Wir interviewten Pascal Reitz, der seit vier Jahren bei Deli Creative Collective in Hamburg als Motion Designer arbeitet …
Eine entspannte Grundhaltung, Sinn für Humor, Zeichentalent und Freude daran, kleine animierte Figuren herumspringen zu lassen – ungefähr so lassen sich die Eigenschaften zusammenfassen, die Pascal Reitz, 31, für seinen Job als Motion Designer bei DELI Creative Collective mitbrachte. Als wir mit ihm sprachen, nahte gerade sein vierjähriges Jubiläum bei dem Hamburger Studio. So viel sei vorausgeschickt: Gelangweilt hat er sich seither nicht.
PAGE: Wolltest du von Anfang an Motion Designer werden? Und bringst du von der Hochschule eine entsprechende Ausbildung mit? Pascal Reitz: Nicht wirklich. Studiert habe ich an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, da wurden eher Themen wie Buchgestaltung groß geschrieben. Wozu ich keinen rechten Hang hatte . . .
»Mein Stil ist Comic-artig, quietschbunt und lustig«
Nach den Einführungskursen in die verschiedenen Programme habe ich selbst meine Kenntnisse dort vertieft, wo es mich interessierte: bei der 2D-Animation mit After Effects und ersten Grundlagen von Cinema 4D. Im Hauptstudium habe ich mich in drei großen Projekten auf Animation konzentriert. Zum Glück gab es die nötige Hard- und Software – von anderen Hochschulen hörte man, dass die Studenten sich die Rechner teilen mussten. Oft hat Professor Ulrich Plank vom Institut für Medienforschung die Arbeiten mitbetreut. Er wusste immer, welche Programme wo nötig waren.
Wie kamst du von Braunschweig nach Hamburg? Reitz: Anfangs habe ich mich relativ breit bei Kreativagenturen beworben, dann habe ich mich auf Hamburg und Motion Design beschränkt. Ein Bekannter hatte eine Liste passender Studios. Bei DELI klappte es mit einem Job. Schon beim ersten Telefonat fand ich den Laden sympathisch. Es hieß, ein gewisser Michael »will mit dir reden«. Ich habe dann erst vor Ort erfahren, dass er der Geschäftsführer ist.
Was für ein Portfolio hattest du beim Vorstellungsgespräch bei DELI vorzuweisen? Reitz: Sehr viele kleine Animationen. Ich hatte vorher nebenbei für eine Firma ein wenig in Richtung Imagefilm gearbeitet. Außerdem gab es ein animiertes Musikvideo für einen Berliner Underground-Rapper. Während eines Auslandssemesters in Belfast waren weitere freie Projekte entstanden. Da kam schon einiges zusammen. Fast alles sehr experimentell, aber es reichte, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
»Ich musste lernen, schneller zu werden, und das schwelgerische studentische Arbeiten loswerden. Von den alten Hasen habe ich gelernt, wie man die Programme effektiver nutzt«
Wie fühlte sich dann das »echte« Arbeitsleben bei DELI an? Reitz: Dass ich zeichnen kann, kam schon mal sehr gut an. Ich wurde sofort fürs Storyboarding eingesetzt und konnte dabei viel lernen. Im Studium lässt man Storyboards gern mal weg, weil man schnell anfangen will. After Effects und Cinema 4D kannte ich ja schon, meine Character-Animationen waren gern gesehen. Aber ich musste schneller werden, das schwelgerische studentische Arbeiten loswerden.
Wie hast du das geschafft? Reitz: Wenn der Producer nach einem Tag an den Tisch kommt und sich wundert, was man die ganze Zeit gemacht hat, merkt man, dass man vielleicht zu detailliert, zu umständlich arbeitet. Ich hatte mir das meiste ja selbst beigebracht. Von den alten Hasen habe ich gelernt, die Programme effektiver zu nutzen.
Ist das Arbeitsleben in der Medienbranche so stressig, wie oft behauptet wird? Reitz: An der Hochschule gab es viele, die keine Lust auf eine Agentur hatten, sondern ihr eigenes Ding machen wollten. DELI jedenfalls ist ein entspannter Laden, man geht fair mit der Arbeitszeit um. Natürlich sind Überstunden je nach Auftragslage manchmal selbstverständlich. Aber das wird weniger, je professioneller man selbst seine Zeit einteilt.
