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Bild und Raum

Werkbund Galerie, Berlin
Ausstellung

 
Iondesign GmbH, Wiewiorra Hopp Architekten, Tobias Wille Photographie
 
Mit der Gestaltung einer öffentlichen Toilette und den Plattenbauten bezie- hungsweise was von ihnen bleiben kann, widmet sich der Werkbund Berlin niederen Objekten.

Bild und Raum Ausstellung

Iondesign GmbH, Wiewiorra Hopp Architekten, Tobias Wille Photographie

Mit der Gestaltung einer öffentlichen Toilette und den Plattenbauten bezie- hungsweise was von ihnen bleiben kann, widmet sich der Werkbund Berlin niederen Objekten. Nicht Hochkultur wird hier gefeiert, sondern es werden Produkte gezeigt, die den alleralltäglichsten Alltag prägen. Doch wie schon Siegfried Giedion wusste, spiegelt sich selbst in einem Kaffeelöffel die Sonne – wenn er denn richtig gestaltet ist.

»Die Platte« ist zum Inbegriff der Nicht-Architektur geworden. Sie gilt als lieb- los industriell zusammengesteckte Notbehausung, die das Existenzminimum abdeckt. Vom Sozialingenieur und Baukonstrukteur zweckmäßig berechnet steht sie bar aller gestalterischen Ansprüche in der Welt. Solche Bewertung wird sicher nicht von allen geteilt, aber von allen unbestritten haftet ihr das Geschmäckle des Niederen und Simplen an. Was aber bleibt von den Ze- mentplatten, wenn überzählige Großtafelbauten abgebaut werden (müssen)? Nur der Staub, der aus den Mühlen weicht, um sinngemäß Bert Brecht zu zitieren, der von den Großen Städten befand, dass von ihnen nur bleibe der Wind, »der durch sie blies?« Wiewiorra Hopp Architekten hatten die rühm- liche Idee, es gar nicht erst zur Mühle kommen zu lassen, sondern die soli- den Stücke nach Art des Bricoleurs neu zusammenzusetzen und als Atelier oder Datsche oder Wochenendhäuschen oder Geräteschuppen weiter zu nutzen. Ein umweltbewusstes Recyceln und Nachsorgen also. Das aber, be- denkt man es genau, die zweckmäßige Idee der „Platte“ konterkariert durch die gestaltende Phantasie des Architekten.

Und wer befasst sich schon gern mit der Notdurft, die jeden im Lauf eines Tags bei diversen Besorgungen in der Stadt bedrängen kann. Wer wünschte sich in solchem Fall nicht, von Urin, Kot und liederlichem Schmutz verschont zu werden. Berlin war in der Kaiserzeit berühmt für die Urinoirs, die dem Stadtgänger zivilisierte Erleichterung verschafften. Iondesign hat sich dieses delikaten Themas angenommen und seine Delikatesse ins Architektonische gewendet. Ein kleines rationalistisches Tempietto thront wohl gestaltet de- zentral auf dem – der Legende nach – zentralsten aller zentralen Alexander- plätze Berlins und behütet eine Wendeltreppe im cleansten denkbaren De- sign. Mit Mosaikfliesen und einer Rezeption-Rotunde am Grunde lässt es eher an Theater oder private Bäder denken denn an die öffentliche Notdurft. Iondesign konterkarierte das Schmuddelimage des Themas durch eine ele- gante Heiterkeit der Gestaltung. Sie trägt den Witz wieder in eine heute trübe gewordene Öffentlichkeit zurück.

Die dritte Konterkarierung liefert, die beiden Projekte verknüpfend, Tobias Wille, der Fotograf. Das Plattenprojekt fotografiert er detailliert und zerlegt die räumliche Anordnung der Platten in zweidimensionale flächige Ausschnit- te. Er zeigt auf den Fotos Oberfläche, Material und Fügung, aber keinen Raum. Das konterkariert die Architektur, doch nicht die Fotografie. Denn Fo- tografie liefert räumliche Tiefe nur als Illusion, als perspektivischen Trick. Sie bleibt auf die Fläche gebannt. Eben das nutzt Tobias Wille beim zweiten Pro- jekt der öffentlichen Notdurft, indem er die fotografischen Tricks der räum- lichen Dimension konterkariert durch Unschärfen und Lichtreflexionen, die auf dem Bild verwischt, also nicht räumlich, sondern verzeitlicht wirken. Als habe ein Auge den Bewegungen der Stadt nicht schnell genug folgen kön- nen. Weil sie aber den Spindelwänden der öffentlichen Toilette folgen, schaf- fen sie ihrerseits mit am Raum des heiter eleganten Orts der Notdurft. Deko- ration zwar, aber als raumschaffendes Bild, das keine räumliche Illusion darbietet, die mit dem wirklichen Raum der Toilette konkurriert.

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