Allen Monopolisierungstendenzen im Schriftenmarkt zum Trotz: Es gibt noch eigenständige Foundrys mit dem gewissen Etwas. Wie zum Beispiel Letters from Sweden aus Stockholm.
Als ich Göran Söderström (auf dem Bild mit Sohn Ivar) das erste Mal traf, war er angestellter Grafiker in einer Stockholmer Designagentur. Eher selten gab es dort typografische Jobs, aber wenn, dann landeten sie in der Regel bei ihm. Später am Abend, nach ein paar Bier, fand ich heraus, wofür er wirklich brannte: Schrift in all ihren Facetten.
Anderthalb Jahre später, im November 2011, gründete Göran Söderström seine Foundry Letters from Sweden. Der erste Retailfont Siri war nach seiner im Februar geborenen Tochter benannt. Seinen festen Job behielt er vorerst, etwas Sicherheit für die kleine Familie war ihm wichtig.
Im Februar 2014 aber kündigte er – an diese Tage erinnert er sich ganz genau: »Es war eine verrückte Zeit, alles passierte auf einmal: Ich hatte kaum gekündigt, da wurde mein Sohn Ivar geboren. Nie werde ich den Moment im Krankenhaus vergessen, Ivar auf meiner Brust, 15 Minuten alt, als ich die Nachricht bekam, dass mein Freund Peter Bruhn gestorben war.« Eine Koinzidenz, die ihn heute noch sehr bewegt.
Die anfängliche Nervosität, die Familie nun ausschließlich mit dem Zeichnen von Schriften zu ernähren, legte sich bald, das Geschäft brummte.
»Ich war ja kein kompletter Neuling und hatte mir in den Jahren vorher schon viele Kontakte aufgebaut«
versucht er seinen Erfolg zu erklären. Nicht ein einziges Mal war er gezwungen, Akquise zu betreiben, im Gegenteil: gelegentlich musste er Jobs absagen.
»Das war ein Segen. So konnte ich mich auf die Gestaltung konzentrieren und darauf, die Website aktuell zu halten und die Social-Media-Kanäle zu bespielen.«
Schwerpunkt Custom Fonts
Es folgten acht Retail-Font-Familien, von denen die serifenlose, charakterstarke Trim der absolute Bestseller ist sowie zahlreiche Custom Fonts zum Beispiel für den Sender Tele2, die Zeitung »Expressen«, Volvo, das Modehaus Acne Studios oder den Medienkonzern MTG. Auf einen persönlichen Stil oder speziellen Designansatz verschwendet Göran Söderström keine Gedanken: »Ich lebe in einer Symbiose mit der Schrift, die ich gerade zeichne, manchmal sagen die Buchstaben, was ich tun soll, und dann folge ich einfach.«
Dieses absolute Fehlen von Eitelkeit, gepaart mit seiner direkten Art und viel Humor, machen es dem 41-Jährigen leicht, mit Kunden und anderen Kreativen zusammenzuarbeiten.
Im Moment liegt das Verhältnis von Retail- zu Custom Fonts etwa bei 30 zu 70. Der Designer hätte gerne etwas mehr Zeit, die vielen Typen weiterzuentwickeln, die sich in unterschiedlichsten Entwurfsstadien befinden. »Auf der anderen Seite ist es großartig, mit verschiedenen Designern und Artdirektoren an Kundenjobs zu arbeiten. Ich mag den Speed in solchen Projekten, die klaren Deadlines und die Tatsache, dass jemand sehnsüchtig darauf wartet, dass die Schrift fertig wird.«
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Im Sommer 2014 bezog Letters from Sweden ein neues Büro in Björkhagen, einem Stadtteil im Süden Stockholms. Zeitgleich bekam Göran Söderström Unterstützung: Erik Moberg, ein junger Typedesigner, der seine Ansichten zu Qualität und Authentizität teilt. »Es ist cool, ab und an mit Erik gemeinsam an Projekten zu arbeiten, trotzdem will ich Letters from Sweden klein und fokussiert halten. Wenn ich mich vergrößern wollte, würde ich eher jemand für die Administration dazuholen – manchmal habe ich das Gefühl, ein großer Teil meiner Arbeit besteht im Beantworten von E-Mails!«
Der Erfolg von Letters of Sweden ist umso bemerkenswerter, als Göran Söderström keine formale Design- oder Typoausbildung hat, er ist Autodidakt.
»Ich glaube, der Erfolg kommt, wenn man etwas, das man wirklich, wirklich liebt, wieder und wieder tut – und eine Menge Zeit darauf verwendet«
Schön, dass er sich nicht für eine Karriere als Musiker entschieden hat, wie es auch mal zur Diskussion stand.
Die eckige Trim ist der Bestseller von Letters from Sweden
Ab und an begeben sich Göran Söderström und Erik Moberg in dem Wald vor ihrem Büro auf Formensuche
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