitter über YouTube bis SoundCloud. Dazu kommen Angaben zur Person, die von sparsamen biografischen Daten bis zu länge­rer Selbsterklärung reichen können. Sowie die für die jeweilige Berufssparte relevanten Infos zu Tourdaten, Veröffentlichungen, Konferenzauftritten et cetera. Echt simpel also, alles passt oft auf einen One-Pager. Dafür braucht man doch keinen teuren Desig­ner, schließlich gibt’s Templates oder im Bekanntenkreis jemanden, der ein wenig HTML kann . . .

Genau deshalb sind überzeugende Personal Websites absolute Mangelware. Was eigentlich ein individueller Auftritt sein soll, kommt langweilig und un­persönlich daher. Statt gestalterisch etwas zu wagen, um neugierig zu machen, wirken die Looks wie geklont. Typografisch wird bestenfalls Hausmannskost, meist Stümperei geboten. Dabei ist gerade bei kleinen, inhaltlich reduzierten Sites ein sehr feines typo­grafisches Gespür umso wichtiger. Dieses Know-how haben nur Designexperten.

Dazu kommen schlimme Personenfotos – Amateurbilder oder Studiofotografie wie aus dem vorigen Jahrtausend. Wer auf sein persönliches Branding Wert legt, sollte gerade hier nicht sparen und allergrößte Sorgfalt auf interessante, authentisch anmutende Bil­der verwenden. Weil gute Porträtfotos ein ganz, ganz schwieriges Thema ist, haben wir unter www.page-online.de/die-besten-portraetfotografen einige Anregungen zusammengestellt.

Individuelle Webauftritte: Viel zu tun für Profis

Auch wenn in bestimmten Branchen – zum Beispiel bei Sportlern, Schauspielern oder Schriftstellern – die Homepage aus der Mode gekommen ist, bleiben noch genug andere, die sich über einen per­sönli­chen Auftritt im Web profilieren und vermarkten müssen. Ein breites Betätigungsfeld für Profidesigner, die in Berufssparten wie den folgenden eine Menge besser machen könnten:

 

Politiker. Brauchen meist komplexe Websites im Ma­gazinlook, die ein Team fast täglich mit neuem Input füllt. Dafür bieten die großen Parteien Baukas­tensysteme, um ratzfatz Seiten im Branding der jeweiligen Gruppierung zu erstellen. Doch wenn alle Auftritte gleich aussehen, animiert das die Bürger we­der zu politischem Engagement, noch hilft es ihnen dabei, sich bei Listenwahlen für einzelne Kandida­ten entscheiden zu können.

Musiker. Hier hat sich ein immer gleiches Muster etabliert, bei dem die Menüpunkte Tourdaten, neu­es Album, Videos und About untereinander in verschie­denfarbigen oder von großen Fotos dominierten Ab­schnitten abgehandelt werden – was wie bei https://lindavogel.ch durchaus seinen Zweck erfüllt. Dennoch wird bei Musikerwebsites noch am ehesten etwas gewagt, wie unsere Beispiele zeigen.

Experten. Egal, ob TEDx-Speaker oder Bestseller-Sachbuchautor – die Sites sind oft hässlich, erstaunlich unübersichtlich und wenig zeitgemäß. Erfüllen also all das nicht, was Konferenzveranstalter auf der Suche nach guten Sprechern oder schlicht inhaltlich Interessierte erwarten.

Coaches. Früher hieß es, wer nichts wird, wird Wirt. Heute könnte man stattdessen Coach sagen – über 35 000 sind es angeblich in Deutschland, die meis­ten ohne wissenschaftlich fundierte Ausbildung. Nach den Websites zu urteilen, möchten man den wenigsten von ihnen die Beratung fürs eigene Leben in die Hand geben.

Webauftritt: Was macht gutes Design aus?

Für viele dürfte es sich also lohnen, in ein besseres Design ihres Webauftritts zu investieren. Doch was macht gutes Design aus, warum müssen auch für kleine, scheinbar ganz einfache Sites Ex­per­ten ran? Die Antwort lässt sich gar nicht so leicht formulieren, es geht um Grundsätzliches. »Man braucht ein Auge für Proportionen, muss Informationen strukturieren können«, so Sven Michel vom sehr typografielastig arbeitenden S/M/L Studio aus Berlin – gerade dort, wo erst mal kein Bildmaterial vorhanden ist, spielt Typo-Know-how eine umso größere Rolle. Um auf den Punkt zu bringen, was eine Person ausmacht, helfe zudem Corporate-Design-Expertise. »Dabei sollte man aber nie übertreiben und übergestalten«, betont Michel – nur so blieben eine Website und ihre Inhalte glaubwürdig. 