Welche Eigenschaften sollte man für den Job als Motion Designer mitbringen? Reitz: Gelassenheit und die Fähigkeit, mit Menschen umzugehen. Man arbeitet ja nicht nur am Computer und das war’s. Mit dem Kunden, der manchmal neben einem sitzt, muss man ebenso kommunizieren wie im Team. Wenn einem bestimmte Arbeitsschritte weniger liegen, sollte man nicht einen Tag lang herumprobieren, sondern diese Aufgabe lieber abgeben – und entweder selbst wissen, an wen, oder es mit dem Producer besprechen. Und man muss sein Ego immer wieder zur Seite packen können. Es geht nicht darum, Bilder zu produzieren, die man selbst schön findet, sondern darum, effektiv zu arbeiten.
Wie oft hast du direkt Kontakt mit Kunden, und wie gestaltet sich das? Reitz: Wenn die Kunden nicht in Hamburg sind, gibt es relativ oft Telefonkonferenzen. Meistens schicken wir ihnen Entwürfe oder Arbeitsergebnisse, und besprechen diese telefonisch. Da können von jeder Seite zwei oder drei Leute beteiligt sein, manchmal auch mehr, wenn etwa noch die Kreativdirektorin und 3D-Spezialisten dabei sein müssen.
Empfindest du deine Arbeit eher als technisch oder eher als kreativ? Reitz: Das hält sich ganz gut die Waage. Manchmal haben die Agenturen als Auftraggeber schon sehr genaue Vorstellungen, in anderen Fällen kann man den Look mitbestimmen. Wenn man weiß, dass bald wieder eine nette Aufgabe in den Startlöchern steht, hilft einem das durch Dürrephasen und man beißt sich bei nicht ganz so spannenden Aufgaben durch.
»Motion Designer werden auch bei der Kalkulation zurate gezogen, um beim Kunden ein vernünftiges Angebot abzugeben«
Was sind deine Vorlieben? Reitz: Mein Stil ist eher Comic-artig, lustig und quietschbunt – solche Jobs landen mit großer Wahrscheinlichkeit auf meinem Tisch. Gleich zu Anfang hatte ich ein nettes Projekt für das Schauspielhaus Hamburg mit viel Character-Animation. Die Figuren waren von einem holländischen Illustrator vorgegeben, aber ich durfte alles drumherum gestalten. Das war im ersten halben Jahr ein sehr guter Start.
Welche Projekte waren seither Highlights? Reitz: Zum Beispiel der Spot für die Stadtwerkzeug-App der Stadtwerke Düsseldorf. Lustigerweise musste ich sogar für die ersten Testshots als Model herhalten – wir benötigten jemanden, der mit einem Smartphone die Hände bewegt, die später mit den Animationen interagieren sollten. Wir hatten zu Anfang zwei Designrouten entwickelt. Eine Cartoon-Version ohne Realfilm, die wir dem Kunden als Variante B anbieten wollten, habe ich gemacht. Für den Abschnitt über die Veranstaltungstipps der App habe ich recherchiert, was in Düsseldorf alles los ist, und in Photoshop und Cinema 4D den Styleframe für eine kleine Theaterbühne mit einer Aufführung von Shakespeares »Romeo und Julia« gebaut.
Zwischenfrage: Kannst du kurz den Begriff Styleframe erklären? Reitz: So bezeichnet man bei Animationsprojekten Bilder, mit denen man dem Kunden grob die Stilrichtung zeigt.
Welche Aufgaben fielen noch beim Spot für die Stadtwerkzeug-App an? Reitz: Ich habe zum Beispiel auch an einer Parkhauslandkarte mitgearbeitet, die sich entfaltet. Bei einem Film mit 2D- und 3D-Elementen ist es interessant zu entscheiden, wann man welche Software verwendet, ob man alles im 3D-Programm macht oder wann man After Effects einsetzt. An anderer Stelle musste man überlegen, wie sich eine Discokugel gestalten lässt, die nicht nur leuchtet, sondern auch ein wenig Partystimmung verbreitet. Gar nicht so einfach in der Kürze der Zeit.
