Wir sprachen mit Katharina Seidl und Claudia Bannwarth von Kochan & Partner, München, über die Kompetenzen, die ein Design Director braucht, und die Unterschiede zu klassischen Berufen wie Art Director.
Katharina Seidl, 30, und Claudia Bannwarth, 42, arbeiten als Design Directors bei der Branding- und Designagentur Kochan & Partner in München. Ihr Jobprofil ergibt sich aus neuen Anforderungen im Gestaltungsprozess und hat sich aus der interdisziplinären, nicht linearen Arbeitsweise der Agentur entwickelt. Wir sprachen mit den beiden über die Kompetenzen, die ein Design Director braucht, und die Unterschiede zu klassischen Berufen wie Art Director.
Ist das Jobprofil eines Art Directors mit dem eines Design Directors vergleichbar? Katharina Seidl: Die Aufgaben eines Design Directors reichen viel weiter. Er ist in den kompletten Prozess involviert und nimmt eine vernetzende Rolle ein. Er sorgt dafür, dass die Leute mit den richtigen Kompetenzen zusammenkommen, hält also die Fäden in der Hand. Design ist bei uns in der Agentur eine Aufgabe, die weit über die Formgebung hinausgeht und deshalb mit der Definition eines klassischen Art Directors nicht abgedeckt ist. Wir wollen gemeinsam mit dem Kunden und einem großen interdisziplinären Team zum besten Ergebnis kommen – das ist eben kein linearer Prozess.
»Wir halten während des gesamten Gestaltungsprozesses die Fäden in der Hand« Claudia Bannwarth
Claudia Bannwarth: Der Design Director muss fähig sein, sich auf andere einzulassen. Denn der spannendste Punkt dieses Berufsbildes ist, dass man morgens noch nicht weiß, wie abends das Ergebnis sein wird, weil man sich auch von den verschiedenen beteiligten Gewerken inspirieren lässt. Ideen kommen nicht zwingend von der Kreation, sondern auch aus der Produktion, der Herstellung, der Programmierung oder vom Kunden. Aufgabe des Design Directors ist es, alle fürs Mitdenken und Mitmachen zu begeistern, sich von Ideen anderer überraschen zu lassen und dann zu entscheiden, was wir aufgreifen und weiterstricken.
Dann steht der Design Director von der Verantwortung her eher mit einem Creative Director auf einer Ebene? Seidl: So, wie er in Deutschland verwendet wird, ist der Begriff Creative Director für mich ein hierarchischer. Wir arbeiten aber nicht in diesen Hierarchien. Wir haben keinen Art Director, der seine Idee dem Creative Director verkaufen muss, der dann mit der Geschäftsführung reden muss, um die Idee dem Kunden zu präsentieren. Wir finden stattdessen eine gemeinsame Lösung. Die Berufsbezeichnung Design Director hängt hauptsächlich mit der Art und Weise zusammen, wie wir Design verstehen, sie ist aber auch eine Verweigerung gegenüber alten, nicht teamorientierten Hierarchien.
Die Berufsbezeichnung Design Director hängt hauptsächlich mit der Art und Weise zusammen, wie wir Design verstehen, sie ist aber auch eine Verweigerung gegenüber alten, nicht teamorientierten Hierarchien. Katharina Seidl
Kann man sagen, dass der Design Director den Gestaltungsprozess managt? Seidl: Das trifft es ganz gut. Bei uns gibt es kein klassisches Briefing, sondern wir formulieren aus den Zielen oder Entwicklungen des Kunden eine Aufgabe und dann schaut der Design Director, wer welche Teile zu dieser Aufgabe am besten beitragen kann. Wir haben auch weniger klassische Präsentationstermine mit dem Kunden, sondern eher Kollaborationstermine, bei denen wir zusammen an Lösungen arbeiten. Dabei muss der Design Director den Überblick über die verschiedensten Bereiche haben und als einzelne Person breit aufgestellt sein.
Welche Werkzeuge muss er beherrschen? Bannwarth: Er muss in aller erster Linie kreativ sein, aber in einem nicht formalen Zusammenhang. Er arbeitet natürlich mit der Adobe Creative Suite, muss aber in die anderen Gewerke Einblick und einen Überblick über die dort verwendeten Tools haben – ohne dabei Fachmann auf jedem Gebiet zu sein. Wir probieren auch gerne neue Tools aus. Nur so können wir mitreden und die Machbarkeit von Ideen einschätzen. Für die Umsetzung suchen wir dann wieder den Spezialisten. Der Weg, wie wir eine Aufgabe lösen, mit welchen Tools, mit welchen Kollegen und mit welchen Fachleuten, ist nicht vorgegeben. Es ist Teil unseres Jobs, diesen Weg mit zu entwickeln. Deshalb ist es nicht länger möglich, zu sagen: »Ich mache mehr Print oder mehr Digital.« Es ist immer die Idee, das Produkt oder der Kunde, der mit seinem Anliegen im Mittelpunkt steht. Davon ausgehend suchen wir uns den besten Weg.
Demnach gehört es auch zu eurer Aufgabe, die entsprechenden Teams zusammenzustellen? Bannwarth: Einmal das – aber auch, den Kunden mit einzubinden. Dabei ist es meist besser, kleine Schritte zu gehen und nicht erst ein fertiges Layout zu gestalten und dann den Kunden dazu zu bitten. Man kann ja durchaus von seiner Kompetenz profitieren und dann gemeinsam das bestmögliche Ergebnis erzielen.
