Zurückhaltender Minimalismus war gestern – wir zeigen vier Leitsysteme, die Raum einnehmen und der Architektur eine grafische Identität verleihen
Stresssituation in der Notaufnahme, viel los, niemand da, um den Weg zu weisen. Das Schlimmste, was jetzt passieren kann, ist Verwirrung durch unübersichtliche oder fehlende Beschilderung. Leitsysteme können aber weit mehr, als nur zu orientieren: Sie bieten die Möglichkeit, das Branding im Raum fortzusetzen und Gebäuden eine eigene Identität zu verleihen. Dabei müssen Kreative die Balance zwischen Funktionalität und Ästhetik finden, die verschiedenen Nutzer:innen und ihre Bedürfnisse mitdenken und Erwartungen der Architekt:innen und Bauleitung erfüllen.
Bild: Mark Seelen
Dafür braucht es spezialisierte Kreativteams wie das Stuttgarter büro uebele, dessen feinfühlige Projekte immer wieder die Grenzen des Leitsystemdesigns austesten. Besonders spannend ist ihre Arbeit in Serviceplans Münchner House of Communication. Das Herzstück des dort installierten Leitsystems bildet ein 130 Meter langer Lichtteppich, der an Drahtseilen von der Decke abgehängt ist. So verbindet er visuell die drei Teile des Gebäudes und bietet eine erste Orientierung. Die ungewöhnliche Installation stellte die Kreativen jedoch vor einige Herausforderungen: Die Wärmeabstrahlung der Lampen störte die Klimaanlage im Gebäude, die Drahtseile für die Aufhängung erzeugten Konflikte in den Infrarotmeldern des Brandschutzes, die tonnenschwere Konstruktion musste außerdem ins Tragwerk des Gebäudes integriert werden.
»Die Kosten im Blick und den Terminplan im Nacken, verliert man als Gestalter schleichend das Wichtigste aus den Augen: die gute Form«, so Andreas Uebele. So hatte büro uebele das Design aufgrund der auftauchenden Probleme immer weiter vereinfacht, bis es zwar umsetzbar war, aber nicht mehr der kreativen Atmosphäre des House of Communication gerecht wurde. Deshalb warfen die Kreativen kurz vor der Montage die Konstruktion noch einmal um und überarbeitete bereits produzierte Teile, um die ursprüngliche, ambitioniertere Vision zu realisieren. Der Aufwand hat sich gelohnt, denn die Installation leuchtet jetzt nicht nur dem Serviceplan-Team den Weg, sondern zeigt eindrucksvoll, was in der Leitsystemgestaltung alles möglich ist.
1. Raum und Region
Die designgruppe koop verwandelt die Säulen der Rapunzel Welt in dreidimensionale Wegweiser
Die designgruppe koop aus Marktoberdorf ist bekannt für ihre feinfühligen, barrierearmen und nachhaltigen Leitsysteme. Doch als die Biomarke Rapunzel sie engagierte, war die Rapunzel Welt – ein Besucherzentrum und Eventgebäude in Legau – bereits fertiggestellt, und es gab im Grunde keine brauchbaren Flächen für ein Leitsystem. Die Böden bestanden aus Terrazzo, große Teile der Wände aus empfindlichem Holz oder Glas. Koop entwickelte deshalb eine Lösung für die einzig noch bespielbaren architektonischen Elemente: die tragenden Betonsäulen im Foyer des Gebäudes. Eine Anforderung seitens Rapunzel war außerdem die nachhaltige, regionale Produktion.