Tigerbalsam & Elektrogemälde
MADE IN CHINA ist nicht typisch chinesisch, sondern westliches Konsumgut. Doch was sind »Chinesische Dinge« heute? Eine spannende Schau zeigt sie.
MADE IN CHINA ist nicht typisch chinesisch, sondern westliches Konsumgut. Doch was sind »Chinesische Dinge« heute? Eine spannende Schau zeigt sie.
Das Spülmittel »Weiße Katze« zum Beispiel ist »typisch chinesisch« und auch, dass damit nicht nur Geschirr gespült wird, sondern es auch zum Waschen von Obst und Gemüse benutzt wird. Von dort spannt die Popcorn Idea Factory, eine Pekinger Designgruppe, die sich auf Projekte zum Thema spezialisiert hat, einen weiten Bogen durch die chinesische Konsumgeschichte. Dort ist Retro sehr angesagt, ob die Jugend jetzt Sportklamotten von »Meihua« (Pflaumenblüte) oder »Große Sprung Schuhe« trägt oder T-Shirts mit dem Bild der »Weißen Katze«, in denen die Popcorn Idea Factory eine Parallele zu Andy Warhols »Campell Soup« sieht. Das ist einer der zahlreichen spannenden Abzweigungen, wie die zu dem Genossen Deng Xiaopeng, der sagte »egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist, hauptsache sie fängt Mäuse«. Ein Zitat, das in die chinesische Kultur eingegangen ist und dem Spülmittel zusätzliche Aufmerksamkeit verschafft.
Andere Produkte hingegen kennt man aus dem Asia-Shop. Aber bisher nicht ihre Geschichte. Wie »Die rote Laterne« zum Beispiel, die der Sage nach, gemeinsam mit Chinaböllern, das Seemonster Nian abschrecken soll, das am letzten Tag des Jahres an Land kommt, um Menschen und Tiere zu verschlingen. Die Thermoskanne ist gleich mehrfach in jeder Familie zu finden. In ihr hält man nicht nur abgekochtes! Wasser warm (denn aus hygienischen Gründen würden Chinesen nie Leitungswasser trinken), sondern bekam sie mit dem Zeichen »jiang« versehen als Auszeichnung, während bunt gemusterte früher Teil der Aussteuer waren. Wesentlich neuzeitlicher – und unfassbarer – ist das Elektrogemälde, das auf Knopfdruck Wasser fließen lässt und dazu Musik spielt und in der hektischen Zeit für Entspannung sorgen soll.
Und da ist da noch ein Produkt, das jeder wohl schon mal in der Hand hatte: die rot-blau-weiße Tasche. Sie ist aus Abdeckmaterial von Baustellen gemacht, wird in China wegen ihrer rauen Oberfläche Schlangenhaut genannt und wegen ihres Spottpreises von vielen der armen Wanderarbeiter benutzt. Da kann man sich überlegen, ob es bewunderndes Zitat oder eine hemmungslose Geschmacklosigkeit ist, dass Louis Vuitton das Muster 2007 auf einer seiner Luxustaschen zitierte.
Die Ausstellungstücke, die nach ihrem Auftritt bei der Beijing Design Week im Oktober 2011 ihre Schiffsreise in das Museum für angewandte Kunst in Frankfurt angetreten haben, entstammen dem gleichnamigen Buch »Chinesische Dinge« der Popcorn Idea Factory – und zeigen nicht nur die Geschichten und Traditionen, die hinter den einzelnen Produkten stehen, zu denen auch Räucherspiralen, Spucknäpfe und der Acht-Kostbarkeiten-Brei (Abb. oben) gehören, der, in der Morgendämmerung gegessen, die Gesundheit stärken soll und ein beliebtes Mitbringsel bei Kranken ist, sondern erzählen äußerst unterhaltsam Kulturgeschichte.
Chinesische Dinge, Museum für Angewandte Kunst Frankfurt, 23.2. – 27.5., Katalog: Chinesische Dinge, aus der Reihe Essentially Chinese, Popcorn Idea Factory, 2009, 170 Seiten, 15 Euro, ISBN 9787508515892.
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