Mit untrüglichem Gespür für Form, Farbe und Struktur geht Roland Poppensieker auf Motivsuche. Seine architektonisch klar gegliederten Aufnahmen zeugen von einem genuin fotografischen Blick und sprechen die Sprache der New Topographics, wie sie in der gleichnamigen Ausstellung im George Eastman House 1975 vorgestellt wurde. Seine Aufnahmen lenken den Blick auf scheinbar unattraktive, funktionale Zweckarchitektur am Rande der Städte. Sie dokumentieren das räumliche Umfeld des modernen Menschen: die Stadt-Landschaft, das Häuser-Meer, den Vorstadt-Dschungel, die Industrie-Brache – und sind doch eigenständige fotografische Werke. Parallelen sind vor allem zum Werk Stephen Shores erkennbar.
Eine besondere Rolle spielt die Farbe in Poppensiekers Arbeiten. Als Akzent, als Kontrast zu Beton und Teer, die manche der Aufnahmen geradezu unfarbig erscheinen lassen. Aber auch als wesentliches Gestaltungsmittel in Motiven, die an die Ästhetik der „New Color Photographers“ erinnern, wie sie von Sally Eauclaire erstmals 1981 definiert wurde und wie sie in den Bildern von Joel Meyerowitz besonders vergleichbar erkennbar wird.
Mit der Idee der fotografischen Reise in 22 Tagen = 22 Bildern tritt der konzeptuelle Ansatz der Serie hinzu: Jeden Tag ein Bild, das synonym für die visuellen Eindrücke des Tages steht und innerhalb der Serie einen Schritt weiter führt, eine Vervollständigung des Ganzen darstellt. Hier sind Ed Ruscha, der in seinen Bildserien wie „26 Gasoline Stations“ (1963) oder „34 Parking Lots in Los Angeles“ (1967) jedoch besonders den typologischen Aspekt in den Vordergrund stellt.
Noch näher ist Poppensiekers „22 days“ vielleicht William Egglestons Portfolio „14 pictures“ von 1974. In beiden Werkkomplexen steht das Zufällige, jedoch signifikant Getroffene im Mittelpunkt und die einzelnen Motive fügen sich in der Serie zu einem Ganzen. Poppensieker sucht und findet Gestalt, Schönheit und eindrucksvolle Farbspiele in gewöhnlichen Alltagsszenen und es gelingt ihm, in seine Motive ein Körnchen unserer Gegenwart zu bannen und es für uns greifbar zu machen.
Eröffnung: Donnerstag, den 13. Januar 2011, um 18 Uhr
Worte zur Vernissage spricht Sebastian Lux, Kurator der Stiftung Gundlach.