Studierende der Merz Akademie erforschten den Einfluss von KI auf Modedesign und entwickelten spannende interaktive Projekte
Merz Akademie in Stuttgart. Das Ergebnis sind verschiedenste, selbst programmierte Semesterprojekte, die die aktuellen Trends aufgreifen, aber auch die Schattenseiten beleuchten. Darunter ein smarter Spiegel, der den Modegeschmack der Nutzenden anzweifelt, ein von neuronalen Netzen gehäkeltes Wolloberteil, eine ganze Kollektion 3D-modellierter Papierkleider, die nach dem Wert digitaler Mode fragt, sowie eine Story um ein Faux-Couture-Label auf Instagram.
Eingebettet ist der »Dress Code«-Kurs in die langjährige Design- und Forschungsreihe »Beautiful 0s and ugly 1s« der Professorin und Netzkünstlerin Olia Lialina, seit diesem Jahr auch Dekanin der Gestaltungshochschule. Zusammen mit Dragan Espenschied erforscht sie die Wechselwirkung zwischen digitalen und analogen Phänomenen, und das vor dem Hintergrund zweier großer Visionen: der Vermenschlichung von Computern einerseits und der Materialisierung digitaler Phänomene andererseits.
»Beides existiert parallel und entwickelt sich in entgegengesetzte Richtungen«, sagt Olia Lialina. Zielt die eine Vision darauf, Computer unsichtbar und intuitiv zu machen, geht es bei der anderen um das genaue Gegenteil, nämlich um »die Visualisierung von Algorithmen, Nullen und Einsen in ihrer ganzen Pracht«.
Beide Paradigmen haben nach Ansicht der New-Media-Professorin großen Einfluss auf die zeitgenössische Designpraxis. »Durch die Automatisierung (KI) als dominantes Konzept werden sie heute deutlicher sichtbar denn je«, erklärt Olia Lialina.
Und gerade der Fashionbereich ist dafür ein gutes Beispiel: Während mehr und mehr Luxusmarken ins Metaverse vordringen, sind die Modetrends in der realen Welt zunehmend von Gamewelten und Social Media geprägt. Das ist nicht immer nur »prächtig«, sondern oft auch bedenklich, wie die kritischen Auseinandersetzungen der Studierenden zeigen.
Was ist es euch wert?
In ihrem Projekt »Price loading …« beschäftigte sich Nikol Stanojevic (@truecreation.design) mit dem Preis virtueller Mode und fragte sich, welche Funktionen oder Dysfunktionen dazu führen, dass der Wert eines Kleidungsstücks steigt oder fällt. Sie definierte zunächst zwei preissteigernde Faktoren (die Anzahl der digitalen Layer sowie von AR-Filtern inspirierte fliegende Accessoires) und zwei preissenkende (nicht geladene Texturen und fehlerhafte Programmierung). In Blender entwarf sie zu jedem Faktor einen 3D-modellierten Dress, dessen Vorder- und Hinterteil sie in Übergröße ausdruckte, dann sorgfältig ausschnitt und mit einfachen Schulterbändern zu tragbaren Outfits montierte. »Ich wollte, dass sie auffällig und übertrieben wirken. Die knalligen Muster für die Entwürfe habe ich bei Freepik gefunden«, erklärt Stanojevic. Bei der Werkschau in Stuttgart eröffnete sie einen kleinen Pop-up-Store, um die Entwürfe zu präsentieren. Wie beim Kauf physischer Kleidung sollten die Besucher:innen sie anfassen, anprobieren und beim Blick auf das Preisschild ihren Wert abwägen. Dabei zeigte sich, dass selbst fehlgeschlagene Programmierung und nicht geladene Texturen als modisch reizvoll empfunden werden können. https://is.gd/priceloading
Von Schichten und Maschen
Um zu visualisieren, wie konvolutionale neuronale Netzwerke (CNN) zur Bildklassifizierung arbeiten, entwickelte Juhui Kim (https://mushroomchaeri.neocities.org) unter dem Titel »Knots. RGB« ein Konzept, das die drei Layer der KI-Analyse und die gewonnenen Bildinformationen in verschiedene Häkelmaschentypen übersetzt. Da ein CNN jedes Bild-pixel als RGB-Wert analysiert, nutzte die Studentin als Ausgangsmaterial für ihr Oberteil die Bilder eines Apfels (rot), einer Wassermelone (grün) und einer Blaubeere (blau). Der erste Layer des CNN ermittelt die Farbe, der zweite bestimmt die Größe und der dritte die Textur eines Bildes. Aus den resultierenden Werten leiteten sich dann die Art der Häkelmaschen, ihre Dichte sowie verschiedene Farb- und Garnkombinationen für das Design ab. https://pad.profolia.org/s/Knot.RGB
Mis-Match Mirror
Inspiriert vom Film »Clueless« (1995) und dem virtuellen Kleiderschrank der Protagonistin Cher Horowitz hat Julia Holz (@lavendeliaa) in ihrem Projekt »smartless//tasteless« die Idee eines intelligenten, modebewussten Einrichtungsstücks weitergedacht. Ein smarter Spiegel schlägt den Nutzer:innen nicht nur die im Freundeskreis angesagten Kleidungsstücke vor, sondern erhebt auch Einwände, wenn man sich vermeintlich unpassende Outfits zusammenstellt. Das wirft die Frage auf, ob Menschen nur das tragen, was ihnen gesagt wird, oder ob sie noch einen eigenen Stil haben. Und wenn ja, wie dieser von Prominenten, sozialen Medien oder saisonalen Trends beeinflusst wird. Die Fashion Items für ihre Anwendung hat Julia Holz mit Midjourney erstellt und dann freigestellt. https://pad.profolia.org/s/fashion_julia
Instagram-Schwindel
In der Arbeit »Faux Couture« dreht sich alles um Fake Fashion und Ideenklau. Und welcher Ort könnte besser dafür geeignet sein als Instagram? Lisa Menzel (@lisamar.m) entwickelte die fiktive Story einer jungen Modedesignerin aus der Technoszene, die ihre Entwürfe auf Insta (@newbees.fashion) zu zeigen beginnt. Ihre Kreationen unter dem Label Newbees (wie der Kanal für Einsteiger in Midjourney) erregen erste Aufmerksamkeit, während sie – sichtbar in Instagram Stories – eine große Modenschau vorbereitet. Was niemand ahnt: Alle Designs sind von anderen gestohlen. Dies wird nach der Show aufgedeckt und führt zum Untergang des Labels. Sämtliche Assets für ihre Insta-Schwindel-Story hat Lisa in Midjourney gepromptet. https://pad.profolia.org/s/fashion_lisa
Download PAGE EXTRA 04.2023: Ausbildung, Weiterbildung, Studium
Zurück in die Werkstätten, Live- Vorlesungen und Workshops! In dem kostenlosen Booklet informieren (Fach-) Hochschulen, Akademien und Seminaranbieter über ihr aktuelles Programm zu Studiengängen, Aus- und Weiterbildungen in Design, Werbung und Medien vor.