Vier Jahre lang arbeitete die Bridgit Folman Film Gang an dem dokumentarischen Animationsfilm »Waltz with Bashir«. PAGE zeichnet nach, wie die Oscar-nominierte Kinoproduktion fast komplett mit Flash entstand.
Wie kann es sein, dass einem ein Stück Vergangenheit einfach fehlt? Der israelische Regisseur Ari Folman konnte sich nicht mehr an seine Zeit als Soldat während des Libanonkriegs 1982 erinnern. Das beunruhigte ihn, und er machte sich auf die Suche nach den Leerstellen seiner Vergangenheit.
Das Besondere: Er dokumentierte diesen Recherche- und Bewusstwerdungsprozess als filmische Autobiografie. Zunächst hielt Folman seine Gespräche mit ehemaligen Kameraden, Psychologen und einem Kriegsreporter sowie nachgestellte Kampfszenen mithilfe einer DV-Kamera fest. Anschließend setzte die extra für dieses Projekt gegründete Bridgit Folman Film Gang dieses Material als Animation um. Ganze vier Jahre dauerte die Fertigstellung von »Waltz with Bashir«, der in diesem Jahr bei den Golden Globe Awards als bester ausländischer Film ausgezeichnet wurde und auch für einen Oscar nominiert war.
Ungewöhnlicherweise ist der Animationfilm zu 90 Prozent aus Cutouts in Flash erstellt – und nicht im Rotoskop-Verfahren, bei dem das Filmmaterial digital übermalt wird. »Wir haben die Figuren in mühsamer Kleinarbeit aus einzelnen Teilen, den Cutouts, in Flash zusammengesetzt und separat animiert – anstatt einen Character jedes Mal neu zu zeichnen wie bei der klassischen Animation«, erzählt Yoni Goodman, Director of Animation bei »Waltz with Bashir». »Das war eine ökonomische Entscheidung«, so der israelische Illustrator Michael Faust, bei der Low-Budget-Produktion in Höhe von 1,7 Millionen Dollar für das Character- und Background-Design verantwortlich. »Flash war das richtige Medium, um die Animation so schnell wie möglich fertigzustellen.« Außerdem ist dem Tool der bewusst etwas mechanische Look des Filme zu verdanken.
Die Bridgit Folman Film Gang, benannt nach Folmans Hund, setzte sich aus zehn Animatoren und zeitweise bis zu sechs Illustratoren zusammen, einem After-Effects-Experten sowie einem Cutter. Hauptsächlich arbeiteten die Illustratoren von zu Hause aus. Für sie alle war Flash fürs Kinoformat relatives Neuland. Doch das Wagnis hat sich gelohnt: Die weltweite Aufmerksamkeit bescherte der Gang bereits das nächste Projekt. Derzeit entwickelt sie mit Regisseur Ari Folman eine Umsetzung von Stanisław Lems »Der futurologische Kongress« als Animation.
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Michael Faust und Yoni Goodman über die Entstehung des Filmes in Photoshop, Flash und After Effects
1. Entwicklung von Pitch und Storyboard
Um an Gelder für die Umsetzung unseres Filmprojekts zu kommen, mussten wir zunächst einen Pitch entwickeln, der die Idee visualisiert. Dazu filmte Regisseur Ari Folman zusammen mit Animation Director Yoni Goodman und Artdirektor David Polonsky seine Gespräche mit Zeitzeugen sowie im Studio nachgestellte Kriegsszenen. Aus den Interviews und Animatics mit vielen Leerstellen und Zeichnungen schnitten sie eine 90-Minuten-Dokumentation. Das war holprig anzusehen, demonstrierte aber die Struktur und Idee des Films. Auf dieser Grundlage erstellten wir später das Storyboard, zunächst mit Bleistiftzeichnungen, dann in Photoshop, da dies einfacher und schneller geht.
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2. Von den Vorzeichnungen zum Frame
Auch bei den Bildern für die Animation arbeiteten wir zuerst oft mit Bleistift oder auch Zeichenkohle. Als Vorlagen verwendeten wir teilweise die Originalfotos von Ari Folmans Zeit als Soldat im Libanonkrieg. Die Flughafenzene beispielsweise entstand folgendermaßen: Ausgehend von dem authentischen Gruppenbild zeichneten wir die Soldaten auf dem Flughafen. Wir erzeugten die Hintergründe und die einzelnen Charaktere in Photoshop und teilten sie dabei auf verschiedene Ebenen auf, sofern es eine Kamerabewegung geben sollte. Anschließend importierten wir alles in Flash und übernahmen die einzelnen Elemente dort ebenfalls auf separate Ebenen.