Ein Design Director muss sich also auf vielen Gebieten auskennen. Er muss bereit sein, sich schnell in Themen einzuarbeiten, teamorientiert agieren und sehr kommunikativ sein. Klingt ganz schön anspruchsvoll. Seidl: Er muss außerdem mit vielen verschiedenen Leuten auskommen und gegen den Strom denken können. Und eine hohe Stresstoleranz braucht er auch. Aber er ist ja nicht alleine, Vernetzung schreiben wir sehr groß. Natürlich hat der Design Director Planungsverantwortung, aber immer im Austausch mit den Kollegen. Man muss viel wissen, aber nicht alles können. Klar sollte man etwa bei Herstellungstechniken ungefähr die Möglichkeiten kennen, und es schadet auch nicht, bei einer Website die Programmierungsstruktur zu verstehen. Deshalb müssen wir aber nicht selbst programmieren. Es geht um Zusammenhänge und Expertise der Möglichkeiten, ohne selbst überall Experte zu sein.
Bannwarth: Der Design Director ist weniger Chef, sondern das teamorientierte, integrierende Element, das das Team zusammenfügt und zusammenhält.
Der Design Director ist weniger Chef, sondern das teamorientierte, integrierende Element, das das Team zusammenfügt und zusammenhält. Claudia Bannwarth
Was fasziniert euch an eurem Job am meisten? Bannwarth: Design ist Lernen per se! Lernen kann immer und überall passieren. Nicht indem ich eine Woche zu einem Workshop gehe und dann ein neues Tool beherrsche. Sondern wir lernen jeden Tag im Job – was viel spannender ist als theoretisches Lernen. Wir sehen ganz viele Dinge und sind immer wieder überrascht, was es gibt und was man machen könnte. Diese Dinge neu zusammenzufügen ist faszinierend.
Seidl: Vor allem das kollaborative Arbeiten in einem großen Team. Das macht den Beruf aus.
Wie seid ihr Design Director geworden? Seidl: Bei mir war das eher klassisch. Ich habe ein Bachelorstudium Grafikdesign absolviert und anschließend das Trainee-Programm bei Kochan & Partner durchlaufen. Ich wurde übernommen und habe sechs Jahre in der Agentur gearbeitet, bevor ich an der University of Reading meinen Master im Typeface Design gemacht habe. 2016 war ich fertig und konnte aufgrund meiner Erfahrung die Rolle als Design Director bei Kochan & Partner übernehmen. Dabei kann ich meine Spezialisierung auf Typedesign in meinem jetzigen Job durchaus nutzen, sie bringt eine neue Fachrichtung ins große Team.
Bannwarth: Mein Weg war ähnlich geradlinig, aber ohne klassisches Studium. Nach dem Abitur habe ich eine Ausbildung gemacht. Es folgte eine Weiterbildung zur Informationsdesignerin, die sehr auf Computertools ausgerichtet war. Über verschiedene Jobs in Verlagen und Agenturen kam ich Anfang 2000 zu Kochan & Partner, auch weil ich den Kunden Studiosus mit seinen Studienreisen sehr spannend fand. Ich arbeite jetzt seit 17 Jahren für Studiosus, zuerst als klassische Grafikdesignerin, dann bekam ich über die Jahre immer mehr Verantwortung und schließlich den Job des Design Directors.
Noch sind Gestaltungsprozesse oft linear, aber die Entwicklung geht hin zu konzeptionellem, parallelisierendem Arbeiten. Ist der Design Director demnach ein in die Zukunft gerichtetes Berufsbild? Seidl: Bei uns sind Gestaltungsprozesse schon lange nicht mehr linear. Eine Marke an sich ist heutzutage nicht mehr statisch. Sie definiert sich nicht über Logogrößen und Positionierungen und ihre Ziele nicht darüber, ob am Ende eine Printkampagne oder eine Webseite herauskommt. Vielmehr wandelt sie sich im gemeinsamen Prozess und muss auf die vielen unterschiedlichen Medien auch unterschiedlich angewandt werden.
Bannwarth: Besonders wichtig ist auch, den Kunden und sein Produkt rechtzeitig und während des Entwicklungsprozesses immer wieder zu integrieren. Wir müssen weg vom Der-Kunde-ist-König-Prinzip, wobei auch der Designer nicht alles besser weiß. Schließlich wollen wir alle das Beste für den Kunden und sein Produkt oder seine Marke.
Müssen die Hochschulen auf solche Entwicklungen reagieren? Seidl: Die Hochschulen können sich auf so etwas nicht vorbereiten. Das Berufsbild Design Director hat ganz viel damit zu tun, Neugier für viele Bereiche zu zeigen, und das entwickelt sich vor allem aus der eigenen Erfahrung.
Was war bislang euer spannendstes Projekt? Seidl: Das ist schwierig zu sagen. Studiosus ist generell sehr interessant, vor allem wenn man den Kunden insgesamt und nicht das Einzelprojekt sieht. Es ist ein riesiges Team, intern und extern, das die komplette Marke und viele spannende Projekte betreut. In den Katalogen zum Beispiel kann ich mein Faible für Detailtypografie ausleben. Mit jedem einzelnen Projekt entwickeln wir die Marke weiter.
Bannwarth: Es spricht ja für sich, dass ich mich nach 17 Jahren immer noch für den Kunden Studiosus und die Projekte begeistern kann. Das liegt vor allem daran, wie wir mit der Aufgabe umgehen.
Und an was für einem Projekt würdet ihr gerne mal arbeiten? Seidl: Ich finde alle Aufgaben spannend, bei denen man im realen Kontext die Möglichkeit bekommt, etwas dazuzulernen und auszuprobieren.
Bannwarth: Ich würde für Studiosus gerne mal einen Film machen. Und ansonsten warte ich einfach auf die nächste Überraschung, die eine neue Herausforderung bringt.
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