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Das macht ein Corporate Designer bei Strichpunkt

Nils Jaedicke, Creative Director bei Strichpunkt in Berlin, stand uns Rede und Antwort …

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Nils Jaedicke, Creative Director bei Strichpunkt in Berlin

Nils Jaedicke arbeitet seit 2012 bei Strich­punkt in Berlin. Seit 2017 ist der 39-Jährige dort Creative Director. Wir sprachen mit ihm über Manuals, medienübergreifendes Denken und Frustrationsschwellen.

PAGE: Was hält der Tag heute für dich bereit?
Nils Jaedicke: Nachdem ich bereits meine E-Mails gecheckt, die To-do-Liste für den Tag erstellt und am montäglichen Jourfix teilgenommen habe, steht noch ein Illus­tra­torenbriefing auf dem Programm und ei­ne interne Abstimmung zu einem Kunden­projekt. Ein paar Reinzeichnungen muss ich noch freigeben, und heute Nachmittag werde ich hauptsächlich konzentriert gestalten.

Ein ganz normaler Arbeitstag?
Jaedicke: Ja, schon. Manche Tage sind auch mehr von Meetings, Besprechungen und Abstimmungen bestimmt. Oder man hat einen Termin beim Kunden, reist vielleicht in eine andere Stadt und hält dort eine Prä­sentation. Aber das kommt nur alle paar Wochen vor.

Corporate Designer entwickeln also nicht nur Gestaltungs-Manuals . . .
Jaedicke: Das gehört natürlich zum Job da­zu und kann gelegentlich schon auch mal etwas öde sein. Aber es gibt noch so viel mehr!

»Die Zeiten von starren Manuals in PDF-Form sind ohnehin vorbei. Heute geht es mehr darum, eine Marke zu interpretie­ren, ihre Haltung zu kommunizieren und für ihr Erscheinungsbild flexible Elemen­te bereitzustellen.«

War es für dich immer klar, dass du in eine Designagentur wolltest?
Jaedicke: Mit Werbung konnte ich mich nie identifizieren, von daher war mein Weg in eine Designagentur quasi vorgezeichnet. 2006 habe ich bei hw.design in München begonnen, 2010 wechselte ich zu Metadesign und von dort dann 2012 zu Strichpunkt in Berlin.

Und wo hast du was studiert?
Jaedicke: Kommunikationsdesign an der Universität Duisburg-Essen, die heute Folk­wangschule für Gestaltung heißt. Nach ei­nem Auslandssemester an Danmarks Designskole in Kopenhagen und einigen Prak­tika in Designbüros habe ich 2005 meinen Abschluss als Diplom Kommunikationsdesigner gemacht.

Was gehört heute zu deinem Aufgabengebiet?
Jaedicke: Ich entwickle Ideen und Konzepte, gestalte aber auch noch ziemlich viel selbst. Dann stehe ich jungen Kollegen und Teammitgliedern mit Rat und Tat zur Seite. Und ich habe recht häufig Kundenkontakt, halte also Präsentationen. In der Agen­tur bin ich für meine Projekte die letzte Instanz, die noch einmal auf Dinge schaut, bevor sie zum Kunden geschickt werden. Als Senior Art Director habe ich viel Eigen­verantwortung und eigene Kunden, auch mehrere parallel. Ansonsten un­terschei­det sich mein Aufgabengebiet nicht wesentlich von dem eines Art Directors.

Entwickelst du Ideen für Print und Digital gleichermaßen?
Jaedicke: Für Corporate Designer ist es un­erlässlich, medienübergreifend denken zu können und sich nicht an einer Anwendung festzuklammern. Wir wollen ja eine Gestal­tungsidee, einen Look entwickeln, der für viele Medien funktioniert. Also auch für An­wendungen, an die man zu Beginn des Projekts vielleicht gar nicht denkt. Wichtigster Teil der Aufgabe ist, eine Idee oder Werte, die man kommunizieren möch­te, auf wenige zentrale Elemen­te, die diese Idee tragen, zu reduzieren.