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3. Anlegen der Hintergründen
Für die Hintergründe legten wir in Photoshop mehrere Ebenen an. Manche Häuser malte ich aus Fotos ab, passte die Proportionen an und platzierte sie auf eine Ebene über dem Himmel. Nachdem wir die Stadtlandschaft Ebene für Ebene zusammengesetzt hatten, ergänzten wir Effekte wie Feuer und Rauch. Darüber fügten wir wiederum die Ebenen mit den Characters ein. Zum Schluss ergänzten wir in After Effects die Ebene mit dem Multiply Effect, mit dem wir das Bild mit einem Gelbton einfärbten, um eine gleichmäßige Deckkraft und einheitliche Atmosphäre zu erhalten.
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4. Reduzierung der Farbpalette in Flash
Alles, was sich bewegte, musste so einfach wie möglich gehalten werden, um es den Animatoren nicht noch schwerer zu machen. Das Meer bestand daher aus einer einzigen, komplexen Bewegung und je mehr Farben darin enthalten sind, desto mehr Partikel müssen animiert werden. Also malte ich das Meer in diesem Panorama nur mit vier Farben – es entspricht auch dem Stil des Films, so wenig Farbigkeit wie möglich zu verwende.
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5. Aufteilung eines Flash-Characters in der Cutout-Technik
Die Interviewpartner der Dokumentation mussten wir komplexer aufbauen als die Characters beispielsweise in den Kampfszenen. Da sie sich wenig bewegten, sollte ihre Mimik umso ausdrucksvoller sein – eine minutiöse Angelegenheit. Dafür verwendeten wir die Cutout-Technik. Am Anfang stand dabei immer der Character in seiner gesamten Form. Für die Animation in Flash mussten wir jeden in einzelne Körperteile aufsplitten, pro Character um die 200. Die gröbste Unterteilung waren dabei die Partikel, aus denen sich der Anzug und das Hemd der Figur zusammensetzten. Dann ging es um die Aufteilungen innerhalb dieser Aufteilungen. Dazu verbanden wir mehrere dieser Teile zu einem Symbol in Flash, sodass zum Beispiel die Hand und Teile des Arms eines bildeten. Es ging aber noch weiter: Wir fassten die Handinnenfläche als weiteres Symbol zusammen, das seinerseits aus den Fingern bestand. Diese waren wiederum als Symbole zusammengefasst und noch weiter in ihre Glieder aufgeteilt. Doch auch damit war es nicht getan: Wir mussten die Glieder ihrerseits noch einmal in Linien und Farbflächen dividieren. Die Symbole setzten wir dann in verschiedene Hierarchien zueinander in Beziehung. All diese Aufteilungen mussten wir schließlich Stück für Stück miteinander animieren, damit sie in ihrer Ganzheit die Illusion einer Bewegung vermitteln. Es hätte jedoch noch viel länger gedauert und wäre für uns zu teuer gewesen, wenn wir die Figuren Bild für Bild gezeichnet hätten.
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6. Animation eines Characters mit klassischem Zeichentrick
Wie gerade gezeigt, zeichneten wir einen Character nicht Bild für Bild 25 Mal pro Sekunde, sondern verwendeten die aufgeteilten Figuren und animierten sie auf einer Fläche. Diese Lösung war sehr ökonomisch, aber visuell nicht für alle Szenen ausreichend. Bei den Kampfszenen mit Dramatik, Gewehrschüssen, Feuer und Rauch konnten die Effekte die fehlenden Bewegungen der Figuren verdecken, aber wenn wir etwa Schatten verwendeten, sahen die Cutouts nicht gut genug aus. So bei der entscheidenden »Waltz«-Szene, nach der der Film benannt ist. Da kam es auf eine organische, flüssige Bewegung des im Kugelhagel tanzenden Soldaten an. Deswegen animierten wir diese Sequenz auf klassische Weise – das war der zeitintensivste Teil des ganzen Filmes – und legten tatsächlich Frame für Frame einzeln an. David Polonsky zeichnete zuerst alle Keyframes und wir setzten die Inbetweens, die fehlenden Frames dazwischen, ein. Bei großen Produktionen arbeiten 200 Leute an so etwas: von denjenigen, die nur für die Keyframes zuständig sind, über Inbetween-Artists bis hin zu Clean-up-Artists, die nur die einzelnen Linien säubern.
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7. Erstellen einer Hybrid-Animation aus Cutout- und klassischer Technik
Cutouts waren, wie gesagt, ideal für langsame und kleine Bewegungen und Gesichtsausdrücke. Aber es gab ein Limit, wie weit man eine auf diese Art animieren konnte. Sobald wir schnelle Bewegungen und Verlagerungen hatten, kamen wir nicht darum herum, die Bilder neu zu zeichnen. Für die Martial-Arts-Szene mit dem Soldaten Frenkel kombinierten wir deshab die Cutout- mit klassischer Animationstechnik. Wir erstellten die Figur zuerst in Cutouts, zeichneten dann aber darüber, um die Übergänge zu vervollständigen und die Bewegungen flüssiger zu machen.
(Dieser Artikel erschien in PAGE Heft 08.09)