eim FontShop erscheint jetzt die FF DIN Round von Albert Jan Pool.
Jeder kennt die DIN und viele Leute meinen, die nun erschienene FF DIN Round sei ja nichts Besonderes, halt eine FF DIN mit abgerundeten Ecken. Zwar ging es ihrem Gestalter Albert Jan Pool tatsächlich darum, das Schriftbild der Round dem der FF DIN möglichst nahe kommen zu lassen. Einfach war das aber keineswegs. Viele Jahre experimentierte er herum, entwickelte verschiedene Prototypen und nahm immer wieder Korrekturen und Veränderungen vor, bis die Familie reif für die Veröffentlichung war. Hier lässt er noch einmal einige Schwierigkeiten bei der Entwicklung Revue passieren:
Jedes Zeichen musste neu gezeichnet werden, das einfache Ersetzen von Buchstabenteilen der FF DIN durch Halbkreise führte zu inakzeptablen Ergebnissen. Denn die Rundungen nahmen deutlich weniger Fläche ein, die Striche wirkten dadurch kürzer. Ich fragte mich: »Wie kann man überhaupt schöne runde Strichenden zeichnen?« Schließlich schrieb schon Paul Renner 1939 in »Die Kunst der Typographie«: »Wenn ein mit dem Zirkel gezogener Kreisbogen in die Tangente übergeht, gibt es, geometrisch betrachtet, keine Ecke. Für das Auge aber, hat dieser Übergang etwas zu Jähes, er zeigt geradezu einen störenden Knick. Das Auge erwartet einen allmählicheren Übergang aus der geraden Richtung in die Kurve …. Deshalb hat der … konstruierte Übergang vom Bogen in die Gerade scheinbar Ecken und ebenso die Wellenlinie beim Übergang von einem Halbkreis zum andern.«
Eine hundertprozentig zufrieden stellende Lösung für das Gestalten von runden Schriften konnte bisher nicht realisiert werden. Auch Grafikprogramme wie Illustrator oder Schriftprogramme wie FontLab bieten lediglich die Möglichkeit »runde Ecken« mit Kreisen zu realisieren. Die Rundungen der FF DIN Round mussten also alle von Hand gemacht werden.
Links: Hier bestehen die Rundungen aus Kreisen, die mittels »Suchen und Ersetzen« eingesetzt wurden. Alle Strichenden wirken dadurch kürzer.
Rechts: Bei der FF DIN Round sind die Rundungen so gestaltet worden, dass das Schriftbild der Round dem der FF DIN entspricht
Zunächst mussten Christoph Dunst, der zu dieser Zeit ein Praktikum bei mir absolvierte, und ich das Problem der Diagonalen wie in A, V, W lösen. Die für die Strichenden von beispielsweise H und T vorgesehenen Formen ließen sich nicht einwandfrei auf beliebigen Winkeln drehen. Das grobe Koordinatensystem der damaligen PostScript Type1 Technologie (die Kegelhöhe entspricht 1000 Einheiten) führte dazu, dass nach dem Drehen immer wieder neue Rundungsfehler ausgebügelt werden mussten. Außerdem brauchten wir für die weiche Rundung doppelt so viele Punkte, wie wir für einfache Kreisbögen benötigt hätten In den leichten Schnitten stehen die Punkte sehr dicht aneinander, so dass es kaum möglich war eine akzeptable Qualität zu erreichen. Etwas entmutigt ließ ich das Projekt in der Schublade verschwinden.
