70 Jahre IKEA-Katalog: modern oder spießig, das ist hier die Frage – auch bei den Geschlechterrollen …
Das IKEA-Museum lädt derzeit zu einer Ausstellung alter Kataloge ein. Wir alle werden jedoch vermutlich nicht ins südschwedische Städtchen Älmhult in die Ikeastraße 5 kommen, wo die IKEA-Story begann und sich inzwischen auch das Museum befindet.
Doch man kann auch vom heimischen Computer aus blättern: Anlässlich der Ausstellung macht dies ein neues Online-Archiv der alten IKEA-Kataloge möglich. Wir haben hineingeschaut und mussten uns teils die Augen reiben. IKEA galt doch einst als supermodern, als der Ort, wo junge, fortschrittlich denkende Familien sich mit Möbeln eindeckten?
Aus der heutigen Sicht stellt sich das nicht mehr ganz so dar. Sowohl beim Design des Katalogs, den abgebildeten Interieurs als auch bei den dargestellten Geschlechterrollen gibt es arge Schwankungen zwischen modern und erstaunlich bieder.
Wir geben ein paar Einblicke.
Katalog von 1955: Grafisch schon sehr modern, aber noch illustrativ gelöst1960: Wow, durch diese Brille gesehen verspricht der Katalog einen schicken Lifestyle!1966: Eins der ersten IKEA-Wohnzimmer als Covermotiv. Es sollten noch viele folgen …1967: Hier stand dann doch wieder das einzelne Möbelstück im Vordergrund. Der Polo-Sessel war aber auch zu schick!1971: Kurzhaarfrisur, Langhaarteppich1971 trug man auch Gürtel über Pullovern1973 verlagerte man das Leben mit dem vielseitig verwendbaran TAJT in Fußbodennähe
1973, Abbildung aus dem Inneren des Katalogs: Der Mann spielt Schach (mit wem auch immer), derweil die Frau in der Küche zu tun hat1976: Kiefer für das Wohnzimmer (»Furu för vardagsrummet«) – dafür sollte IKEA über Jahrzehnte sorgen. Ob der zeitunglesende Mann sich den Tee wohl selbst gekocht hat? Oder war’s seine Frau, die gerade Abendessen macht?1980: Außen poppig bunt, mit IKEA-Lettern in modischen Holzschnitt-Retro-Look. Innen setzte sich diese Linie aber nicht fort …1981: So kennen wir unser IKEA: Mit freigestellten Möbeln und billigen Preisen direkt daneben (hier waren’s natürlich schwedische Kronen)1985: Mit ihrer Vorliebe für kaltes Metall waren die 1980er Jahre kein Höhepunkt gemütlicher Einrichtung. Dafür kam der IKEA-Schriftzug mit verspielten Serifen daher1992: Wobei diese Form von Gemütlichkeit auch nicht die Lösung ist1997: Oh je, wer hat da die Schaffelle in den Raum gestreut?2000: Das neue Jahrtausend begann IKEA bei Kerzenlicht2010: »Wir leben alle gleich anders« stand auf diesem Katalog. Mit IKEA-Möbeln halt …2010: Und hier ist er, der geniale Designer des Billy-Regals, Gillis Lundgren – der 1954 einst er als vierter Mitarbeiter bei IKEA startete2014: Einordnen und Verstauen bleibt eine Spezialität von IKEA2018: Natürlich ist IKEA inzwischen längst Instagram-tauglich2021: Dies Jahr hat IKEA ein Nickerchen eingelegt
Ganz schön reißerische Subheadline für einen Artikel, in dem es genau zweimal um Geschlechterrollen geht und achtzehnmal um Innenarchitektur und Grafikdesign. Bei einem Foto von einem Mann beim Teetrinken dem Mann zu unterstellen, er hätte ihn nicht selbst zubereiten können und dann auch noch zu unterstellen, er ließe seine Frau die Küchenarbeit erledigen, die überhaupt nicht im Bild zu sehen ist, ist am Ende genauso stereotypisierend und unterstützt verstaubte Rollenbilder wie das Cover von 1973. Schade, da habe ich irgendwie mehr Feingefühl erwartet. Generell lesen sich die Bildunterschriften auch etwas herablassend. Etwas mehr Anerkennung für ein kleines Möbelgeschäft, dass es geschafft hat, Interior Design zu demokratisieren wäre auch schön gewesen. Wir Designer können ja weiter bei Bolia einkaufen und uns dann besser fühlen, dass wir nicht alle gleich wohnen.
Ganz schön reißerische Subheadline für einen Artikel, in dem es genau zweimal um Geschlechterrollen geht und achtzehnmal um Innenarchitektur und Grafikdesign. Bei einem Foto von einem Mann beim Teetrinken dem Mann zu unterstellen, er hätte ihn nicht selbst zubereiten können und dann auch noch zu unterstellen, er ließe seine Frau die Küchenarbeit erledigen, die überhaupt nicht im Bild zu sehen ist, ist am Ende genauso stereotypisierend und unterstützt verstaubte Rollenbilder wie das Cover von 1973. Schade, da habe ich irgendwie mehr Feingefühl erwartet. Generell lesen sich die Bildunterschriften auch etwas herablassend. Etwas mehr Anerkennung für ein kleines Möbelgeschäft, dass es geschafft hat, Interior Design zu demokratisieren wäre auch schön gewesen. Wir Designer können ja weiter bei Bolia einkaufen und uns dann besser fühlen, dass wir nicht alle gleich wohnen.