Diese Personal Websites haben wir uns genauer angesehen

https://manuelmoreno.ch

Ein kleines Kunstwerk ist die Site von Bureau Collective aus St. Gallen für den DJ und Musikproduzenten Manuel Moreno. Ausgehend von seinen Initialen MM entwickelten Ruedi Zürcher und Ollie Schaich eine geometrische Form, die sowohl Visitenkarte und Poster als auch die Website bestimmt. So zerschneidet sie raffiniert deren Video-Intros. Zu Höchstform läuft die rechteckige Schlangenlinie aber in Animationen auf, zieht sich bei Interaktion mit der Site zusammen oder wieder auseinander. Die im Keyvisual enthaltenen Rechtecke bestimmen auch die Rubrik »Videos«, wo sie bei Animationen zu jedem Track farblich und formal variiert werden. Außerdem bieten sich die Spalten der Linienkonstruktion für die responsive Umsetzung an. Das Thema Animation haben die Designer sogar auf die Visitenkarte übertragen: Hier ist das Visual auf einen elastischen Silikonträger gedruckt, es lässt sich also ebenfalls »bewegen«.

www.tereziamora.de

Wie lange müssen persönliche Websites halten? Im besten Fall sind es zeitlose Klassiker wie bei der deutsch-ungari­schen Schriftstellerin Terézia Mora, die 2018 den Georg-Büchner-Preis erhielt, die renommierteste Auszeichnung für deutschsprachige Literatur. Der Besucher steigt direkt in einen bis an den Rand gesetzten Text ein, der in einer schön leserli­chen grauen Georgia (ein Computerfont der ersten Stunde) die ganze Seite bis unten läuft. Beim Herunter­scrollen findet man in den Text eingestreut kleine Bilder der Autorin und ihrer Bücher – teils als PDFs aufrufbar. Responsiv ist die Site auch, dabei ging sie 2005 online, bevor es das erste iPhone gab . . .

 

http://laureboer.com

Es trifft sich gut, dass Musikerin Laure Boer selbst Teil des Berliner Design­studios BANK™ ist. Ihre neue Website unterschei­det sich eigentlich nicht von der anderer Musiker – die gleichen Inhalte wie derzeit üblich untereinander auf nur einer Seite. Die Feinhei­ten machen den Unterschied, wobei (fast) alles unter dem Motto »Simpli­city« steht: Es gibt kein Menü, nur Text und Bilder, die Times als »Preset«-Font, nur eine Schriftfarbe und nur eine Schriftgröße. Bei Letzterer wiederum gilt »Big ist beautiful«. Das wunderbare Porträtfoto gleich am Anfang schoss Paul Rousteau, dessen Bilder auch in »i-D« oder »Dazed & Confused« zu sehen sind. Eine feine farbliche Abstimmung sowie bunte Emojis als Farbtupfer und emotionales Moment machen den Auftritt perfekt.

www.hollyherndon.com

Holly Herndon ist Avantgardistin. Die in Berlin lebende Amerikanerin beendet gerade an der Stanford University ihre Doktorarbeit über Machine Learning und Musik. Auf ihrem jüngsten Album »PROTO« ist die von ihr und Mathew Dryhurst entwickelte KI-Anwendung Spawn musikalisch mit von der Partie. Ihre neue Website, gestaltet von PWR Studio aus Berlin, kommt entsprechend avantgardistisch in Schwarz, Weiß und mit schimmernd rot eingefärbten Bildern daher. Linien und Balken auf der in einzeln scrollbaren Spalten aufgeteilten Site erwecken einen fast wissenschaftlich aufgeräumten Eindruck. Was in Kontrast zum schrägen Cover­motiv von »PROTO« steht, das Ex-Metahaven-Designer Michael Oswell konzipierte. In Anlehnung an die Layer der Musik legte er Fotos aller an der Produktion Beteiligten übereinander, woraus ein Alien irgendwo zwischen Mensch und Maschine entstand.