Die erste Prototype der FF DIN Round (oben) und die endgütige Version (unten). Die Prototype war noch nicht zufriedenstellend. Die geraden Strecken an M und Z sollten stark an die FF DIN erinnern und ein zu verspieltes Schriftbild ausschließen
Mit der Ablösung des PostScript-Standards durch die OpenType-Technologie verschwand die technische Notwendigkeit, eine Schrift auf 1000 × 1000 Einheiten zu zeichnen. Bei einer Verdopplung der Auflösung konnten die Rundungen der FF DIN Round in der gewünschten Qualität gezeichnet werden! Ich entwickelte eine zweite Prototype, die etwas fragwürdigen Geraden an M, Z und ähnlichen Buchstaben verschwanden. Wieder assistierte mir Christoph Dunst, dieses Mal als freier Mitarbeiter. Diese zweite Version erlebte 2007 ein kurzfristiges Dasein als Hausschrift für das Symposium »Dialog der Schrift«.
Die höhere Auflösung machte meine Arbeit um einiges leichter. Die Kurven konnten nahezu verlustfrei gedreht werden. Wenn es nicht die Extrempunkte gegeben hätte. Von FontShop International durchgeführte Tests hatten ergeben, dass wir auf Extrempunkte nicht ganz verzichten konnten. Trotz der technischen Verbesserungen waren sie für eine zufrieden stellende Darstellungsqualität von kleineren Schriftgrößen am Bildschirme praktisch unentbehrlich. Somit stand erneut einer Überprüfung und Bearbeitung aller Rundungen an.
Die Pro-Variante der FF DIN Round umfasst auch einen kyrillischen Zeichensatz, sogar mit verschiedenen Alternativzeichen
Inzwischen war die Entscheidung gefallen, die FF DIN Round von Anfang an auch als Pro-Variante mit kyrillische Zeichen herauszubringen. Obwohl einige kyrillische Zeichen von den lateinischen abgeleitet werden können, drohte sich die Anzahl der zu gestaltenden Rundungen zu verdoppeln. Es leuchtete ein, bei der Gestaltung möglichst systematisch und rationell vorzugehen. Ich entschied mich also dazu, die Anzahl der Rundungen möglichst gering zu halten. Entscheidend dabei war folgende Erkenntnis: Mit Bezierkurven kann der Anschluss von einer Kurve an eine Gerade nur dann glatt sein (beziehungsweise eine Tangente darstellen), wenn der Griff, beziehungsweise der Anfasser exakt in Flucht mit den Ankerpunkten an beiden den Enden der Gerade liegt. Der gemeinsame Nenner der Koordinaten dieser Punkte bildet ein grobes Raster. Die Winkel die sich hieraus ableiten lassen, anstatt von einer glatten Gradzahl definiert zu werden, bezeichnet man in der Mathematik als rationelle Winkel.
Die Winkel der Diagonale wurden auf wenige, sogenannte rationelle Winkel reduziert. Behutsam angewendet, unterstützt dieses Vorgehen den technischen Charakter der Schrift
Im nächsten Schritt habe ich alle Winkel vermessen. Viele davon waren bereits annährend rationelle Winkel, schließlich war die DIN-Schrift ursprünglich auf einem groben Raster gezeichnet worden. Hieraus erklären sich übrigens auch einige ungewöhnliche Proportionen der DIN Schrift, wie zum Beispiel das relativ schmale X. Die meisten Winkel ließen sich also ohne größere Zugeständnisse an den Charakter der Schrift vereinheitlichen. Zwar hätte ich die Anzahl der Winkel noch weiter reduzieren können, dann aber wären einige Zeichen deutlich von der FF DIN abgewichen. Der Charakter der DIN Schrift wird ja gerade durch ihr einerseits technisch anmutendes, ungelenkes Aussehen geprägt, andererseits soll sie ein möglichst normales Schriftbild aufweisen. Diese Art von Gleichgewicht sollte also unbedingt erhalten bleiben.