»Mit Werbung konnte ich mich nie identifizieren, von daher war mein Weg in eine Designagentur quasi
vorgezeichnet«

Hast du das im Studium gelernt?
Jaedicke: Eher nicht. Dort lernt man das ge­stalterische, formale Handwerk; das Kon­zeptionelle eher im Berufsalltag, im Kontakt mit dem Kunden. Allerdings hatte ich im Studium einen Professor, der viel Wert auf Logoentwicklung gelegt hat. Dafür bin ich dankbar, denn dadurch fällt es mir heute leicht, Dinge zu vereinfachen.


Und was magst du lieber – Print oder Digital?

Jaedicke: Ich komme aus dem Printbereich, da kenne ich mich richtig gut aus, das ist sozusagen meine alte Liebe. Aber in den letzten Jahren ist die Onlinegestaltung viel offener geworden, die gestalteri­schen Möglichkeiten und die Qualität sind enorm gestiegen. Dazu kommen die sich ständig weiterentwickelnden techni­schen Möglichkeiten, die dieses Medium unglaublich spannend machen. Von daher würde ich sagen: Zukünftig wird Online mein bevorzugtes Medium sein.

Welche Eigenschaften sollte man als Corporate Designer noch mitbringen?
Jaedicke: Das Wichtigste ist, dass man Spaß an seiner Arbeit hat. Und außerdem braucht man eine gewisse Frustrations­toleranz. Wenn etwas nicht so klappt, wie ich denke, oder etwas, wofür ich gearbeitet habe, stirbt, darf ich das nicht persönlich nehmen. Sich nicht entmutigen zu lassen, ist zugleich die größte Herausforderung. Weiterzumachen, auch wenn etwas mal nicht geklappt hat oder nicht realisiert wird. Dafür ist man dann umso glücklicher, wenn trotzdem tolle Arbeiten entstehen.

Als Berufsanfänger unterschätzt man oft die notwendigen Kommunikations-, teilweise beinahe diplomatischen Fähigkeiten. Wir erarbeiten zahlreiche Dinge mit dem Kunden zusammen, versuchen immer, ihn mitzunehmen und ihm zu vermitteln, warum diese Idee, diese Gestaltung zu ihm passt. Da muss man ganz viel kommunizieren. Teamfähigkeit ist natürlich auch eine wichtige Eigenschaft. Als Corporate Designer hat man nicht ausschließlich mit Kun­den zu tun, sondern auch mit anderen Designern, mit Beratern und Strategen, mit Motion-Designern, Entwicklern, Fotografen und Textern.

Wie viel Technik Know-How brauchst du?
Jaedicke: Ich muss Technik verstehen, allerdings nicht perfekt beherrschen. Auch als Corporate Designer muss ich wissen, ob es Sinn macht, irgendwo eine Animation ein­zubinden oder welches die momenta­nen Anforderungen für Interfaces sind. Wenn ein Programmierer zu meiner Idee sagt: »Das geht nicht«, ist es hilfreich, wenn ich erwidern kann: »Das habe ich aber da und da schon gesehen.« Ein gewisses Hintergrundwissen und ein Feeling für neue Tech­nik sollten also vorhanden sein. Im Stu­dium ist das einfacher, weil man da sehr dicht an neuen technischen Entwicklun­gen dran ist. Aber auch später im Job kann man dazulernen. Indem man offen ist, sich interessiert und zudem mal rechts und links schaut, was eigentlich die Kollegen machen. Denn man kann auch ganz viel von Projekten lernen, an denen man gar nicht beteiligt ist.

»Für Corporate Designer ist es unerlässlich, medien­übergreifend zu denken und sich nicht an einer Anwendung festzuklammern«

Was fasziniert dich an deinem Job?
Jaedicke: Dass ich so unglaublich viele ver­schiedene Welten kennenlerne, denn bei jedem neuen Job muss ich mich ja in die Materie des Kunden einarbeiten. Toll sind auch Fotoshootings vor Ort, da kommt man in Locations, zum Beispiel ein Stahlwerk oder ein riesiges Containerschiff, wo man sonst nie hingekommen wäre. Designer können unglaublich viel kennenlernen, wovon sie vorher keine Ahnung hatten – vorausgesetzt, sie interessieren sich für andere Dinge als Gestaltung um der Gestaltung willen.