 

www.ericeitel.com

Wirklich aufs Allerwesentlichste reduziert ist der Auftritt von Eric Eitel, Autor und Kurator für Technologie, Kunst und Kultur aus Berlin. Wieso sticht er trotz dieses Minimalismus positiv aus zahllosen anderen Personal Sites hervor und überzeugt auch eine anspruchsvolle Zielgruppe? Weil die Experten vom heraus­ragenden S/M/L Studio bei dieser »Web-Visitenkarte«, wie Designer Sven Michel sie nennt, am Werk waren. Die Inhalte, einschließlich eines Twitter-Feeds links und eines Aufklappmenüs rechts, sind kompakt, smart und übersichtlich in zwei Spalten untergebracht. Die Site ist Teil eines Erscheinungsbilds und war mal giftgrün. Seitdem Eric Eitels analoge Visitenkarten auf Silber umgestellt worden sind, kommt sie seriöser in Grau, Schwarz und Weiß daher, mit liebevollen kleinen Hover-Farbeffekten bei Links.

 

www.jan-wenke.de

Bekannt ist das Bureau David Voss aus Leipzig vor allem für experimentelle Poster, doch die Website von Lektor Jan Wenke kommt extrem aufgeräumt daher. »Eine gute Gestaltung muss sich – je nach Zweck und Aufgabe – auch zurücknehmen können«, so Designerin Lisa Petersen. »Die Überarbeitung der Website orientiert sich an unserem Erscheinungsbild für Jan Wenke: Das Lektorieren ist eine klare, strukturierte Tätigkeit, die starke Fokussierung und Genauigkeit verlangt. Das soll sich in der Gestaltung widerspiegeln. Liebe zum Detail spielt da eine große Rolle.« Die Website glänzt also genau mit den Qualitäten, die man von einem hervorragenden Lektor erwartet, der auch professionellen Textsatz anbietet.

 

www.bazonbrock.de

Das Werk des emeritierten Professors für Ästhetik und »Imaging Sciences« ist gigantisch. Seit ersten Veröffentlichun­gen im Jahr 1957 produziert Bazon Brock unablässig Texte, hält Vorträge oder praktiziert Action Teaching – es sammelten sich Videos, Tondokumente und Bilder aller Art an. Da Brock seine Website als Arbeitsbiografie begreift, die all diese Informationen und Materialien archiviert, stand die Weimarer Agentur Kohlhaas & Kohlhaas vor keiner kleinen Aufgabe. Von der Zeitleiste über Textausschnitte im Menüpunkt »Essenzen« oder die Mediathek kann jeder Nutzer seinen eigenen Zugang wählen. Die Site hat infografischen Charakter, Inhalte und ihre Darstellung generieren sich dynamisch aus einer Datenbank. Einen ersten Überblick gibt ein Diagramm auf der Startseite, das Texte von 1957 bis 2019 anzeigt und in dem sich per Mouseover navigieren lässt.

 

www.laurelhalo.com

Hero Menus sind zurzeit sehr angesagt – in riesigen Lettern geschriebene Menüpunkte, die das Interface quasi zum Inhalt der Website machen. Nach der Devise »Mobile First« ist das auch praktisch, um sie am Handy mit dem Finger zu bedienen. Es entsteht eine interessante, naturgemäß typo­lastige Ästhetik, die sich gerade für die Sites von Textmenschen anbietet. Oder mit ein paar Schmankerln für eine DJane wie Laurel Halo. Mirko Borsche und Moby Digg schufen eine nur auf den ersten Blick minimalistische Website: Absolut sehenswert ist, wie die Buchstaben der einzelnen Wörter bei Mouseover zu den jeweiligen Tracks zu tanzen beginnen – was perfekt zu Laurel Halos tanzbarem Minimal Techno passt.

 

https://madeleinemorley.cargo.site

Und zum Schluss zeigen wir noch die Site einer Designamateurin. Okay, die Londoner Designjournalistin, die von Berlin aus für »The Guardian« oder »Eye« schreibt, ist nicht ganz ahnungslos . . . Jedenfalls beschloss Madeleine Morley, sich mit dem Website-Builder Cargo mal selbst als Gestalterin zu versuchen. Das Ergebnis ist very basic, aber gelungen. Auf der simplen Startseite stehen die Titel ihrer Artikel und Vorträge in verschiedenfarbiger Schrift. Bei Klick geht‘s zu den meist komplett wiedergegebenen Texten, wobei Morley jedem einen eigenen, passenden Look gibt. Super finden wir auch die Idee, für Infos über ihre Vorträge als Hintergrund Google-Maps-Screenshots des jeweiligen Ortes zu nehmen. Trotz kleiner Macken entsteht eine gestalterisch eigenständige und inhaltlich informative Site. So soll ein persönlicher Auftritt aussehen.

 

Dieser Artikel stammt aus der PAGE 09.2019. Als PAGE+ Abonnent haben Sie Zugang zu dieser Ausgabe und natürlich unseren anderen digitalen Angeboten.

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