Mit welchen deiner Kollegen hast du beim Produktionsprozess besonders häufig zu tun? Reitz: Permanent mit dem jeweiligen Producer, denn er fungiert als Schaltzentrale, die dem Kunden neue Arbeitsergebnisse hinüberflankt. Der Producer hat auch das Timing im Auge. Am Anfang hat es für mich das magische Handwerk des Motion Designs fast entzaubert, dass er so genau weiß, wie lange ich für etwas brauche. Wir Motion Designer werden aber auch bei der Kalkulation zurate gezogen, um beim Kunden ein vernünftiges Angebot abzugeben. Je nach Projekt gibt es mehr oder weniger Kontakt mit dem Regisseur und dem Kreativdirektor. Und natürlich tauschen wir Motion-Grafiker uns aus. Vielleicht hat der Kollege ja vor einem halben Jahr ein ähnliches Problem wie das gelöst, das einen selbst gerade beschäftigt.
Mit welchen Tools arbeitest du? Reitz: Überwiegend mit After Effects als der gängigen Software für 2D-Motion-Design und Komposition sowie mit Cinema 4D für 3D-Animationen. Photoshop und Illustrator nutzen wir, wenn Bilder geschaffen werden müssen, etwa noch unbewegte Styleframes. Figuren skizziere ich meist zuerst mit der Hand auf Papier und scanne sie ein. Von Hand arbeite ich auch, wenn ein entsprechender Look gewünscht ist. Beispielsweise bei einem Erklärfilm für ültje, wo die Strichstärke nicht ganz konstant sein sollte, oder einem Film für den Schreibwarenhersteller Leuchtturm1917, der in einem Notizbuch spielt. Für den Spielfilm »Unfriend« war ein Aquarell-Look mit hier und da schmutzigen Ecken gefragt, den wir ebenfalls zuerst auf Papier fertigten.
Was ist das für ein Film? Reitz: Ein Horrorthriller von Simon Verhoeven. Wir hatten schon bei Werbespots mit ihm als Regisseur gearbeitet. »Unfriend« war eine Produktion mit Warner Brothers und wurde in Südafrika gedreht. Wir steuerten Bilder für eine Sequenz bei, in der es um das gruselige Facebook-Profil eines toten Mädchens geht. Es war ein interessantes Hin und Her zwischen dem Regisseur und uns. Die Filmleute, die normalerweise nicht mit Animation arbeiten, haben uns an ihre Vision herangeführt und wir sie umgekehrt an die Animation.
Und dann habt ihr »Unfriend« natürlich im Kino angeschaut. Reitz: Es war toll, das auf der großen Leinwand zu sehen und im Abspann zu stehen! Wir haben nett mit den Kollegen und ein bisschen Sekt im Kino gesessen.
Welche Karrierechancen hat man als Motion Designer? Reitz: Ein Ziel wäre wohl Kreativdirektion oder Regie, also mehr in Richtung Kreation und weniger in der Umsetzung zu arbeiten. Nur Konzepte zu machen und gar nicht mehr am Computer herumzuschrauben, ist allerdings nicht jedermanns Sache. Für mich gibt es erst mal genügend Herausforderungen, sei es durch immer wieder neue große Kunden oder durch DELIs Partnerschaft mit den Animations- und Effektspezialisten von Gravity in Tel Aviv. Es war spannend zu sehen, wie dort aus meinen Bleistiftzeichnungen hochauflösende 3D-Figuren entstanden.
Und was machst du heute noch? Reitz: Ich gehe zu den Pixelists – einem Treffen von Motion Designern, das regelmäßig in der FilmFabrique am Hamburger Hafen stattfindet. Etwa vergleichbar mit dem Berliner Animations- und Motion-Graphics-Meeting Faux Images.
Hast du selbst dort auch schon Projekte vorgestellt? Reitz: Ja, ich habe ein wenig von Nebenbeiprojekten erzählt. Zum Beispiel habe ich zu Ostern mal eine kleine Animation namens »The Eggxorcist« entwickelt, die wir an Kunden und andere Freunde des Hauses geschickt haben. Manche von uns drehen in der Freizeit Musikvideos, und wir helfen uns gegenseitig. Kürzlich hat ein Producer einen Clip mit der Hip-Hop-Band Neonschwarz hier im Schanzenviertel an der Roten Flora gedreht. Ich habe den Film mit animierten, Cartoon-artigen Elementen wie Speedlines versehen, die die Bewegungen der Bandmitglieder begleiten.
Du hast also noch keine Sehnsucht nach einer dieser »Lücken im Lebenslauf«, für die sich Neonschwarz in ihrem Song stark machen? Reitz: Nein, dazu kann man es hier zu gut aushalten!
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