Und was macht dir am meisten Spaß?
Jaedicke: Großartig ist der Moment, wenn sich die einzelnen, ungewissen Teile eines Projekts plötzlich zu einem Gesamtbild zu­sammensetzen. Erst ist ja viel unklar, man sammelt viele Informationen und versucht, Ideen zu finden. Dann fügt es sich plötzlich zu einem Ganzen und man sieht: Ja, das kann richtig gut werden. Und dann ist es einfach schön, sich mit Kollegen und Kunden auszutauschen und zu merken: Das hätte ich alleine in meinem Kämmerchen nicht erreicht.

Könntest du dir vorstellen, in einem anderen Bereich zu arbeiten, zum Beispiel im Interface Design oder ist Corporate Design einfach dein Ding?
Jaedicke: Corporate Designer sind Interface Designer: Das Interface wird zur Marke. Digitale Schnittstellen sind ja heute be­reits das prägende Markenerlebnis. Die Über­gänge waren vorher aber auch schon fließend. Corporate Design wandelt sich ständig. Es reicht in viele andere Bereiche hinein: von Corporate Publishing über Kom­munikation im Raum bis zur Produkt­kommunikation. Daher ist es eine für vie­le Formate und Kanäle offene, langfristig ausgerichtete Designdisziplin. Ich kann heute nicht mehr sagen: Ich gestalte ledig­lich die Basiselemente eines Corporate De­signs und habe ansonsten Scheuklappen auf. Zum Glück.

Dieser kreative Aspekt des Corporate Designs war früher nicht so stark ausgeprägt, oder?
Jaedicke: Vor zehn Jahren hatte Corporate Design tatsächlich stärker eine verwalten­de Funktion, da ging es mehr um das Erstellen von Manuals. Natürlich muss es auch heute bestimmte Basiselemente und ein paar Regeln geben, aber bis ins kleins­te Detail alles festzulegen, macht überhaupt keinen Sinn mehr. Auf den Social-Media-Kanälen kann ich kaum noch kontrollieren, wie meine Marke aussieht. Wel­che Medien und Schnittstellen es in ein paar Jahren geben wird, können wir ja jetzt noch nicht absehen.

Wir gestalten aber jetzt schon für diese Medien, wenn wir heute ein neues Corporate Design entwickeln. Daher werden PDF-Manuals ersetzt durch möglichst wenige, einfache Designprinzipien und -elemen­te, die medienübergreifend funktionieren. Die­se Elemente können beispielsweise in GUI-Kits, sprich Graphical-User-Interface-Kits, bereitgestellt werden, die sich flexibel für unterschiedliche Devices einsetzen lassen und so jedes Interface der Marke unverwechselbar machen.

Immer wichtiger werden auch die Werte einer Brand, die Frage, welche Haltung sie einnimmt. Wenn zukünftig Chatbots mit dem Kunden sprechen, sind Dinge wie Mar­kenverhalten wichtiger als strenge De­signvorgaben. Allerdings bin ich zuversichtlich, dass es auch weiterhin genug visuelle Schnittstellen geben wird, die Designer gestalten können.

Welches war bislang dein spannends­tes Projekt?
Jaedicke: Vielleicht das Rebranding der gro­ßen Berliner Wohnungsbaugesellschaft Gewobag. Es hat wirklich Spaß gemacht, diesem Unternehmen ein neues, modernes, modulares und farbenfrohes Gesicht zu geben. Auch weil man es in ganz Berlin sieht. Wenn ich in der Stadt unterwegs bin und gebrandete Niederlassungen oder Pla­kate sehe, bin ich schon stolz.

Und an was für einem Projekt würdest du gerne mal arbeiten?
Jaedicke: Schon im Studium habe ich davon geträumt, eine Fluggesellschaft komplett durchzubranden. Ein von mir entwickeltes Logo auf der Tragfläche – das hätte was.

 

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Vielen Dank.

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