Die FF DIN Round hat zwar keine Serifen, aber die Gestaltung der Strichenden hat eine ähnliche Komplexität. Da wo es sinnvoll erschien wurden Winkel und Strichstärken vereinheitlicht, damit die Schrift mit möglichst wenigen Bauteilen gestaltet werden konnte. Weil jedes Kind einen Namen haben sollte, nannte ich diese Bauteile Rundstücke. Inzwischen hatte ich Unterstützung bekommen: von Inka Strotmann von FontShop International. Wir optimierten die Rundstücke und interpolierten sie für die Zwischenschnitte. Anschließend baute Inka unter Berücksichtigung aller Winkel und Maße praktisch jedes Zeichen von Light bis Black von Grund auf neu. Mit Engelsgeduld korrigierte sie Unmengen von Rundungsfehlern und machte sich daran, auch die kleinsten Abweichungen aufzuspüren und auszugleichen. Die technische Perfektion sollte aber nicht in Langeweile enden, daher verpasste ich der FF DIN Round einige Ausreißer: die Guillemets und Pfeile gestaltete ich absichtlich spitz.
Ein Teil der »Rundstücke« der FF-DIN Round Black. Pro Schnitt wurden über 50 verschiedene Bauteile entwickelt
Schriftgestalter zeichnen heutzutage in der Regel zuerst einen leichten und einen fetten Schnitt, die Pole. Die dazwischen liegenden Schnitte werden mittels Interpolieren erstellt. Eine Voraussetzung für das möglichst einwandfreie interpolieren ist, dass in beiden Polen die Anzahl der Punkte gleich ist und dass die Zeichen auf gleiche Art gestaltet worden sind. Letzteres zeigt sich am n der Black: links obenhat es nicht die gleiche Form wie das n der Light. Aus gestalterischen Gründen musste in die Black an dem Übergang vom Strich zum Bogen (dem sogenannten Einlauf) auf eine Gerade verzichtet werden. In den Zwischenschnitten mussten wir diese Stelle daher neu zeichnen. Alternativ hätten wir auf eine FF DIN Round Black verzichten können, aber dann hätte der Schriftfamilie FF DIN Round wirklich etwas gefehlt.
Links FF DIN Round Light, rechts FF DIN Round Black. Die Schnitte dazwischen entstanden durch Interpolation
An der Stelle wo zwei Striche aufeinander stoßen, wirkt ein Schriftzeichen etwas fetter. Aus optischen Gründen werden die Diagonalen in V, W und ähnlichen Buchstaben leicht konisch gezeichnet. Bei der FF DIN Round gab es gute Gründe dies – anders als bei der FF DIN – nicht zu tun: Erstens erinnert die FF DIN Round stark an die mit Trichterfeder beziehungsweise Tuschefüller und Schriftschablone geschriebenen Normschriften. Diese wurden mit einheitlicher Strichstärke geschrieben. Zweitens schließt der Einsatz von rationellen Winkeln die für das Zeichnen von konischen Strichen erforderlichen kleinen Winkelabweichungen aus. Außerdem sollten die Rundstücke ohne allzu aufwendiges Editieren interpoliert werden können. Dazu bedarf es einheitlicher Winkel von Light bis Black. Die Zeichen mit Diagonalen werden in einer fetten Schrift aus optischen Gründen etwas offener und daher breiter gestaltet. Das ist deutlich am X und Y der FF DIN zu sehen. Auf diese Feinheiten habe ich bei der FF DIN Round Black verzichtet. Der etwas rigide Charakter der Schrift wird auf diese Weise bestärkt.
Normschriften wurden von Anfang an mit einheitlicher Strichstärke geschrieben. Die Diagonalen der FF DIN sind leicht konisch, die der FF DIN Round sind es – dem Charakter der Normschriften entsprechend – nicht
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Die FF DIN Round gibt es in den fünf Schnitten Light, Regular, Medium, Bold und Black. Außerdem gibt es eine Pro-Variante mit kyrillischen Zeichen. Die FF DIN Round kostet als OpenType-Familie rund 280 Euro inklusive Mehrwertsteuer und ist ab sofort beim FontShop erhältlich – auch als Webfont.
www.fontfont.de
www.fontshop.de